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  BFH-Urteil vom 2.8.1989 (I R 53/85) BStBl. 1990 II S. 222

Erwirbt eine inländische Kapitalgesellschaft eigene Geschäftsanteile von ihrem Gesellschafter unter Preis, so wird der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 nicht verwirklicht. Es fehlt der Leistung die Eignung, den Wert der übertragenen Geschäftsanteile zu erhöhen.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (DVR 1985, 155)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine durch Gesellschaftsvertrag vom 20. November 1947 gegründete inländische GmbH, deren Stammkapital im Jahre 1976 auf 2 Mio DM erhöht wurde. Die Geschäftsanteile hielten A und seine Tochter B.

In dem notariellen Vertrag vom 26. April 1979 teilte B ihren Geschäftsanteil von nominal 840.000 DM in zwei Teilgeschäftsanteile von nominal 700.000 DM bzw. 140.000 DM auf. Anschließend verkaufte und übertrug sie den Teilgeschäftsanteil von nominal 700.000 DM für einen Kaufpreis von 1.250.000 DM an die Klägerin und den Teilgeschäftsanteil von nominal 140.000 DM für einen Kaufpreis von 250.000 DM an die A-GmbH. Gleichzeitig verzichtete B auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber A. Am 28. Oktober 1980 verkaufte die A-GmbH, die den Teilgeschäftsanteil an der Klägerin von B nur gemäß einer Treuhandvereinbarung für die Klägerin erworben hatte, den Teilgeschäftsanteil an die Klägerin zum Kaufpreis von 256.001,04 DM.

Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 6. Juli 1979 wurde zunächst der Teilgeschäftsanteil von nominal 700.000 DM eingezogen. Später wurde ein entsprechender Beschluß für den Teilgeschäftsanteil von 140.000 DM gefaßt.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Kaufpreis für die verkauften Teilgeschäftsanteile habe wesentlich unter deren gemeinem Wert gelegen. B habe mit Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu A eine verdeckte Einlage gegenüber der Klägerin erbracht, die als freiwillige Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 zu behandeln sei. Nach dem Stuttgarter Verfahren sei der Wert der Anteile mit insgesamt 5.846.400 DM und der tatsächlich gezahlte Kaufpreis mit 1.500.000 DM anzusetzen. Das FA setzte deshalb durch Bescheid vom 11. Februar 1982 eine Gesellschaftsteuer von 43.460 DM fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (DVR) 1985, 155 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972. Sie beantragt, unter Änderung des Urteils des FG Rheinland-Pfalz vom 23. November 1984 4 K 147/84 den Gesellschaftsteuerbescheid vom 11. Februar 1982 in eer Form der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1984 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheides in der Form der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1984 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i.V.m. Satz 2 KVStG 1972 unterliegt die Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung als freiwillige Leistung des Gesellschafters an seine inländische Kapitalgesellschaft nur dann der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Dabei bestimmt sich der Begriff "Gesellschaftsrechte" gemäß § 6 KVStG 1972. Gesellschaftsrechte i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 sind deshalb bei einer GmbH alle Geschäftsanteile. Entsprechend bezieht sich der "Wert der Gesellschaftsrechte" i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 bei einer GmbH auf den Wert der Summe aller Geschäftsanteile, die unmittelbar vor dem Bewirken der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 möglicherweise gesellschaftsteuerbaren Leistung bestanden.

2. Erwirbt eine Kapitalgesellschaft unentgeltlich eigene Anteile, so erhöht sich dadurch der Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte nicht. Dies gilt unbeschadet der Fragen, ob sich überhaupt der Wert des Gesellschaftsvermögens erhöht (vgl. dazu: Scholz/Westermann, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 33 Rdnr. 32 ff.; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 12. Aufl., § 33 Rdnr. 7; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 33 Rdnr. 17 ff.; Thiel, Die steuerliche Behandlung eigener Anteile von Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1967, S. 102 ff.) und wie die eigenen Anteile von der Kapitalgesellschaft zu bilanzieren sind. Es finden allenfalls Wertverschiebungen zwischen den Gesellschaftsrechten statt. Dies macht das folgende Beispiel deutlich:

An der X-GmbH (Stammkapital: 100; Buchkapital: 150; stille Reserven: 50) sind A und B je zur Hälfte beteiligt.

A und B übertragen je die Hälfte ihrer Anteile unentgeltlich auf die X-GmbH.

Die X-GmbH veräußert später die eigenen Anteile (nominal: 50) für 200.

In diesem Fall beträgt der Wert des Gesellschaftsvermögens der X-GmbH und damit auch der Wert der Summe aller Geschäftsanteile vor der unentgeltlichen Anteilsübertragung 200. Der Senat läßt offen, ob sich der Wert des Gesellschaftsvermögens durch die unentgeltliche Anteilsübertragung erhöht oder ob die eigenen Anteile für die X-GmbH nur die Chance repräsentieren, bei späterer Veräußerung an einen neuen Gesellschafter einen dann erst das Gesellschaftsvermögen erhöhenden Preis wert zu sein. Jedenfalls kann es keinen Unterschied machen, ob die Geschäftsanteile an die X-GmbH oder an einen Dritten unentgeltlich abgetreten werden. Stets bleibt der Wert der Summe aller Geschäftsanteile gleich. Durch die Abtretung der Anteile an die X-GmbH findet allenfalls eine Wertverschiebung zwischen den Geschäftsanteilen dergestalt statt, daß die Anteile von A und B in Höhe von nominal je 25 nunmehr je 100 statt vorher je 50 wert sind, während die eigenen Anteile der X-GmbH von nominal 50 solange mit 0 anzusetzen sind, als die Möglichkeit, sie wieder in den Verkehr zu bringen, sich nicht zu einem gegenwärtigen wirtschaftlichen Wert konkretisiert hat. Die hier unterstellte Wertverschiebung läßt den Wert der Summe aller Geschäftsanteile unberührt. Er beträgt vorher und nachher 200. Die Veräußerung der eigenen Anteile durch die X-GmbH löst erst die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens um weitere 200 aus. Dann erst erhöht sich auch der Wert der Summe aller Geschäftsanteile auf nunmehr 400. Diese Werterhöhung ist aber ausschließlich auf die Anteilsveräußerung und nicht schon auf den unentgeltlichen Anteilserwerb zurückzuführen.

3. Erwirbt eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile entgeltlich, so mindert das von der Kapitalgesellschaft zu zahlende Entgelt allenfalls den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte. Eine Werterhöhung scheidet auch in diesem Fall aus. Dies macht das folgende Beispiel deutlich:

An der X-GmbH (Stammkapital: 100; Buchkapital: 150; stille Reserven: 50) sind A und B je zu 50 v.H. beteiligt.

A und B veräußern je die Hälfte ihrer Anteile an die X-GmbH zu einem Kaufpreis von je 50.

In diesem Fall beträgt das Gesellschaftsvermögen vor der Anteilsveräußerung 200. Es mindert sich durch die Kaufpreiszahlung einerseits um 100. Dafür erhält die X-GmbH die Chance, durch Weiterveräußerung der eigenen Anteile einen neuen Gesellschafter zu beteiligen oder die Beteiligung eines bisherigen Gesellschafters zu erweitern. Ob diese Chance mit dem Kaufpreis 100 bewertet werden kann, kann dahinstehen, weil der Betrag von 100 als Mehrung des Gesellschaftsvermögens jedenfalls erst mit der Anteilsveräußerung zugeführt wird. Auch nach der Anteilsveräußerung durch die X-GmbH beträgt der Wert der Summe aller Geschäftsanteile 200. Deshalb kann für die Zeit vorher kein höherer Wert angesetzt werden.

4. Erwirbt die Kapitalgesellschaft - wie im Streitfall - eigene Anteile unter Preis zum Zwecke der Einziehung, so gilt das zu II.2 und 3 Gesagte zunächst sinnentsprechend. In diesem Falle stellen die zwecks Einziehung erworbenen eigenen Gesellschaftsrechte nicht einmal bewertungsfähige Wirtschaftsgüter dar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Juni 1970 III R 33/68, BFHE 99, 389, BStBl II 1970, 658). Umso mehr muß die Eignung der eigenen Anteile verneint werden, das Gesellschaftsvermögen einerseits und den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte andererseits zu erhöhen. In diesem Fall findet lediglich eine Wertverschiebung zu Lasten der eigenen und zu Gunsten der übrigen Gesellschaftsrechte statt. Diese Wertverschiebung berührt jedoch den Wert der Summe aller Gesellschaftsrechte nicht.

5. Die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung wird durch die Regelung in § 2 Nr. 5 KVStG 1959 bestätigt. Die Vorschrift ging davon aus, daß die unentgeltliche Übertragung eigener Anteile bzw. ihre Veräußerung zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung an die Kapitalgesellschaft keine gesellschaftsteuerbare Leistung i.S. des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 (heute: § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972) war. Erst wenn die Kapitalgesellschaft die eigenen Anteile weiterveräußerte und ihr dadurch neues Kapital zugeführt wurde, war eine gesellschaftsteuerbare Leistung i.S. des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 bewirkt. Während die Vorschrift des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 unverändert in das KVStG 1972 übernommen wurde, wurde § 2 Nr. 5 KVStG 1959 ersatzlos gestrichen. Dies kann nur bedeuten, daß seit dem 1. Januar 1972 sowohl die Einlage als auch die Veräußerung eigener Anteile nicht gesellschaftsteuerbar sind. Soweit in der Regierungsbegründung zum KVStG 1972 eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. BTDrucks VI/2769 S. 6), ist die andere Auffassung weder durch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 noch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gedeckt.

6. Nach den tatsächlichen und den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Klägerin eine inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972. B übertrug ihre Geschäftsanteile an der Klägerin auf diese unter Preis zu dem Zweck, die Geschäftsanteile später einziehen zu lassen. Der Leistung der B fehlte die Eignung, den Wert der Summe aller Geschäftsanteile zu erhöhen (vgl. oben II.4). Zwar bewirkte die Leistung der B eine Erhöhung des Werts der Gesellschaftsrechte der übrigen Gesellschafter. Insoweit fand jedoch nur eine Wertverschiebung zwischen den Geschäftsanteilen statt. Der Wert der Summe aller Geschäftsanteile erhöhte sich nicht. Er minderte sich sogar durch die Kaufpreiszahlung an B. Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 KVStG 1972 im Streitfall nicht erfüllt.

7. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Mangels Tatbestandsverwirklichung waren die Vorentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben.