| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 11.10.1989 (I R 148/85) BStBl. 1990 II S. 335

Zur Ermittlung des Durchschnittsertrages i.S. des Abschn. 78 VStR 1977 für die Berechnung der Gesellschaftsteuer im Falle der Umwandlung einer KG in eine GmbH, wenn mit künftigen Ertragsminderungen zu rechnen ist, die sich am Bewertungsstichtag jedoch betragsmäßig nicht konkret fassen lassen.

KVStG 1972 § 8 Nr. 1 Buchst. a; BewG § 11 Abs. 2 Satz 2; VStR 1977 Abschn. 76 ff.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) entstand durch die Umwandlung des in der Rechtsform einer KG geführten Unternehmens H nach §§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG). Der Umwandlungsbeschluß wurde am 28. September 1977 gefaßt. Die Klägerin wurde am 11. Oktober 1977 in das Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital der Klägerin beträgt seit der Umwandlung 6.641.000 DM. Gegenstand der Klägerin ist der Betrieb einer Großhandlung, ....fabrikation und Fachbuchhandlung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf die Errichtung der Klägerin der Gesellschaftsteuer. Dabei berechnete er den Wert des eingebrachten Unternehmens in entsprechender Anwendung der Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1977 mit 140 v.H. des Stammkapitals. Der Berechnung wurde ein geschätzter zukünftiger Jahresertrag von 1,8 Mio DM zugrunde gelegt. Dabei orientierte sich das FA an dem Durchschnittsertrag der Wirtschaftsjahre 1974/75, 1975/76 und 1976/77 in Höhe von 2.406.000 DM. Diesen Betrag kürzte das FA um 25 v.H. = 602.000 DM als Sicherheitsabschlag wegen künftiger schlechter Ertragslage. Daneben berücksichtigte es den Abschlag gemäß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977. Den Vermögenswert pro 100 DM Stammkapital setzte das FA mit 122 v.H., den Ertragshundertsatz mit 19 v.H. x 5 = 95 v.H. an. Die Summe ergibt 217 v.H. Davon machen 65 v.H. einen gemeinen Wert von rd. 140 v.H. des Stammkapitals oder 9.297.400 DM aus. Das FA setzte deshalb die Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 27. Juni 1980 auf 92.974 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin einen höheren Abschlag wegen der schlechten Betriebsergebnisse 1977/78 bis 1979/80 geltend machte, blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 8 Nr. 1 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 21. Mai 1985 aufzuheben, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 27. Juni 1980 zu ändern und die Gesellschaftsteuer auf 69.730 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu bestimmt § 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972, daß eine GmbH eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 ist. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 ist sie eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn sich der Ort ihrer Geschäftsleitung im Inland befindet.

Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin als eine GmbH mit Geschäftsleitung im Inland durch den Umwandlungsbeschluß vom 28. September 1977 gegründet wurde. Sie wurde am 11. Oktober 1977 ins Handelsregister eingetragen. Damit war sie eine inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972. Auf die Klägerin ging das Vermögen der H-KG gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 UmwG über. Mit der Gründung der Klägerin erwarben daher die früheren Gesellschafter der H-KG Gesellschaftsrechte an der Klägerin. Gleichzeitig gingen die Gesellschaftsrechte an der H-KG unter. Der Erwerb der Gesellschaftsrechte an der Klägerin ist ein steuerpflichtiger i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972.

2. Auf den Rechtsvorgang findet die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 schon deshalb keine Anwendung, weil die H-KG vor ihrer Umwandlung keine Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 KVStG 1972 war.

3. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 berechnet sich die Gesellschaftsteuer beim Erwerb von Gesellschaftsrechten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 nach dem Wert der Gegenleistung, wenn eine solche zu bewirken ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sah der Umwandlungsbeschluß vom 28. September 1977 die Übertragung des Vermögens der H-KG gemäß §§ 46 ff. UmwG als Gegenleistung für den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten vor. Deshalb ist die Gesellschaftsteuer nach der Summe der Werte aller früher zum Vermögen der H-KG gehörenden und auf die Klägerin übertragenen Vermögensgegenstände zu berechnen. Dies schließt den Ansatz eines Firmenwertes ein (vgl. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rdnr. 7677.1).

4. Bezüglich der nach § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 erforderlichen Wertermittlung bestimmt § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), daß die §§ 2 bis 16 BewG für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben gelten, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Die Gesellschaftsteuer ist eine Abgabe, die durch Bundesrecht geregelt ist und durch Landesfinanzbehörden verwaltet wird. Deshalb sind die §§ 2 bis 16 BewG auch bei der Ermittlung des Wertes der Gegenleistung i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 zu beachten.

5. § 9 Abs. 1 BewG bestimmt als allgemeinen Bewertungsgrundsatz, daß der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Ergänzend dazu schreibt § 11 Abs. 2 BewG vor, wie der gemeine Wert bei Anteilen an Kapitalgesellschaften zu ermitteln ist. Für die Fälle des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sieht das Gesetz zwingend die Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft vor. Für Zwecke der Wertermittlung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG hat die Finanzverwaltung das sog. Stuttgarter Verfahren entwickelt (Abschn. 76 ff. VStR 1977). Die Rechtsprechung hat dieses Verfahren stets als eine mit dem Gesetz im Einklang stehende Schätzung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften angesehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1985 II R 220/82, BFHE 145, 431, BStBl II 1986, 281, m.w.N.). Dem Gebot des § 1 Abs. 1 BewG entsprechend hat sie das Verfahren auch für den Bereich der Gesellschaftsteuer angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1980 II R 143/76, BFHE 130, 336, BStBl II 1980, 463).

Der erkennende Senat hat in Fortführung der Rechtsprechung des II. Senats des BFH die in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG enthaltenen Grundsätze auf die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine neu gegründete GmbH & Co. KG (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1987 I R 74/85, BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823) sowie auf die Bewertung von Kommanditanteilen an einer KG, in die erstmalig eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin eintritt, - wenn auch nur in modifizierter Form - entsprechend angewendet. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Sie rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG bei der Ermittlung des gemeinen Wertes von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine bestimmte Form der Unternehmensbewertung zwingend vorschreibt. Für die Bewertung des Vermögens einer KG schreibt § 9 Abs. 1 BewG gleichermaßen den Ansatz des gemeinen Wertes vor. Deshalb ist es unbedenklich, bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Vermögens einer KG die in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG enthaltenen Grundsätze entsprechend anzuwenden, wenn dabei nur den wesentlichen Unterschieden zwischen der Ertragsermittlung einer Kapitalgesellschaft und der einer Personengesellschaft Rechnung getragen wird.

6. Das FA errechnete den Jahresertrag der H-KG nach dem Durchschnittsertrag der letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag. Dies entspricht einerseits der Regelung in Abschn. 78 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VStR 1977 und andererseits der Überlegung, daß die Unternehmensbewertung nur die am Bewertungsstichtag bekannten Umstände berücksichtigen kann. Am Bewertungsstichtag waren aber nur die in der Vergangenheit erzielten Jahreserträge bekannt. Zwar mögen konkrete Umstände auf eine andere Ertragsentwicklung für die Zukunft hingedeutet haben. Solche Umstände können jedoch nur in der Form eines geschätzten Abschlages auf den für die zurückliegenden Jahre errechneten Durchschnittsertrag berücksichtigt werden (vgl. Widmann/Mayer, a.a.O., Rdnr. 7677.1). Dabei ist es die Sache des Steuerpflichtigen, die Umstände darzulegen, aus denen sich in der Zukunft voraussichtliche Ertragsminderungen ergeben werden. Außerdem ist der Umfang der voraussichtlichen Ertragsminderungen zu begründen.

7. Das FG nahm auf den Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag einen Abschlag von 25 v.H. vor. Außerdem berücksichtigte es den Abschlag zur Abgeltung aller Unwägbarkeiten i.S. des Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977. Dieses Vorgehen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht der Überlegung, daß ggfs. zu erwartende Ertragsmehrungen oder Ertragsminderungen nur in der Form von Zu- oder Abschlägen auf den für die zurückliegenden Wirtschaftsjahre errechneten Durchschnittsertrag berücksichtigt werden können. Schon deshalb scheidet der von der Klägerin begehrte Ansatz der Jahreserträge 1977/78 bis 1979/80 aus. Auch der Höhe nach enthält die Schätzung des FG weder einen Denkfehler noch einen Verstoß gegen die Erfahrungssätze. Aus den Darlegungen der Klägerin ergab sich kein konkreter Anhaltspunkt dafür, daß bereits zum Bewertungsstichtag mit Ertragsminderungen zu rechnen war, die den geschätzten Abschlag überstiegen. Bei dieser Sachlage bindet die Schätzung des FG den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO, weil es sich um eine auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung handelt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rdnr. 24, m.w.N.).

8. Zwar hat das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt, daß das FA den Durchschnittsertrag der H-KG für die letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag in modifizierter Anwendung des Stuttgarter Verfahrens ermittelte. Dazu gehört insbesondere die Minderung des Gewinns der H-KG um alle gewinnerhöhenden Aufwendungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes und um einen angemessenen Unternehmerlohn. Jedoch war die zutreffende Ermittlung des Durchschnittsertrages der letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag bisher zwischen den Beteiligten unstreitig. Der erkennende Senat unterstellt deshalb, daß Bedenken gegen die Richtigkeit der Ermittlung insoweit nicht bestehen. Er sieht davon ab, die Vorentscheidung nur aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Durch den Erlaß eines Vorbescheides erhält die Klägerin Gelegenheit zur Prüfung der Frage, ob gegen diese Vorgehensweise Bedenken bestehen.