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  BFH-Urteil vom 8.11.1989 (I R 46/86) BStBl. 1990 II S. 388

1. Bei Ausbeuteverträgen ist Wirtschaftsgut i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG nicht das Grundstück, sondern das Ausbeuterecht. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 muß sich deshalb auf das Ausbeuterecht beziehen.

2. Zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums an einem Ausbeuterecht, wenn es der Inhaber durch "Kaufvertrag" erworben hat.

AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; GewStG § 8 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beschäftigte sich seit dem 27. März 1981 mit dem Abbau von Bimsvorkommen. Im Jahre 1981 schloß sie mit einer Reihe von Grundstückseigentümern Verträge über den "Kauf des Rechtes auf Aneignung von Bimsvorkommen", in denen sie jeweils gegen einen festen "Kaufpreis" das Recht auf Aneignung von Bimsvorkommen erwarb. Den privatschriftlichen Verträgen lag ein und dasselbe Vertragsformular zugrunde, das u.a. folgenden Inhalt hatte:

"§ 2 Verkauf der Aneignungs- und Benutzungsrechte

(1) Der Eigentümer der in § 1 dieses Vertrages bezeichneten Grundstücke verkauft hiermit unwiderruflich das ausschließliche Recht, sich das in den vorbezeichneten Grundstücken liegende Bimsvorkommen anzueignen, es zu diesem Zwecke abzubauen, alle Anlagen herzurichten und zu unterhalten, die ihm notwendig und dienlich erscheinen, ferner die Grundstücke zu jeglichen gewerblichen Zwecken mit Beförderungsmitteln gleich welcher Art zu befahren, auch soweit dies zur Ausbeute angrenzender Grundstücke erforderlich ist.

(2) Die Befugnis, in dieser Weise die Grundstücke zu benutzen, steht dem .... allein und ausschließlich in vollem Umfange zu. Der Eigentümer verpflichtet sich, diese Rechte einem Dritten zu industriellen Zwecken nicht einzuräumen.

(3) Dem Berechtigten ist es gestattet, das vorstehend zur Eintragung in das Grundbuch bewilligte Aneignungsrecht der Ausübung nach und in den gesetzlich zulässigen Fällen das Ausbeuterecht selbst einem von ihm zu benennenden Dritten zu überlassen bzw. einzuräumen.

(4) Der Berechtigte kann seine Rechte aus diesem Vertrag abtreten mit der Maßgabe, daß der aus der Abtretung Berechtigte in die Verpflichtungen des Abtretenden eintritt. Für diesen Fall verpflichtet sich der Eigentümer schon jetzt, einen vom Berechtigten benannten Dritten ein Aneignungs- und Benutzungsrecht des hier vereinbarten Inhalts zu bestellen. Er bevollmächtigt den Berechtigten unwiderruflich für sich und seine Erben, alle Erklärungen, die hierzu erforderlich sind, für ihn abzugeben und entgegenzunehmen und entsprechende Eintragungen in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Das gleiche gilt für den Fall, daß die Rechte weiter übertragen werden.

(5) ....

§ 6 Sicherung der Rechte

(1) Der Eigentümer willigt darin ein, daß auf Antrag und auf Kosten des Berechtigten an den zur Aneignung des Bimsvorkommens freigegebenen Grundstücken zugunsten des Berechtigten zur Sicherung des Aneignungsrechtes und sonstiger Rechte eine persönlich beschränkte Dienstbarkeit nach § 1090 BGB in das Grundbuch eingetragen wird.

(2) ...."

Die weiteren Vertragsbestimmungen betrafen eine Entschädigung für entgangene landwirtschaftliche Nutzung während der Dauer des Abbaus sowie die Verpflichtung des Klägers zur Planierung und Neuvermessung der Grundstücke.

Aufgrund von vier Verträgen zahlte die Klägerin im Streitjahr zusammen 76.524 DM an die Grundeigentümer. Die Bimsvorkommen wurden noch im selben Jahr abgebaut. Im Anschluß an den Abbau entstanden Planierungs- und Vermessungskosten von 30.100 DM und 4.214 DM, die gemäß den genannten Verträgen die Klägerin trug. Die Klägerin behandelte die vier Ausbeuterechte als Anlagevermögen und schrieb sie noch im Jahr des Erwerbs ab. Die Vermessungs- und Planierungskosten minderten als Betriebsausgaben den Gewinn.

Aufgrund einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) am 13. August 1984 einen geänderten Gewerbesteuermeßbescheid, in dem er Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Höhe der vertraglichen Entgelte und der Planierungs- und Vermessungskosten vornahm. Er ging davon aus, die Klägerin habe vier Ausbeuterechte gepachtet.

Der gegen diesen Änderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 8 Nr. 7, § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG und des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den streitigen Gewerbesteueränderungsbescheid zu Recht aufgehoben.

Nach § 8 Nr. 7 GewStG ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Hälfte der Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens hinzuzurechnen, die im Eigentum eines anderen stehen. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG sind dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die Werte der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen, die dem Betrieb dienen, aber im Eigentum eines Dritten stehen.

Das FG hat zutreffend die Klägerin als wirtschaftlichen Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977) der Bims-Ausbeuterechte angesehen. Die gezahlten vertraglichen Entgelte für den Bimsabbaustellen damit ebenso wie die Vermessungs- und Planierungskosten steuerlich keine Pachtzinsen im Sinne des § 8 Nr. 7 GewStG, sondern Gegenleistungen für die Überlassung des wirtschaftlichen Eigentums dar. Des weiteren stehen die Bims-Ausbeuterechte nicht im Eigentum eines Dritten im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG.

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 ist abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum demjenigen ein Wirtschaftsgut zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.

Zivilrechtlich kann die Gewinnung von Bodenschätzen nicht Gegenstand selbständiger Rechte sein. Sie ist vielmehr Inhalt des Eigentumsrechts am Grund und Boden (§ 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 3 Abs. 2 und 4 des Bundesberggesetzes) und steht somit dessen Eigentümer zu. Gewerbesteuerrechtlich ist jedoch das zur Benutzung überlassene Wirtschaftsgut bei Ausbeuteverträgen nicht das Grundstück, sondern das Ausbeuterecht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Januar 1972 I R 220/69, BFHE 104, 553, BStBl II 1972, 433). Da das Steuerrecht somit abweichend vom Zivilrecht die Befugnis zur Ausbeute von Bodenschätzen als selbständiges Recht behandelt, muß sich die Prüfung der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 darauf beziehen.

Ob demnach wirtschaftliches Eigentum vorliegt, läßt sich stets nur anhand einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls beurteilen. Davon ausgehend, kann wirtschaftliches Eigentum an einem Ausbeuterecht dem Abbauunternehmer dann zuzurechnen sein, wenn ihm durch langfristigen und bedingungsfreien Vertrag unter Ausschaltung der Verfügung des Grundstückseigentümers die Befugnis zur vollen Ausbeute der vorhandenen abbaufähigen Mineralien übertragen ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 1960 III 242/59 S, BFHE 71, 454, BStBl III 1960, 420; vom 13. Januar 1961 III 301/59 S, BFHE 72, 323, BStBl III 1961, 122, und vom 8. März 1974 III R 150/72, BFHE 112, 279, BStBl II 1974, 504).

So aber liegt es im Streitfall. Ohne Verstoß gegen Denkgesetze und frei von Widersprüchen hat das FG den Verträgen entnommen, daß sich die Grundstückseigentümer uneingeschränkt und vorbehaltlos ihrer Bimsausbeuterechte begeben hatten.

Die Klägerin vermochte die Inhaber der Bimsausbeuterechte für deren gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung wirtschaftlich auszuschließen. Denn mit dem Abschluß der Verträge mit den Grundeigentümern hatte die Klägerin zivilrechtlich wirksame Rechte zur Ausbeute der Bimsvorkommen erlangt, die das dazu notwendige Recht zum Besitz der Grundstücke (§ 986 BGB) einschließen. Zwar sind die Verträge auf den Kauf des Rechtes auf Aneignung von Bimsvorkommen und damit auf eine zivilrechtlich unmögliche Leistung gerichtet. Jedoch ist das FG incidenter im Wege der Umdeutung (§ 140 BGB) davon ausgegangen, daß die abgeschlossenen Verträge zivilrechtlich als Pachtverträge über Grundstücke (§§ 581 ff. BGB) anzusehen sind. Dies entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH in BFHE 104, 553, BStBl II 1972, 433) und gilt selbst dann, wenn - wie im Streitfall - eine andere als die vereinbarte Ausbeute nicht mehr möglich ist, die Grundstücke also voll ausgebaut werden sollen (Urteil des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 27. September 1951 I ZR 85/50, Lindenmaier/Möhring (LM), Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 581 BGB Nr. 2). Da die Grundstückseigentümer die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Sicherung der Aneignungsrechte der Klägerin bewilligt haben, ist sichergestellt, daß sie diese Rechte gegen jeden Eigentümer des Grund und Bodens geltend machen kann.

Zudem stand - wie das FG festgestellt hat - der Klägerin nach den Verträgen das Recht zu, die Ausbeute der Bimsvorräte ohne vorherige Zustimmung des Eigentümers Dritten zu überlassen. Daraus erhellt ebenso, daß die Klägerin darüber wie ein Eigentümer frei verfügen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1980 I R 86/77, nicht veröffentlicht - NV -).

Für wirtschaftliches Eigentum am Abbaurecht spricht ferner, daß der Klägerin jeweils unwiderruflich das Recht zur Ausbeute des gesamten Bimsvorkommens eines Grundstücks eingeräumt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1977 IV R 145/74, NV). Damit ist - obwohl die Bimsvorkommen noch im Jahr des Vertragsschlusses abgebaut wurden - zugleich die Voraussetzung eines langfristigen Vertrags im Sinne der oben zitierten BFH-Rechtsprechung erfüllt. Denn im Lichte des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 ist ein Vertrag als langfristig anzusehen, der die gewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts "Ausbeuterecht" umfaßt. Dies trifft aber im Streitfall zu; denn die Wirkungen der im Streitfall geschlossenen Verträge reichen so lange, bis die Bimsvorkommen des jeweiligen Grundstücks abgebaut sind.

Zu Recht hat das FG die vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Planierung und Neuvermessung der Grundstücke nicht als das wirtschaftliche Eigentum der Klägerin hindernde Vertragsbedingungen angesehen; denn diese Verpflichtung bezieht sich nicht auf die Befugnis zur Bimsausbeute, sondern tritt erst nach deren Abschluß ein.

Die vom FA eingewandte Zurechnung der aus dem Eigentum fließenden Abbauberechtigung bei der Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs (§§ 95, 100 des Bewertungsgesetzes - BewG -) kann schon deshalb keinen Einfluß auf die Entscheidung des Streitfalls haben, weil das Ausbeuterecht wegen des Stichtagsprinzips (§ 106 BewG) nicht angesetzt wurde.