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  BFH-Urteil vom 14.3.1989 (VII R 152/85) BStBl. 1990 II S. 363

1. Die Voraussetzungen des Konkursvorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO für eine Haftungsforderung des FA sind im Konkurs über das Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters unabhängig von der der Haftung zugrunde liegenden Steuerforderung gegenüber der Gesellschaft zu prüfen.

2. Für die Bestimmung der Fälligkeit einer Haftungsforderung, die in einem Haftungsbescheid ohne Zahlungsgebot festgesetzt worden ist, gilt § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, obwohl in dieser Vorschrift Haftungsansprüche nicht ausdrücklich genannt sind.

AO 1977 § 220 Abs. 2, § 191 Abs. 1; KO § 61 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 128.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1986, 61)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen des H. Dieser war persönlich haftender Gesellschafter der O-KG (KG). Das Konkursverfahren wurde durch Beschluß des Amtsgerichts vom 3. April 1978 eröffnet. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG wurde durch Beschluß vom 31. März 1978 abgelehnt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm H durch Bescheid vom 9. Oktober 1979 für rückständige Umsatzsteuerschulden und Nebenleistungen der KG aus den Jahren 1976 bis 1978 als Haftenden in Anspruch. Die Haftungssumme betrug insgesamt 152.826,27 DM. Das FA meldete die Haftungsforderung nachträglich am 11. Oktober 1979 zur Konkurstabelle an. Der Kläger als Konkursverwalter erkannte im Prüfungstermin die Haftungsforderung grundsätzlich an, bestritt aber für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld der KG für Dezember 1976 in Höhe von 14.887,22 DM, die von der KG am 23. März 1977 vorangemeldet worden war, das Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung (KO). Daraufhin stellte das FA durch Bescheid vom 5. Dezember 1980 nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) das Konkursvorrecht für die Haftungsforderung über diese Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld fest.

Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts - FG - vom 17. Juli 1985 IX 314/80, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 61).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Der Auffassung des FG, der Feststellungsbescheid des FA nach § 251 Abs. 3 AO 1977, mit dem das Konkursvorrecht für den Haftungsanspruch gegenüber dem Gemeinschuldner H festgestellt wurde, sei rechtswidrig, kann nicht gefolgt werden.

a) Die Haftungsforderung gehört zu den Forderungen, die im Konkurs bevorrechtigt sein können. Ob eine Abgabe im Konkurs bevorrechtigt ist, entscheidet sich allein nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO, da die AO 1977 hierüber keine Vorschriften enthält (vgl. Koch, Das neue Steuersäumnis- und Zinsrecht, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1961, 194; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 251 Anm. 2 e). Nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO nehmen "die Forderungen der Reichskasse, der Staatskassen und der Gemeinden .... wegen öffentlicher Abgaben" bevorrechtigt am Konkursverfahren teil. "Öffentliche Abgaben" sind Steuern und steuerartige (steuerähnliche) Abgaben einschließlich der Zölle; Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben fallen nicht darunter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. April 1983 VI R 268/80, BFHE 138, 169, 170, BStBl II 1983, 489, m.w.N.).

Zu den steuerartigen Abgaben gehören auch Zahlungen, zu denen ein Dritter (Haftungsschuldner) nach haftungsrechtlichen Vorschriften von den Finanzbehörden herangezogen wird. Gegen den Haftungsschuldner richtet sich aufgrund einer bestimmten Haftungsnorm ein echter öffentlich-rechtlicher Abgabenanspruch (Frotscher, Steuern im Konkurs, 2. Aufl., S. 31; Mösbauer, Haftung im Steuerrecht, Der Betrieb - DB - 1983, 1893). Der Haftungsanspruch dient letztlich wie der Steueranspruch selbst der Einnahmeerzielung des jeweiligen Gemeinwesens. Somit steht das Konkursvorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO dem Steuergläubiger grundsätzlich nicht nur im Konkurs des Steuerpflichtigen (Erstverpflichteten), sondern auch im Konkurs aller an seiner Stelle für die Steuer Haftenden zu (Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., § 61 Rdnr. 63; Frotscher, a.a.O.; Jaeger/Lent, Konkursordnung, § 61 Anm. 21; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 251 AO 1977 Tz. 24; anderer Ansicht Heinrich/Schilling, Steuerhaftungsschulden keine Steuerschulden, Betriebs-Berater - BB - 1984, 2188).

Das Konkursvorrecht für eine Haftungsforderung besteht unabhängig davon, ob sich der Haftungsanspruch aus den steuerrechtlichen Haftungsvorschriften der §§ 69 ff. AO 1977 oder - wie im Streitfall - aus den zivilrechtlichen Vorschriften, z.B. §§ 25, 27, 28, 128 HGB oder §§ 419, 2382 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, ergibt. Die Haftungsforderung ist in jedem Fall eine öffentlich-rechtliche Forderung. Sie gehört nach § 37 Abs. 1 AO 1977 zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und ist gemäß § 191 Abs. 1 und Abs. 4 AO 1977 durch Haftungsbescheid, also in Form eines Verwaltungsakts, geltend zu machen. Entsprechend sind für Streitigkeiten aus dem Bereich der Haftung nach § 33 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die FG zuständig, auch wenn sich die Haftung selbst nicht aus den Steuergesetzen ergibt (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156, und VII R 195/83, BFHE 144, 479, BStBl II 1986, 158). Etwas anderes gilt nach § 192 AO 1977 nur für Haftungsforderungen, die sich auf eine vertragliche Haftungsübernahme gründen.

b) Das Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 KO kann nur für Forderungen in Anspruch genommen werden, die vor Konkurseröffnung entstanden sind (§ 3 KO). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

Die streitige Haftungsforderung ist vor dem Tag der Konkurseröffnung, dem 3. April 1978, entstanden. Davon ist auch das FG ausgegangen. Die Haftungsforderung knüpft an eine Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld der KG für Dezember 1976 an. Haftungsgrundlage des Anspruchs sind §§ 128, 161 Abs. 2 HGB. Nach diesen Vorschriften haftet der Komplementär einer KG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern der Gesellschaft persönlich. Unabhängig von der zu § 128 HGB bestehenden Streitfrage, ob "Haften" im Sinne dieser Vorschrift gleich "Schulden" bedeutet oder ob unter dieser persönlichen Haftung ein echtes Einstehen für eine fremde Schuld (Gesellschaftsschuld) zu verstehen ist (zum Meinungsstand vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., § 128 Anm. 2 A, m.w.N.), entsteht dieser Haftungsanspruch im Zeitpunkt des Entstehens der Gesellschaftsschuld. Die Vorauszahlungsschuld der KG ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG 1973 mit Ablauf des Dezember 1976, somit also vor Eröffnung des Konkursverfahrens, entstanden.

c) Die Haftungsforderung ist allerdings nicht innerhalb eines Jahres vor der Konkurseröffnung fällig geworden (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 KO).

Der Eintritt der Fälligkeit einer Haftungsschuld richtet sich nach § 220 Abs. 2 AO 1977, da eine besondere gesetzliche Fälligkeitsbestimmung (§ 220 Abs. 1 AO 1977) für Haftungsschulden fehlt (Frotscher, a.a.O., S. 115). Im Regelfall erläßt das FA mit der Festsetzung der Haftungsschuld im Haftungsbescheid zugleich eine Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot), so daß die Haftungsschuld nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 mit Ablauf der Zahlungsfrist fällig wird. Enthält der Haftungsbescheid - wie im Streitfall - kein Leistungsgebot, so tritt die Fälligkeit nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 mit Bekanntgabe des Haftungsbescheids - im Streitfall Oktober 1979 - ein (Tipke/Kruse, a.a.O., § 220 AO 1977 Tz. 5; Frotscher, a.a.O., S. 115).

Dem steht der Wortlaut dieser Vorschrift nicht entgegen. Zwar regelt § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 wörtlich nur den Eintritt der Fälligkeit von Ansprüchen "aus der Festsetzung einer Steuer, Steuervergütung oder einer steuerlichen Nebenleistung". Doch muß diese Fälligkeitsbestimmung auch auf Haftungsansprüche angewendet werden, da andernfalls nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 Haftungsschulden mit ihrer Entstehung fällig werden würden, sofern das FA kein Leistungsgebot unter Einräumung einer Zahlungsfrist erläßt. Ein solches Ergebnis wäre jedoch mit der Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO 1977 nicht vereinbar, nach welcher die Finanzbehörde einen Haftungsschuldner durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen kann, es also in ihr Ermessen gestellt ist, ob sie überhaupt gegen einen Haftungsschuldner vorgeht (Entschließungsermessen) und welchen von mehreren Haftungsschuldnern sie in Anspruch nehmen will (Auswahlermessen). Diese Ermessensvorschrift ginge ins Leere, würde die Haftungsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig werden. Die Finanzbehörde müßte in diesem Fall jeden Haftungsschuldner in Anspruch nehmen und die Haftungsforderung geltend machen. Für eine Ermessensausübung i.S. des § 191 Abs. 1 AO 1977 wäre kein Raum. Somit verbietet sich eine Anwendung des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 auf Haftungsschulden.

Obwohl Haftungsansprüche der Finanzbehörden in § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht ausdrücklich genannt sind, muß der Eintritt ihrer Fälligkeit nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bestimmt werden. Diese Vorschrift ist Ausdruck des allgemeinen Prinzips, daß die Verpflichtung zur Entrichtung (Zahlung) von Steuern und gleichgestellten Leistungen - soweit nicht ausdrücklich eine andere gesetzliche Regelung besteht (§ 155 Abs. 1 AO 1977) - erst durch die Steuerfestsetzung begründet wird. Da die Fälligkeit an die Zahlungsverpflichtung anknüpft, kann sie bei Steuern und anderen Leistungen, für die das Gesetz eine besondere Festsetzung fordert (§ 155 Abs. 1, Abs. 4, §§ 152, 333 AO 1977), nicht eintreten, ohne daß eine Verpflichtung zur Zahlung begründet worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1955 II 55/54 U, BStBl III 1955, 298). Dies muß auch für Haftungsansprüche gelten, die gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 ebenfalls einer besonderen Festsetzung durch Haftungsbescheid bedürfen.

Die Fassung des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 beruht offensichtlich auf einem Versäumnis bei der Anpassung der gesamten Vorschrift an die Terminologie des § 37 Abs. 1 AO 1977. Danach gehören zu den "Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis" auch Haftungsansprüche. Dieser Terminologie sind im Gesetzgebungsverfahren der AO 1977 sowohl § 218 Abs. 1 AO 1977 als auch § 220 Abs. 1 AO 1977, nicht aber § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 angepaßt worden (vgl. BTDrucks 7/4292 vom 7. November 1975).

Ist danach der Haftungsanspruch des FA im Streitfall wegen Fehlens einer besonderen Zahlungsaufforderung mit Bekanntgabe des Haftungsbescheids an dem Gemeinschuldner H, also im Oktober 1979, fällig geworden, so war im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 3. April 1978 der Haftungsanspruch zwar schon entstanden, aber noch nicht fällig.

Für diesen Fall greift indes ersatzweise die Regelung des § 65 Abs. 1 KO ein, nach der eine betagte Forderung - wie sie im Streitfall vorliegt - als fällig gilt. Die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO sind somit erfüllt. Die Haftungsforderung des FA ist deshalb - entgegen der Auffassung des FG - im Konkurs über das Vermögen des H bevorrechtigt.

2. Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, daß für die Prüfung der zeitlichen Begrenzung des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO auf die Entstehung und Fälligkeit der der Haftungsforderung zugrunde liegenden Steuerforderung abzustellen sei. Eine derartige Auslegung widerspricht sowohl konkursrechtlichen als auch steuerrechtlichen Grundsätzen.

a) Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß nach der KO der Konkurs der Gesellschaft ein eigenständiges, vom Gesellschafterkonkurs unabhängiges Verfahren darstellt. Nach § 209 Abs. 1 KO ist eine KG selbst konkursfähig. Die KO trägt mit dieser Regelung dem Umstand Rechnung, daß Personenhandelsgesellschaften nach §§ 124, 161 Abs. 2 HGB unter ihrer Firma klagen und verklagt werden können und daß in ihr Vermögen aufgrund eines gegen die Gesellschaft gerichteten Titels vollstreckt werden kann (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 209 Rdnr. 1). Da das Gesellschaftsvermögen einer KG einem selbständigen Konkursverfahren ausgesetzt ist, wird es vom Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters nicht beeinflußt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. Mai 1958 II ZR 36/57, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1958, 1105). Aus dieser Selbständigkeit beider Konkursverfahren folgt, daß auch der Rangcharakter für die im jeweiligen Verfahren angemeldeten Forderungen eigenständig zu prüfen und festzustellen ist.

Diese Entscheidung steht im Einklang mit der des BGH in seinem Urteil vom 16. Februar 1961 III ZR 71/60 (BGHZ 34, 293), nach dem dem Gläubiger einer Personenhandelsgesellschaft sowohl im Konkurs über das Gesellschaftsvermögen als auch über das Gesellschaftervermögen ein Konkursrecht zusteht. Für das Urteil ist allerdings nur die Frage maßgebend, ob ein Konkursvorrecht, das im Gesellschaftskonkurs gegeben ist, auch im Gesellschafterkonkurs besteht. Aus der Entscheidung darüber können nicht ohne weiteres auch Folgerungen für die sich im Streitfall stellende Frage gezogen werden, ob die nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO maßgebende zeitliche Begrenzung, insbesondere die Fälligkeit der Forderung, als Voraussetzung eines Konkursvorrechts im Gesellschafterkonkurs nach den für die Steuerforderung bestehenden Umständen zu beurteilen ist. Insoweit ist im Streitfall jedoch zu berücksichtigen, daß Steuerforderung und Haftungsforderung sowohl aus der Sicht des Schuldners als auch des Gläubigers voneinander verschieden sind. Die KG war nach § 2 Abs. 1 UStG Unternehmerin und damit steuerrechtsfähig im Sinne des Umsatzsteuerrechts. In ihrer Person ist der Umsatzsteueranspruch des FA originär entstanden. Diese umsatzsteuerliche Rechtsfähigkeit der Gesellschaft ist strikt zu trennen von der steuerlichen Rechtsfähigkeit des Gesellschafters. Diesem gegenüber bestand ein besonderer, von der Umsatzsteuerforderung zu trennender, sich aus §§ 128, 161 (2) HGB ergebender Haftungsanspruch des FA. Aus diesen Verschiedenheiten folgt, daß die Voraussetzungen des Konkursvorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO hinsichtlich der Fälligkeiten für die Steuerforderung und die Haftungsforderung voneinander unabhängig zu prüfen sind.

b) Der Hinweis der Vorinstanz auf den maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt im Verhältnis von Vorauszahlungen und Jahressteuerfestsetzungen ist nicht geeignet, auch im Verhältnis von Steuer- und Haftungsforderung ausschließlich auf die Fälligkeit des Steueranspruchs (erste Fälligkeit) abzustellen. Sind Vorauszahlungen zu einem gesetzlich bestimmten Zahlungstermin, z.B. nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 UStG oder aufgrund bestimmter Vorauszahlungsbescheide, z.B. § 37 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG), zu entrichten, so tritt zu den jeweiligen Vorauszahlungszeitpunkten die Fälligkeit der Steuerschuld ein, und nur, wenn dieser Zeitpunkt nicht weiter als ein Jahr vor Konkurseröffnung zurückliegt, ist das Vorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO gegeben. Für den Rangcharakter der Steuerforderung ist also immer die erste Fälligkeit maßgebend (vgl. BGH-Urteil vom 11. Juli 1952 II ZR 10/52, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1952, 1256). Diese Regelung soll verhindern, daß die Finanzbehörde durch Verlagerung der Fälligkeit die Rechte anderer Konkursgläubiger durch gezielte Manipulationen verkürzt (vgl. Mattern, Vorrecht von Steuerforderungen im Konkurs des Steuerschuldners, DStZ/A 1953, 175; Müller, Konkurs und Besteuerung, DStZ/A 1950, 158, 189; Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO 1977 Tz. 29).

Im Verhältnis Steuerschuld zu Haftungsschuld, insbesondere wenn sich die Haftung aus § 128 HGB ergibt, bedarf es einer solchen Regelung zum Schutz der übrigen Gläubiger nicht, da Manipulationen, wie sie sich für die Fälligkeitszeitpunkte von Vorauszahlungen und Jahressteuerbeträgen ergeben könnten, im Haftungsfalle nicht möglich sind.

Die Haftungsschuld entsteht jeweils mit Verwirklichung des Haftungstatbestandes, im Fall des § 128 HGB mit Begründung der Gesellschaftsschuld. Die Fälligkeit der Haftungsforderung richtet sich nach § 220 Abs. 2 AO 1977 und tritt im Regelfall mit Ablauf der in der Zahlungsaufforderung festgelegten Zahlungsfrist, andernfalls mit Bekanntgabe des Haftungsbescheids ein. Hat die Finanzbehörde im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch keine Zahlungsaufforderung erlassen, so greift für die Haftungsforderung § 65 KO ein. Für Manipulationen im Bereich der Fälligkeiten ist im Haftungsfall sowohl rechtlich als auch tatsächlich kein Raum.

c) Ebenfalls rechtsirrig ist die Auffassung des FG, die Haftungsschuld des H sei letztlich die Umsatzsteuerschuld der KG, weshalb auf die Fälligkeit dieser Schuld auch im Hinblick auf die Haftungsforderung gegenüber H abzustellen sei. Mit diesen Ausführungen verkennt die Vorinstanz das Verhältnis von Steuer- und Haftungsschuld.

Grundsätzlich besteht zwischen beiden eine Akzessorietät in dem Sinne, daß ohne Steuerschuld keine Haftungsschuld entstehen und bestehen kann. Diese Abhängigkeit hat zur Folge, daß der Haftungsanspruch erlischt, wenn die Steuer vom Haftungsschuldner bezahlt wird (§§ 224, 225 AO 1977), wenn gegen die Steuerschuld mit einer Gegenforderung aufgerechnet wird (§ 226 AO 1977) oder der Steuergläubiger im Vollstreckungsverfahren gegen den Steuerschuldner Befriedigung gefunden hat. Gleiches gilt bei Verjährung oder Erlaß der Steuerschuld (§ 191 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Auch darf nach § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 der Haftungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Steuerschuld gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist oder eine Festsetzung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr vorgenommen werden kann.

Weiterhin sind besondere Erlaßsituationen beim Steuerschuldner auch beim Haftungsschuldner zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859).

Diese sich aus der Rechtsnatur der Haftung ergebenden Abhängigkeiten führen aber nicht zu einer inhaltlichen Identität von Steuer- und Haftungsschuld. Beide haben gesonderte Rechtsgrundlagen und eigenständige Entstehungsgründe und sind nach unterschiedlichen Verfahrensregeln von den Finanzbehörden geltend zu machen (vgl. dazu Mösbauer, DB 1983, 1893). Die Haftung ist also trotz der dargestellten Akzessorietät gegenüber der Steuerschuld verselbständigt. Sie bildet eine eigene, neben der Steuerschuld stehende Schuld. Weder konkursrechtliche noch steuerrechtliche Grundsätze verlangen eine Akzessorietät dergestalt, daß für die Bestimmung der Fälligkeit einer Haftungsschuld im Rahmen der Festlegung ihres Rangcharakters nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO auf die Fälligkeit der der Haftung zugrunde liegenden Steuerschuld zurückgegriffen werden muß.

3. Da die Vorentscheidung rechtsfehlerhaft ist, muß sie aufgehoben werden. Die Sache ist aufgrund der Feststellungen des FG spruchreif. Der Senat kann daher in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Das FA hat nach den Feststellungen des FG das Vorrecht der Haftungsforderung im Konkurs über das Vermögen des H zu Recht festgestellt. Die gegen diese Feststellung erhobene Klage war daher abzuweisen.