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  BFH-Urteil vom 7.12.1989 (IV R 86/88) BStBl. 1990 II S. 433

Nach § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG ist auch die Weitervercharterung eines vom Erstvercharterer ausgerüsteten Handelsschiffes begünstigt.

EStG § 34c Abs. 4; GewStG 1974 § 11 Abs. 4 Satz 1; GewStG 1978 § 11 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verchartert ausgerüstete Handelsschiffe, die in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind und die Bundesflagge führen, im internationalen Verkehr; sie hat die Schiffe ihrerseits angechartert. Für den Gewerbeertrag aus dieser Betätigung nahm sie für die Streitjahre 1976 bis 1978 den ermäßigten Meßbetrag aus § 11 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der seinerzeit geltenden Fassung i.V.m. § 34c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch. Nach einer Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Vergünstigung; sie könne nur gewährt werden, wenn der Vercharterer das Schiff selbst ausgerüstet habe, dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Die Gewerbesteuermeßbescheide 1976 und 1977 wurden entsprechend geändert, für 1978 erging ein erstmaliger Bescheid.

Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg; das Finanzgericht (FG) sah auch die Weitervercharterung der Schiffe als begünstigte Tätigkeit an.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Steuerbegünstigung des § 11 Abs. 4 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung und des § 34c Abs. 4 EStG erstreckt sich auch auf die Weitervercharterung von Handelsschiffen; das ergeben Zweck und Entstehungsgeschichte der Regelung.

1. Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 GewStG 1974 ist auf den Gewerbeertrag von Unternehmen, die den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, eine ermäßigte Steuermeßzahl anzulegen. Dabei ist die begünstigte Tätigkeit in derselben Weise wie in § 34c Abs. 4 EStG abzugrenzen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1983 IV R 74/80, BFHE 139, 569, BStBl II 1984, 155). § 11 Abs. 3 Nr. 2 GewStG 1978 nimmt unmittelbar auf § 34c Abs. 4 EStG Bezug. § 34c Abs. 4 EStG seinerseits begünstigt Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Nach der gesetzlichen Definition ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führen, zur Beförderung von Personen und Gütern im Auslandsverkehr eingesetzt werden. Hierzu zählt nach dem Gesetzeswortlaut auch die Vercharterung derartiger Handelsschiffe für den Auslandsverkehr, wenn die Schiffe vom Vercharterer ausgerüstet wurden. Als ausgerüstet ist ein Schiff anzusehen, wenn es betriebsbereit, insbesondere mit einer Mannschaft versehen ist und deswegen zu Transportleistungen im internationalen Verkehr eingesetzt werden kann (vgl. Urteil des BFH vom 14. November 1985 IV R 170/83, BFHE 145, 67, 70, BStBl II 1986, 60).

2. Ob nach dem Wortlaut der Vorschrift beim Vorhandensein von zwei Vercharterern zu verlangen ist, daß der Letztvercharterer das Schiff ausgerüstet hat, kann zweifelhaft sein. Der Zweck der Regelung spricht gegen eine derartige Auslegung.

Dieser Zweck des § 34c Abs. 4 EStG, der auch im Rahmen des § 11 Abs. 4 GewStG 1978 zur Geltung kommt, liegt in der Förderung der deutschen Seeschiffahrt; die Steuererleichterungen sollen ihr eine Entlastung im Wettbewerb gegenüber den sog. Billigflaggen gewähren (BFH-Urteil vom 5. August 1976 IV R 12/73, BFHE 119, 473, BStBl II 1976, 710, ständige Rechtsprechung). Um dies zu erreichen, muß auch die Vercharterung deutscher Handelsschiffe begünstigt werden; im Hinblick auf die Steuervergünstigungen kann der Vercharterer das Schiff zu einem günstigeren Charterpreis anbieten.

Dies gilt auch für einen Vercharterer, der das Schiff seinerseits gechartert hat. Würde ihm die Steuerbegünstigung versagt, wäre der Einsatz des gecharterten Schiffes beeinträchtigt, weil er einen höheren Charterpreis verlangen müßte. Da der Nutzen des Weitervercharterers in der Differenz zwischen der Erstcharter und Zweitcharter liegt (vgl. Schaps/Abraham, Seerecht, 4. Aufl., § 605 HGB Anm. 6), erfährt der Weitervercharterer zwar einen geringeren Steuernachteil als der Erstvercharterer, wenn diesem die Steuervergünstigung verwehrt würde. Auch der beim Weitervercharterer auftretende Steuernachteil kann aber für den Einsatz des Schiffes von wesentlicher Bedeutung sein.

Sowohl der Erstvercharterer als auch der Zweitvercharterer erbringen zudem die Transportleistungen, die durch § 34c Abs. 4 EStG begünstigt sind. In der Erstcharter verpflichtet sich der Vercharterer als sog. Verfrachter gegenüber dem Charterer, bestimmte Transportleistungen zu erbringen; dieser verpflichtet sich seinerseits als sog. Unterverfrachter gegenüber seinen Kunden zu bestimmten Transportleistungen und bedient sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung des Hauptverfrachters als Erfüllungsgehilfen. Mit der Erfüllung des Vertrages durch den Erstvercharterer genügt auch der Zweitvercharterer seinen Pflichten (zu Einzelheiten vgl. Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 510 HGB Anm. C 1 und 2; vor § 556 HGB Anm. II A und B, § 605 HGB Anm. A 2 und B 1; Schaps/Abraham, a.a.O., § 556 HGB Anm. 3).

Im Hinblick auf § 34c Abs. 4 EStG ist kein einsichtiger Grund dafür ersichtlich, daß zwar die Transportleistungen des Erstvercharterers, nicht aber die gleichartigen Leistungen des Zweitvercharterers begünstigt sein sollen.

3. Für die Gleichbehandlung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

Die Begünstigung der deutschen Seeschiffahrt war in der Vergangenheit in § 34c Abs. 4 EStG 1969 geregelt, der sich auf Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erstreckte, ohne hierzu nähere Definitionen zu enthalten. In Auslegung des Gesetzes wurde in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30. Dezember 1969 (BStBl I 1970, 131) zur Streitfrage ausgeführt, daß das Entgelt aus der Vercharterung von Handelsschiffen beim Vercharterer zu den Einnahmen aus dem Bereich der Handelsschiffe im internationalen Verkehr gehöre, soweit es sich nicht um die Vercharterung eines Handelsschiffes auf Bareboatbasis handle. Ein derartiger Vercharterer verpflichte sich nicht zur Erbringung von Beförderungsleistungen.

§ 34c Abs. 4 EStG hat seine neue Fassung durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18. Juli 1974 (BStBl I, 521) erhalten. Diese Fassung geht auf den Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes zurück. In der Regierungsbegründung zu diesem Entwurf ist im Zusammenhang mit der vorgesehenen Einfügung eines § 105 EStG ausgeführt, daß die Bestimmung des Begriffs "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" aus Gründen der Rechtssicherheit aus dem gleichlautenden Erlaß zu § 34c Abs. 4 EStG (BStBl I 1970, 131) in das Gesetz übernommen worden sei (BTDrucks 7/1470 S. 293). Dies ist tatsächlich jedoch nicht in vollem Umfang geschehen, da das Gesetz nicht lediglich die reine Mietcharter von der Begünstigung ausschließt, sondern statt dessen verlangt, daß der Vercharterer das Schiff ausgerüstet hat. Folgt man der vom FA vertretenen Auslegung, würde dies zwar beim Erstvercharterer, nicht aber beim Weitervercharterer zu dem in den gleichlautenden Erlassen vorgesehenen Ergebnis führen. Darin würde ein Redaktionsversehen liegen, an dem sich die Auslegung des Gesetzes nicht orientieren kann.