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  BFH-Beschluß vom 14.2.1990 (II B 158/89) BStBl. 1990 II S. 391

1. Die Entscheidung, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das unbebaute Grundstück oder das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist, wird nicht dadurch beeinflußt, daß das Grundstück von einer Gemeinde im Rahmen eines sozial- und familien- politischer Zielsetzung dienenden Förderprogramms veräußert wird.

2. Ist der Erwerber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund vorher eingegangener vertraglicher Verpflichtung in der Entscheidung über das "ob" und "wie" einer Bebauung nicht mehr frei, so wird die Annahme, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist, nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erwerber ursprünglich unter drei Bauunternehmen und verschiedenen Haustypen wählen konnte.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Kläger erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. Dezember 1986 von der Stadt A ein Grundstück zum Preis von 25.344 DM. Vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags hatten die Kläger einen Generalunternehmervertrag ("Werkvertrag") mit der Bauunternehmung B über die schlüsselfertige Erstellung einer Doppelhaushälfte zu einem Pauschalfestpreis von 212.057 DM abgeschlossen.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 2.109 DM fest. Das FA sah dabei Grundstückskaufvertrag und die Verträge über die Errichtung des Gebäudes als einheitliches Vertragswerk an, gerichtet auf den Erwerb eines bezugsfertigen Hauses. Mit der hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger geltend, daß nur der Grundstückskaufvertrag zu besteuern sei. Sie trugen dazu im wesentlichen unwidersprochen folgendes vor: Die Stadt A habe sich entschlossen, aus siedlungspolitischen, bevölkerungspolitischen und sozialen Gesichtspunkten einen Teil der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke an sozial bedürftige junge Familien abzugeben. Die Stadt habe unter eigener Regie und auf eigene Kosten einen Architektenwettbewerb durchgeführt, um baulich tragbare Lösungen für die Grundstückserwerber zu erarbeiten. Im Anschluß daran habe die Stadt sich an verschiedene Bauunternehmer gewandt und um Kostenvoranschläge für die Realisierung dieser Objekte gebeten. Die Stadt habe von den Erwerbern verlangt, daß diese nur eines der ausgesuchten Bauunternehmen/Bauträger auswählen dürften. Die Erwerber hätten innerhalb von zwei Jahren nach dem Erwerb die Bebauung vornehmen müssen. Die Stadt habe dem Grundstückskaufvertrag erst zugestimmt, wenn sichergestellt gewesen sei, daß auch der Bauunternehmervertrag abgeschlossen gewesen sei. Im Streitfall seien die Kläger von der Stadt aufgefordert worden, unter drei zur Verfügung stehenden Bauträgergesellschaften auszuwählen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht. Zur Begründung wird zusammengefaßt und sinngemäß im wesentlichen folgendes vorgetragen:

1. Die Stadt sei - schon wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung - nicht vergleichbar mit gewerblichen Anbietern von Bauherrenmodellen.

2. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher noch nicht entschieden, wie es zu beurteilen sei, wenn die Erwerber unter verschiedenen Haustypen und unter verschiedenen Bauunternehmungen frei auswählen können.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtssache hat nicht die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung i.S. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

In dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute oder das unbebaute Grundstück ist. Nach Auffassung des FG ist im Streitfall das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude Gegenstand des Erwerbsvorgangs.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, m.w.N.) wird der grunderwerbsteuerrechtliche Begriff des Gegenstands des Erwerbsvorgangs zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ist Gegenstand der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung das Grundstück in bebautem Zustand, so ist das Grundstück in diesem Zustand auch grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält.

Diese Grundsätze sind zwar von der Rechtsprechung weitgehend zu "Bauherrenmodellen" entwickelt worden, in ihrer Anwendung jedoch keineswegs auf diese beschränkt. Vielmehr sind sie immer dann von Bedeutung, wenn im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks auch Verträge über die Errichtung von Gebäuden auf diesem Grundstück abgeschlossen werden. Für die nach diesen Grundsätzen zu entscheidende Frage nach dem Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach der Rechtsprechung die Rechtsnatur des oder der Veräußerer ohne Belang. Auch auf dessen Motive - z.B. Gewinnerzielung oder Verfolgung gemeinnütziger Ziele - kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Beurteilung, ob ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht, wird wesensgemäß in keiner Weise dadurch beeinflußt, aus welchen Motiven heraus der oder die Veräußerer den Zusammenhang zwischen den Verträgen herbeigeführt haben. Dies ist für die Frage nach dem Gegenstand des Erwerbsvorgangs ohne Bedeutung. Die Tatsache, daß im Streitfall die Grundstücksveräußerung durch eine Gemeinde im Rahmen eines kommunalen Wohnungsbauprogramms mit sozial- und familienpolitischer Zielsetzung erfolgte, wirft daher keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf.

Auch die Tatsache, daß im Streitfall die Erwerber zunächst unter drei Bauunternehmen und verschiedenen Haustypen wählen konnten, führt zu keiner neuen im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftigen Abgrenzungsfrage. Im Streitfall war der Vertrag über die Errichtung des Hauses bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages abgeschlossen worden. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages stand daher das "ob" und "wie" einer Bebauung nicht mehr im freien Belieben der erwerbenden Kläger. Dies spricht nach der Rechtsprechung des Senats dafür, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück war (vgl. Urteil in BFHE 158, 483). Die ursprünglich bestehende Wahlmöglichkeit der Erwerber steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn nach dem tatsächlichen Geschehensablauf hatten sie diese Wahlmöglichkeit jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages nicht mehr.