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  BFH-Urteil vom 9.8.1989 (X R 20/86) BStBl. 1990 II S. 128

1. Wird ein Nutzungsrecht entgeltlich gegen Belastung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens erworben, so gelangt das eingetauschte Wirtschaftsgut im Erwerbszeitpunkt auch dann in das Betriebsvermögen, wenn es nicht zur Verwendung im Betrieb bestimmt ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424).

2. Zu den Anforderungen an die Eindeutigkeit einer Entnahmehandlung.

EStG § 4 Abs. 1 und Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt auf dem ihm gehörenden Grundstück W-Straße 27 in A einen Büroeinzelhandel. Das Grundstück war in den Streitjahren nach der Feststellung des Finanzgerichts (FG) zu 82,2 v.H. Betriebsvermögen.

Die Firma R-Bau beabsichtigte, auf dem an das Geschäftsgrundstück angrenzenden Grundstück ein Geschäftszentrum zu errichten. Mit Verträgen vom 21. April 1976/18. Juli 1978 veräußerte der Kläger von seinem Geschäftsgrundstück ein Trennstück in einer Größe von ca. 11 qm an die Firma R-Bau. Er gestattete der Erwerberin, drei der vier Flurstücke ab dem ersten Obergeschoß zu überbauen. Auf eine Überbaurente verzichtete er. Weiterhin verpflichtete er sich, die verbleibenden (freien) Flächen in der Erdgeschoßebene von baulichen Anlagen dauernd freizuhalten und gestattete unwiderruflich deren uneingeschränkte Nutzung für den öffentlichen Fußgängerverkehr. Ferner erlaubte er der R-Bau unter Verzicht auf jegliches Lichtrecht, an die Grenzwände im einzelnen bezeichneter Gebäude anzubauen. Die von der R-Bau erworbenen Rechte wurden durch Eintragung im Grundbuch gesichert. Als Gegenleistung räumte die R-Bau dem Kläger ein zeitlich unbegrenztes unentgeltliches Nutzungsrecht an einem ca. 110 qm großen Ladenlokal in dem von ihr errichteten "City-Center A" ein, welches zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks W-Straße 27 in A dinglich gesichert wurde.

Der Kläger vermietete das Ladenlokal nach Fertigstellung an einen Gewerbetreibenden. Er erzielte in den Streitjahren Mieteinnahmen in Höhe von je 89.640 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete die Mieteinnahmen - nach Abzug einer Absetzung für Abnutzung (AfA) von 497 DM (2 v.H. von 24.844 DM; Aufwand für sanitäre Anlagen) - bei den Einkommensteuerveranlagungen 1977 bis 1982 erklärungsgemäß zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Einkünfte aus der Vermietung des Ladenlokals im City-Center seien zu 82,2 v.H. solche aus Gewerbebetrieb. Der gegen die berichtigten Gewerbesteuermeßbescheide vom 22. Februar 1984 nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt: Das Nutzungsrecht am Ladenlokal gehöre zum Privatvermögen des Klägers. Es sei zwar als Betriebseinnahme zu erfassen gewesen, gleichwohl aber nicht Betriebsvermögen des Einzelhandelsgeschäftes geworden. Denn das Ladenlokal sei nicht dazu bestimmt gewesen, "unmittelbar dem Einzelhandelsgeschäft zu dienen". Andererseits sei das Nutzungsrecht auch kein Wirtschaftsgut des notwendigen Privatvermögens gewesen, da es nicht von vornherein dazu bestimmt gewesen sei, privaten Zwecken des Klägers zu dienen. Der Kläger habe "das ihm zustehende Wahlrecht, das im Wege eines Tauschgeschäftes bzw. tauschähnlichen Geschäftes erworbene Nutzungsrecht ... dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen zuzuführen", dahin ausgeübt, daß er - durch Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) - das Nutzungsrecht dem Privatvermögen zugeführt habe. Das FA habe dies zunächst auch hingenommen. Eine nachträgliche Einbeziehung der Erträge in den Gewerbeertrag des Einzelhandelsgeschäftes sei daher nicht gerechtfertigt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen die Gewerbesteuermeßbescheide vom 22. Februar 1984 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Auffassung des FG, das Nutzungsrecht stelle kein Betriebsvermögen dar, der Kläger habe es vielmehr in Ausübung eines ihm zustehenden Wahlrechts - durch Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - dem Privatvermögen zugeführt, ist unzutreffend.

Zum Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter - auch Nutzungsrechte (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, 535, BStBl II 1988, 348) -, die aus betrieblicher Veranlassung angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Dieser Zusammenhang wird - entgegen der Auffassung des FG - nicht nur durch die Widmung eines angeschafften Wirtschaftsgutes zu betrieblichen Zwecken begründet; er wird unabhängig von der tatsächlichen oder beabsichtigten Nutzung des Wirtschaftsgutes dadurch hergestellt, daß die Anschaffung als solche ein betrieblicher Vorgang ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut Entgelt für ein weggegebenes Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens oder für eine sonstige Wertabgabe aus dem Betriebsvermögen ist. Dann ist der Zugang des angeschafften Gegenstandes zum Betriebsvermögen notwendige Folge des betrieblich veranlaßten Erwerbs (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424, m. w. N.).

Im Streitfall war der Erwerb betrieblich veranlaßt. Soweit der Kläger den betrieblich genutzten Teil seines Grundstücks in einem Umfang vom 11 qm abgab und im übrigen dinglich mit Überbau-, Nutzungs- und Freihaltungsrechten zugunsten des Erwerbers belastete, war das Entgelt hierfür notwendigerweise eine Betriebseinnahme. Der betriebliche Zusammenhang wird - ggf. - erst durch eine dem Erwerbsvorgang nachfolgende private Verwendung gelöst (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1981 VIII R 41/79, BFHE 134, 104, BStBl II 1982, 18).

Es kann hier dahingestellt bleiben, in welchem Umfang das als Betriebseinnahme erlangte Nutzungsrecht als Vergütung für eine Veräußerung, als Entschädigung für die Belastung des Grundstücks oder als Nutzungsentgelt anzusehen ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 24. März 1982 IV R 96/78, BFHE 135, 483, 487 f., BStBl II 1982, 643). Betrieblich veranlaßt ist auch die Vereinnahmung eines Entgelts für die Überlassung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens zur Nutzung durch einen anderen (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1974 I R 44/73, BFHE 112, 265, 267, BStBl II 1974, 488). Die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen setzt sich zunächst - ungeachtet einer etwaigen sofortigen Entnahme - in dem als Entgelt erlangten Wirtschaftsgut fort. Dieses wird notwendigerweise Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Willen des Steuerpflichtigen und die von ihm praktizierte buchmäßige Behandlung.

Das Urteil des FG Nürnberg vom 1. Februar 1984 V 49/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 390), auf das sich der Kläger beruft, betrifft die Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur Benutzung eines unterirdischen Grundstücksteils. Tragend ist die Erwägung, daß zwischen dem für einen U-Bahn-Tunnel benutzten Grundstücksteil und dem vom Kläger für eigene gewerbliche Zwecke genutzten Grund und Boden kein Nutzungs- und Funktionszusammenhang bestand. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat dem FG Nürnberg folgen könnte. Jedenfalls wurde hier die Gegenleistung unter Einsatz des gewerblichen Betriebsvermögens erzielt (vgl. Urteil in BFHE 135, 483, 485 f., BStBl II 1982, 643, unter 2.). Durch die von der Grunddienstbarkeit umfaßten Duldungspflichten wurde die Nutzbarkeit des Grundstücks für betriebliche Zwecke des Klägers eingeschränkt.

2. Wurde das Nutzungsrecht hiernach mit seinem Erwerb - anteilig - Betriebsvermögen des Einzelhandelsunternehmens, so hätte es einer Entnahme bedurft, um es in das Privatvermögen zu überführen.

Eine Entnahme erfordert regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen wird. Hierfür wird ein Verhalten vorausgesetzt, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen läßt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern fortan nur noch zur Erzielung von Privateinnahmen oder einkommensteuerrechtlich neutralen Zwecken einzusetzen. Der Willensentschluß des Steuerpflichtigen muß klar und eindeutig zum Ausdruck kommen (BFH-Urteile vom 18. April 1973 I R 57/71, BFHE 109, 505, 508, BStBl II 1973, 700; vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294, jeweils mit Nachweisen). Es ist ein Verhalten des Steuerpflichtigen erforderlich, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betriebsvermögen unmißverständlich gelöst wird (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, 70, BStBl II 1988, 260). Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn wie im Falle des BFH-Urteils vom 31. Januar 1985 IV R 130/82 (BFHE 143, 335, 339, BStBl II 1985, 395) die Herstellungskosten eines im Bau befindlichen Gebäudes ausgebucht werden und fortan aus der Nutzung des Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt werden. Es bedarf indessen nicht stets einer buchmäßigen Darstellung der Entnahme. Es kann auch ein anderes schlüssiges Verhalten genügen, durch das die Verbindung des Wirtschaftsguts zum Betrieb gelöst wird (BFHE 152, 84, 86, BStBl II 1988, 424).

Die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) - so im Streitfall - ist für sich allein keine unmißverständliche Kundgabe eines Entnahmewillens. Hinzukommen muß, daß der Steuerpflichtige die naheliegenden steuerrechtlichen Folgerungen aus einer Entnahme zieht (Gewinnrealisierung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG), sei es innerhalb oder außerhalb des Buchführungswerks. Unterläßt er dies, ist der Schluß gerechtfertigt, daß er die steuerrechtliche Bedeutung des betrieblichen Geschäftsvorfalls nicht erkannt hat. In diesem Falle reicht die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für sich allein nicht aus, einen Entschluß, die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen zu lösen (vgl. - zum Entnahmewillen - BFH-Urteil vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, 141, BStBl II 1977, 315), eindeutig kundzutun. Der Senat befindet sich hierbei nicht im Widerspruch zu dem Urteil in BFHE 152, 84, 86, BStBl II 1988, 424. Der I. Senat hat nicht dargestellt, aus welchen Umständen er in dem von ihm entschiedenen Fall ein schlüssiges Entnahmeverhalten herleitete.

3. Der Kläger vertritt die Auffassung, einen Vorgang im Betriebsvermögen hätte er bilanziell allenfalls einerseits durch Aktivierung des "Nutzungsrechts Ladenlokal" mit seinem Barwert (und durch Abschreibung) und andererseits durch Passivierung der dinglichen Last auf dem Grundstück W-Straße 27 (und durch periodengerechte erfolgswirksame Auflösung) darstellen können. Wegen der Wertgleichheit von Nutzungsrecht und dinglicher Last sei zu keinem Zeitpunkt ein (Entnahme-)Gewinn zu realisieren gewesen. Diese Auffassung trifft nicht zu.

Die Verträge vom 21. April 1976/18. Juli 1978 haben einen tauschähnlichen Vorgang zum Inhalt. Die damals nicht aufgedeckten stillen Reserven hätten bei einer Entnahme des eingetauschten Wirtschaftsguts "Nutzungsrecht Ladenlokal" realisiert werden müssen. Entgegen der Auffassung des Klägers konnte die auf dem Grundstück W-Straße 27 lastende Grunddienstbarkeit nicht passiviert werden; dagegen kam wegen des eingetretenen Wertverlustes eine Teilwertabschreibung auf den Grundstückswert in Betracht (vgl. Döllerer, Betriebs-Berater - BB - 1984, 2.034 f.). Der Wertverlust des Grundstücks (Minderung seines gemeinen Werts) stellte die Anschaffungskosten des Nutzungsrechts dar. Von einer Wertgleichheit kann keine Rede sein. Das so ausgewiesene Nutzungsrecht hätte der Kläger (gewinnrealisierend) entnehmen können.

4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG wird der Frage nachgehen, ob der Kläger das Nutzungsrecht durch eindeutige Bekundung eines Entnahmewillens entnommen hat. Es wird dabei auch prüfen, ob der Kläger, wie er im Revisionsverfahren vorgetragen hat, bereits im Jahre 1975 das 11 qm große Trennstück aus dem Flurstück 25 vor der Veräußerung entnommen hatte. Hieraus könnten sich Auswirkungen auf den Vomhundertsatz der betrieblichen Nutzung des Grundstücks W-Straße 27 ergeben.

Ist das Nutzungsrecht mangels Entnahme Betriebsvermögen geblieben, sind die durch Vermietung erzielten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb. Das FG wird die Höhe dieser Einkünfte ermitteln. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, daß zusätzliche AfA-Beträge und/oder aktive/passive Rechnungsabgrenzungsposten zu berücksichtigen sind. Ggf. sind die Grundsätze über die Bilanzberichtigung zu beachten (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, 535 f., BStBl II 1989, 407).