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  BFH-Urteil vom 14.3.1990 (II R 92/86) BStBl. 1990 II S. 491

Hat sich eine GmbH (Organgesellschaft) mit abweichendem Wirtschaftsjahr verpflichtet, ihre Gewinne an die Obergesellschaft abzuführen, so mindert die Gewinnabführungsverpflichtung für das laufende Wirtschaftsjahr den im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren auf den 31. Dezember zu ermittelnden Vermögenswert nicht. Es gelten auch in diesem Falle die in BFHE 133, 297, BStBl II 1981, 557 entwickelten Regeln.

BewG 1965 § 11 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, ist Organgesellschaft einer KG, mit der ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. Die Wirtschaftsjahre der Klägerin enden jeweils am 30. Juni. Streitig ist die Bewertung der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1978 (vgl. § 112 des Bewertungsgesetzes - BewG -).

Das beklagte Finanzamt (FA) bewertete die Anteile nach dem sog. Stuttgarter Verfahren. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Vermögenswertes (vgl. Abschn. 77 der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR -) war der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1979, dem als Bewertungsstichtag der 30. Juni 1978 zugrunde lag. Den Einheitswert erhöhte das FA u.a. um einen Zuschlag wegen des seit dem 30. Juni 1978 bis zum 31. Dezember 1978 eingetretenen Vermögenszuwachses, wobei es diesen mit der Hälfte des um eine Gewerbesteuerrückstellung gekürzten Gewinnes des Wirtschaftsjahres 1978/1979 annahm (= 1.091.260 DM). Das FA stützte sich dabei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Dezember 1980 III R 1/80 (BFHE 133, 297, BStBl II 1981, 557).

Es errechnete so einen Vermögenswert von 310 v.H. für die Mehrheitsgesellschafterin (der KG) und von 274 v.H. für die beiden Minderheitsgesellschafter. Unter Berücksichtigung des fünffachen Ertragshundertsatzes von 410 v.H. ergab sich ein gemeiner Wert für die Anteile der Mehrheitsgesellschafterin von 468 v.H. und für die Anteile der beiden Minderheitsgesellschafter, die je 3 v.H. der Anteile halten, von 444 v.H. (65 v.H. von 720 v.H. bzw. 684 v.H.).

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die gemeinen Werte der Anteile auf 407 v.H. (für die Mehrheitsgesellschafterin) und 391 v.H. (für die beiden Minderheitsgesellschafter) festzustellen. Hierzu hat sie ausgeführt:

Die Zurechnung des hälftigen Jahresgewinnes 1978/79 bei der Errechnung des Vermögenswertes sei entweder zu unterlassen oder es sei eine entsprechende Schuld anzusetzen, da die Abführung des Gewinnes aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages festgestanden habe.

Gegen den Ansatz des fünffachen Ertragshundertsatzes von 410 v.H. hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben.

Das Finanzgericht (FG) hat die Gesellschafter beigeladen.

Die Klage hat das FG abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß bei der Ermittlung des Vermögenswertes von den Wertverhältnissen am 31. Dezember 1978 auszugehen sei. Deshalb sei die Zurechnung der Vermögensmehrung, die bis zu diesem Tage eingetreten sei, gerechtfertigt. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, daß die Klägerin ihre Gewinne an die Mehrheitsgesellschafterin abzuführen habe.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klageantrag weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

Ihre Revision ist unbegründet.

Die vom FG bestätigte gesonderte Feststellung der gemeinen Werte der GmbH-Anteile auf den 31. Dezember 1978 durch das FA (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2, § 113a BewG, § 1 der Anteilsbewertungsverordnung vom 19. Januar 1977) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das FG hat die Schätzung nach dem von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannten Stuttgarter Verfahren vorgenommen. Dies bedeutet, daß der gemeine Wert der Anteile 65 v.H. der Summe aus dem Vermögenswert und dem fünffachen Ertragshundertsatz beträgt. Bewertungsstichtag ist im vorliegenden Fall der 31. Dezember 1978 (§ 112 BewG).

Der BFH hat entschieden, daß der Einheitswert des Betriebsvermögens auch dann eine geeignete Grundlage für die Ermittlung des Vermögenswerts sein kann, wenn der Feststellung des Einheitswertes ein abweichender Abschlußzeitpunkt i.S. des § 106 Abs. 3 BewG zugrunde liegt. Wesentliche Vermögensänderungen zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem für die Anteilsbewertung maßgebenden Bewertungsstichtag sind jedoch durch Erhöhung oder Ermäßigung des Einheitswertes zu berücksichtigen (vgl. BFHE 133, 297, BStBl II 1981, 557).

Falls keine anderen Erkenntnisse vorliegen, erscheint es vertretbar, eine Vermögenserhöhung zwischen dem abweichenden Abschlußzeitpunkt und dem maßgebenden Bewertungsstichtag im Ausmaß des zeitanteiligen Steuerbilanzgewinnes des abweichenden Wirtschaftsjahres anzunehmen. Die Hinzurechnung dieses anteiligen Gewinnes dient somit nur der vereinfachten Erfassung des Vermögens, das an dem für die Anteilsbewertung maßgebenden Bewertungsstichtag vorhanden ist. Andernfalls müßte bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für die Anteilsbewertung zum 31. Dezember eine Vermögensaufstellung gefordert werden.

An diesem vereinfachten Verfahren zur Ermittlung des Vermögenswertes auf den Bewertungsstichtag (hier: auf den 31. Dezember 1978) ändert sich auch in den Fällen nichts, in denen ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. Es ist auch in diesen Fällen nicht zulässig, den Vermögenswert auf den Bewertungsstichtag unter Außerachtlassung der von dem abweichenden Abschlußzeitpunkt bis zum Bewertungsstichtag eingetretenen Vermögensänderungen zu ermitteln.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn am Bewertungsstichtag für die Anteilsbewertung bereits eine Gewinnabführungsverpflichtung der Kapitalgesellschaft und ein entsprechender vom Anteil getrennter Gewinnabführungsanspruch der Anteilseigner entstanden wäre. Das aber ist nicht der Fall, wenn der Abschlußzeitpunkt und der für die Anteilsbewertung maßgebende Stichtag nicht zusammenfallen.

Besteht eine Gewinnabführungsvereinbarung, so entsteht der Anspruch auf Abführung des jeweiligen Jahresgewinnes nicht vor dem Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres (vgl. hierzu Beck'scher Bilanzkommentar, § 277 HGB Tz. 17, 18). Ähnlich wie bei der Verlustübernahmeverpflichtung (vgl. hierzu den Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 302 Tz. 26) ist auch bei der Gewinnabführungsverpflichtung zwischen dem Dauerschuldverhältnis auf Gewinnabführung einerseits und der konkreten Verpflichtung zur Gewinnabführung für eine bestimmte Periode andererseits zu unterscheiden. Solange kein selbständiger Gewinnabführungsanspruch hinsichtlich eines bestimmten Wirtschaftsjahres entstanden ist, bleibt der Gewinnabführungsanspruch mit dem Anteil an der GmbH verbunden und ist mit diesem zusammen zu bewerten. Hieraus folgt zwingend, daß die Vermögensmehrungen infolge der bis zum Bewertungsstichtag angefallenen Gewinne, die nach Abschluß des Wirtschaftsjahres zu einem konkreten Gewinnabführungsanspruch führen, bei der Bewertung der Anteile auf den 31. Dezember von dem Vermögen der Kapitalgesellschaft nicht abgezogen werden darf. Denn der Gewinnabführungsanspruch für das laufende abweichende Wirtschaftsjahr war am Bewertungsstichtag (dem 31. Dezember) noch mit den zu bewertenden Anteilen verbunden. Es war noch kein selbständig zu bewertender Anspruch auf den Gewinn entstanden.

Was für die Vermögensmehrungen bis zum Stichtag gilt, muß auch für etwaige bis zum Bewertungsstichtag eingetretene Vermögensminderungen infolge von Verlusten gelten. Denn eine etwaige Verlustübernahmeverpflichtung des Organträgers wegen eines Verlustes der Organgesellschaft im laufenden abweichenden Wirtschaftsjahr hätte sich bis zum Schluß des Kalenderjahres noch nicht zu einer gesondert zu berücksichtigenden Schuld des Organträgers konkretisiert (vgl. Kölner Kommentar, a.a.O., § 302 Tz. 26; BFH-Urteil vom 16. Februar 1979 III R 37/77, BFHE 127, 56, BStBl II 1979, 278).

Hieraus folgt, daß im vorliegenden Fall kein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Hinzurechnung des hälftigen Gewinnes 1978/1979 und der diesen Gewinn betreffenden Gewinnabführungsverpflichtung besteht. Die Hinzurechnung dient lediglich der richtigen Ermittlung des Vermögens auf den 31. Dezember 1978. Demgegenüber setzte ein Abzug der Gewinnabführungsverpflichtung voraus, daß in der Person des Anteilseigners bereits ein von dem Anteil getrennter Gewinnabführungsanspruch entstanden wäre, der neben dem jeweiligen Anteil anzusetzen wäre. Dies war im vorliegenden Fall am Bewertungsstichtag nicht der Fall. Ein derartiger Anspruch entstand frühestens mit Ablauf des Wirtschaftsjahres.

Der Klägerin ist nicht darin zuzustimmen, daß die "Vernachlässigung der Gewinnabführungsverpflichtung" zum 31. Dezember 1978 zu einem wirtschaftlich unakzeptablen Ergebnis führt. Es mag sein, daß sich bei einer Wertermittlung auf einen späteren Zeitpunkt als dem 31. Dezember 1978, etwa auf den 31. Juli 1979 oder den späteren Tag der Bilanzaufstellung, ein niedrigerer Vermögenswert für die Anteile ergeben könnte. Dies wäre aber allein die Folge davon, daß nunmehr bei den Anteilseignern nicht nur die Anteile, sondern auch die Ansprüche auf die Gewinnabführung bzw. auf die garantierte Dividende anzusetzen wären. Am hier maßgebenden Bewertungsstichtag 31. Dezember 1978 aber waren diese sich noch in der Entwicklung befindenden Ansprüche ein untrennbarer Teil der zu bewertenden Anteile. Das bedeutet, daß insoweit und hinsichtlich des laufenden Gewinnes der Klägerin der 31. Dezember 1978 maßgebender Stichtag bleibt, während ein am 31. Dezember 1978 bereits entstandener selbständiger Gewinnabführungsanspruch unerfaßt geblieben wäre, wenn der Organträger, wie vorgetragen worden ist, ebenfalls auf den 30. Juni bilanziert.

Es kann keine Rede davon sein, daß durch diese Rechtsprechung lediglich ein nach der gesetzlichen Lage sich ergebender Steuerausfall korrigiert werden soll, wie die Klägerin meint. Vielmehr werden bei der Bewertung der Anteile die erforderlichen Schlußfolgerungen daraus gezogen, daß der Anspruch auf die Gewinnabführung für das laufende Wirtschaftsjahr am 31. Dezember 1978 noch ein unselbständiger Teil der Anteile und kein selbständig zu bewertender Anspruch war.

Wenn die Klägerin meint, ein gedachter Erwerber werde bei seinen Preisvorstellungen wertmindernd berücksichtigen, daß der seit dem letzten Bilanzstichtag entstandene Gewinn an den Organträger abzuführen sei, so ist ihm hierin nicht zu folgen. Als gedachter Erwerber der Anteile ist bei Bestehen eines Organschaftsverhältnisses mit Ergebnisabführungsvereinbarung nur derjenige anzusehen, der zugleich auch Organträger und damit derjenige wird, zu dessen Gunsten die Gewinnabführungsverpflichtung besteht. Ein nur theoretisch denkbarer Erwerb von GmbH-Anteilen ohne die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche wäre demgegenüber kein Fall des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs, wie ihn § 9 Abs. 2 BewG voraussetzt.