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BFH-Urteil vom 15.11.1989 (II R 77/86) BStBl. 1990 II S. 366

Der Freibetrag nach § 111 Nr. 9 BewG (1965) mindert als personengebundene Steuerbefreiung den Kapitalwert einer Leibrente, die einem Ehepaar gemeinsam zusteht und im Falle des Todes eines Ehegatten dem Überlebenden ungekürzt verbleiben soll, nur solange, wie der jeweils Begünstigte lebt.

BewG (1965) § 111 Nr. 9.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Zum Vermögen des 1901 geborenen Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) und der 1904 geborenen Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gehörte auf den 1. Januar 1980 der Anspruch auf eine Leibrente mit einem Jahreswert von 99.820 DM, die ihnen als Ehepaar gemeinsam zustehen und im Falle des Todes eines Ehegatten dem Überlebenden ungekürzt verbleiben sollte.

Bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1980 legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dafür einen Kapitalwert von 561.748 DM zugrunde. Dieser Betrag wurde auf der Grundlage des bundeseinheitlichen EDV-Programms für Vermögensteuer maschinell unter Berücksichtigung eines Jahreswertes von 99.820 DM, des Alters des Klägers (78, Vervielfältiger 4,773) und der Klägerin (75, Vervielfältiger 6,153) und des doppelten Freibetrags nach § 111 Nr. 9 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) errechnet.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen die Einspruchsentscheidung statt.

Mit der Revision, die das FG zugelassen hat, rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat § 14 BewG i.V.m. § 111 Nr. 9 BewG auf den Streitfall nicht richtig angewendet.

1. Gemäß § 14 BewG werden lebenslängliche Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswertes angesetzt, wobei sich der Vervielfältiger aus der Anlage 9 zum BewG ergibt. Bei der Ermittlung des Kapitalwertes ist gemäß § 111 Nr. 9 BewG ein personenbezogener Freibetrag in Höhe von 4.800 DM abzuziehen. Der Freibetrag ist zweimal zu gewähren, wenn einem Ehepaar eine Rente gemeinsam zusteht und jeder Ehegatte entweder über 60 Jahre alt oder für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Januar 1964 III 199/61 U, BFHE 78, 461, BStBl III 1964, 179).

2. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), stand beiden Ehegatten, die die Voraussetzungen des § 111 Nr. 9 BewG erfüllten, gemeinsam eine lebenslange Nutzung und Leistung in Form einer Leibrente mit einem Jahreswert von 99.820 DM zu.

3. Zu Recht hat das FG zunächst den Jahreswert um (2 x 4.800 DM =) 9.600 DM gemindert. Es hat jedoch verkannt, daß ein Freibetrag als personengebundene Steuerbefreiung nur solange den Kapitalwert mindern kann, solange der Begünstigte lebt. Da dies zum Stichtag 1. Januar 1980 unbekannt war, mußte es von der statistischen Lebenserwartung der Berechtigten ausgehen, die für den älteren Kläger durch den Vervielfältiger (in Anlage 9 zum BewG) 4,773 berücksichtigt ist. Der Kapitalwert der Nutzungen und Leistungen setzt sich daher wie folgt zusammen:

Ehemann:

Hälftiger Jahreswert                                                        49.910,00 DM

abzüglich Freibetrag                                                        4.800,00 DM

                                                                                       -----------------

                                                                                    45.110,00 DM

  

Kapitalwert 45.110 x 4,773 =                                         215.310,03 DM

                                                                                                       

Ehefrau:

Hälftiger Jahreswert                                                        49.910,00 DM

abzüglich Freibetrag                                                        4.800,00 DM

                                                                                       -----------------

                                                                                    45.110,00 DM   

  

Kapitalwert 45.110 x 6,153 =                                         277.561,83 DM

  

zuzüglich Rententeil nach dem Tode des Ehemannes:

  

hälftiger Jahreswert                                                        49.910,00 DM

Kapitalwert: 49.910 x (6,153 - 4,773) =

                   49.910 x 1,38 =                                          68.875,80 DM

Summe der Kapitalwerte:

  

Kapitalwert Ehemann                                                   215.310,03 DM

Kapitalwert Ehefrau (eine Hälfte)                                    277.561,83 DM

Kapitalwert Ehefrau (zweite Hälfte nach

dem Tode des Ehemannes)                                            68.875,80 DM

Summe:                                                                      561.747,66 DM

Mit dieser Berechnung wird vermieden, daß der Freibetrag über den Tod des Erstversterbenden hinaus den Jahreswert der Rente mindert. Dies entspricht dem Zweck des § 111 Nr. 9 BewG, einer Person einen altersgebundenen Freibetrag zur Steuererleichterung zu gewähren.

Die Ansicht der Kläger, § 14 Abs. 3 BewG müsse auf die gesamte Rente unter Abzug des doppelten Freibetrags angewendet werden, ist unrichtig. § 14 Abs. 3 BewG ist nur anwendbar, wenn keine Gründe bestehen, die für vermögensteuerliche Zwecke eine Aufteilung der Leibrente erfordern. Dies ist aber bei § 111 Nr. 9 BewG der Fall (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Anm. 18 zu § 14, Anm. 35 zu § 111); denn § 111 Nr. 9 BewG stellt auf den einzelnen Berechtigten ab.

Zum gleichen Ergebnis gelangt die nach dem bundeseinheitlichen Programm durchgeführte maschinelle Berechnung des FA. Zwar wird rechnerisch ein anderer Weg eingeschlagen, indem der personenbezogene Vervielfältiger auf den Freibetrag angewendet wird, während in der obigen Berechnung der Vervielfältiger mit dem um den Freibetrag geminderten Jahreswert der Rente multipliziert wird; die vom Gesetz geforderte Erwägung, den Freibetrag nur der lebenden Person zu gewähren, bleibt jedoch erhalten.

4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Aus diesem Grunde kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben.

Die Sache ist entscheidungsreif. Aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts war der Kapitalwert wie oben berechnet anzusetzen. Diese Berechnung stimmt mit der Berechnung in der Einspruchsentscheidung überein, so daß die Klage abzuweisen war.