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  BFH-Urteil vom 14.3.1990 (X R 104/88) BStBl. 1990 II S. 612

1. Eine zusammengefaßte, an Ehegatten gerichtete Prüfungsanordnung, in der die Adressaten mit dem gemeinsamen Nachnamen, aber nur mit einem Vornamen bezeichnet sind, genügt dem Bestimmtheitserfordernis.

2. In solchen Fällen kann zur wirksamen Bekanntgabe die Übermittlung nur einer Ausfertigung der Prüfungsanordnung genügen.

AO § 146a Abs. 3; AO 1977 §§ 122 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 2, 193 ff.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 1973 und 1974 ein Miederwaren-Einzelhandelsgeschäft. Der Kläger bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Einkommensteuererklärungen 1973 und 1974 wurden am 13. Juni 1975 bzw. am 29. Juni 1976 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (dem Finanzamt - FA -) eingereicht. Daraufhin führte das FA mit Bescheid vom 2. Oktober 1975 für 1973 eine vorläufige Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) durch. Für 1974 erging am 27. April 1977 ein Einkommensteuerbescheid, der mit dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) versehen war.

Am 22. Juni und 24. Juli 1978 erließ das FA unter Berufung auf die §§ 193 und 194 AO 1977 Prüfungsanordnungen, denen zufolge bei "Herrn und Frau Renate O., Miederwareneinzelhandel" eine Betriebsprüfung durchzuführen sei, die sich auf Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 1973 bis 1976, auf Einheitsbewertung des Betriebsvermögens sowie auf Vermögensteuer ab 1. Januar 1974 und auf Investitionszulage 1975 erstrecken sollte.

Aufgrund der Prüfungsanordnungen, die in einfacher Ausfertigung im ersten Fall übersandt, im zweiten Fall während der Prüfung ausgehändigt wurden, führte das FA im Juli/Oktober 1978 die angekündigte Betriebsprüfung durch. Die Prüfungsanordnungen wurden nicht angefochten. Aufgrund der Außenprüfung erließ das FA unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO 1977 Änderungsbescheide für die Einkommensteuer 1973 und 1974, die an "Herrn und Frau Rainer O. ...." gerichtet waren und in einfacher Ausfertigung übersandt wurden. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, daß die Änderungsbescheide mangels wirksamer Bekanntgabe nichtig seien (Urteil des Niedersächsischen FG vom 11. Juni 1985 VII 366/80 ).

Daraufhin erließ das FA am 9. September 1985 unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO 1977 einen Bescheid zur Änderung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1973 und 1974, der nunmehr jedem Ehegatten in gesonderter Ausfertigung übermittelt wurde; zur näheren Begründung dieses Bescheids verwies das FA auf den Betriebsprüfungsbericht vom 18. Januar 1979 sowie auf das Urteil des FG vom 11. Juni 1985.

Hiergegen wandten sich die Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Anfechtungsklage. Zu deren Begründung beriefen sie sich vor allem auf Verjährung und machten in diesem Zusammenhang geltend, diese sei durch die Betriebsprüfung nicht unterbrochen worden, weil die zugrunde liegenden Prüfungsanordnungen nichtig seien.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG gelangte zu der Ansicht, Verjährung sei nicht eingetreten. Die Prüfungsanordnungen seien nicht unwirksam, sondern allenfalls teilweise rechtswidrig und daher zur Ablaufhemmung nach § 146a Abs. 3 AO geeignet gewesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie machen geltend, für die Jahre 1973 und 1974 lägen noch immer keine wirksamen Erstbescheide vor. Die Einkommensteuerbescheide vom 2. Oktober 1975 und 27. April 1977 seien an "Herrn und Frau Rainer O. ...." gerichtet und wegen fehlerhafter Bekanntgabe unwirksam. Nichtige Bescheide aber könnten nicht geändert werden. Daher seien "die geänderten Steuerbescheide vom 9.9.1985 auch unwirksam, obwohl sie richtig bekanntgegeben worden" seien. Außerdem seien die "Steuerbescheide .... vom 9.9.1985" gemäß § 157 AO 1977 insoweit fehlerhaft, als sie sich an Rainer O. richteten. Bei diesem nämlich sei keine Betriebsprüfung durchgeführt worden. Auch habe er keinen Betriebsprüfungsbericht erhalten. Infolgedessen seien ihm die Besteuerungsgrundlagen nicht bekannt und der angefochtene Bescheid für ihn "unschlüssig", weil aus ihm die Zusammensetzung des zu versteuernden Einkommensbetrags nicht ersichtlich sei. Schließlich berufen sich die Kläger weiterhin auf Verjährung der Einkommensteuer für die Streitjahre und in diesem Zusammenhang darauf, daß die Prüfungsanordnungen wegen Bekanntgabemangels nichtig seien.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil, den zusammengefaßten Einkommensteuerbescheid für 1973 und 1974 vom 9. September 1985 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 1986 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig angesehen und die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.

I. Der zusammengefaßte Einkommensteuerbescheid vom 9. September 1985 ist weder unbestimmt noch sonst unwirksam.

Dies ist nach den Vorschriften der AO 1977, nicht nach denjenigen der AO zu entscheiden, weil der angefochtene Verwaltungsakt nach dem 1. Januar 1977 ergangen ist (§ 415 AO 1977, Art. 97 §§ 1 und 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -).

1. Auf die teilweise ungenaue bzw. unzutreffende Fassung des Bescheids vom 9. September 1985 können sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen. Der Umstand, daß sich das FA im Text dieses Bescheides auf § 164 Abs. 2 AO 1977 stützte und von einer "Änderung" der Einkommensteuerbescheide 1973 vom 2. Oktober 1975 und 1974 vom 27. April 1977 sprach, berührt die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids selbst dann nicht, wenn auch die ursprünglichen (vorläufigen bzw. unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten) Steuerbescheide nichtig gewesen sein sollten.

Für das Verständnis und die Bestimmung des wirklichen Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts ist nicht der äußere Eindruck, auch nicht die Bezeichnung oder Begründung entscheidend, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers maßgeblich (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1986 IV R 204/84, BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, Rdz. 44 vor § 40 und § 40 Rdz. 70 m.w.N.).

Aus der Vorgeschichte und dem Gesamtinhalt des angefochtenen Bescheids war für die Kläger mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, daß für die Regelung des Einkommensteuerrechtsverhältnisses 1973 und 1974 allein der nunmehr erlassene Bescheid maßgeblich sein, dieser also in Wirklichkeit eine neue Regelung treffen sollte. Klargestellt wurde dies außerdem in der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 1986, in der es heißt, daß das FA am 9. September 1985 für die Streitjahre "neue Steuerbescheide" erließ. Den Akten ist auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Kläger tatsächlich in irgendeiner Weise vom Fortbestand der ursprünglichen (zudem noch vorläufigen) Bescheide ausgegangen wären.

2. Daß sich der angefochtene Bescheid auch an den Kläger richtet, ist im Hinblick auf die gewählte Veranlagungsart rechtlich geboten (§ 26b des Einkommensteuergesetzes - EStG - i.V.m. § 157 AO 1977; vgl. dazu näher Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 155 AO 1977 Tz. 10 b m.w.N.).

Der Einwand, der Kläger habe keinen Betriebsprüfungsbericht erhalten, ist neu und schon aus diesem Grund im Revisionsverfahren unbeachtlich. Im übrigen betrifft dieses Argument nicht den Regelungsgehalt (den Ausspruch) des angefochtenen Bescheids, also auch nicht dessen Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO 1977), sondern dessen Begründung (§ 121 AO 1977). Mängel in diesem Bereich haben nicht Unwirksamkeit oder Nichtigkeit (Tipke/Kruse, a.a.O., § 121 AO 1977 Tz. 13), sondern allenfalls Anfechtbarkeit zur Folge.

II. Der angefochtene Bescheid enthält auch sonst keine Rechtsverletzung. Vor allem stand seinem Erlaß Verjährung nicht entgegen. Dies beurteilt sich nach altem Recht (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EGAO 1977).

1. Die Verjährung für die veranlagte Einkommensteuer betrug grundsätzlich (vom Fall der Hinterziehung abgesehen) fünf Jahre (§§ 143 Satz 1, 144 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie begann für die Einkommensteuer 1973 mit Ablauf des Jahres 1975 und für die Einkommensteuer 1974 mit Ablauf des Jahres 1976 und hätte im ersten Fall mit Ablauf des Jahres 1980, im letztgenannten Fall mit Ablauf des Jahres 1981 geendet, wenn ihr Lauf nicht durch einen Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestand beeinflußt worden wäre. Dies aber ist hier jedenfalls durch den Beginn der Betriebsprüfung im Juli 1978 gemäß § 146a Abs. 3 AO geschehen.

Nach dieser Vorschrift verjähren, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen wird, die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Diese Wirkung kann zwar nur durch eine wirksame Prüfungsanordnung herbeigeführt werden (BFH-Urteil vom 10. April 1987 III R 202/83, BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165). Diese muß aber nicht notwendigerweise rechtmäßig sein (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76).

2. Zu Recht ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden (im Jahre 1978 erlassenen und darum nach neuem Recht zu beurteilenden) Prüfungsanordnungen zwar möglicherweise als (teilweise) rechtswidrig, aber jedenfalls nicht als unwirksam anzusehen sind. Diese Steuerverwaltungsakte waren weder unbestimmt noch leiden sie an einem Bekanntgabemangel.

a) Die Bezeichnung des Inhaltsadressaten mit "Herrn und Frau Renate O., Miederwareneinzelhandel" ist nicht so ungenau, daß nicht erkennbar gewesen wäre, wem gegenüber die Außenprüfung angeordnet werden sollte. Bei verständiger Würdigung des objektiven Erklärungswerts und unter Berücksichtigung der Begleitumstände sowie des übrigen Inhalts dieser Verwaltungsakte mußten sie dahin verstanden werden, daß jedenfalls die Klägerin als Adressat angesprochen war. Eine Verwechslung war insoweit ausgeschlossen.

Daß es einen Steuerschuldner "Herrn und Frau Renate O." nicht gibt, liegt auf der Hand. Die darin liegende unzutreffende Verkürzung ist jedoch unschädlich, weil der richtige Adressat durch Auslegung ermittelt werden kann (BFH-Urteile vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545, und vom 30. September 1988 III R 218/84, BFH/NV 1989, 749 - jeweils m.w.N.). Für alle Beteiligten stand außer Frage, daß der Miederwaren-Einzelhandel nur von der Klägerin betrieben wurde und sich die Prüfungsanordnungen insoweit (§§ 193 Abs. 1, 194 AO 1977) vor allem an diese richteten. Dies ergab sich auch aus den in den Prüfungsanordnungen bezeichneten Steuerarten, vor allem aus der in der zweiten Prüfungsanordnung für die Erweiterung gegebenen Begründung (es sei "mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen"). Daß es für eine Außenprüfung beim Kläger (§ 193 Abs. 2 AO 1977) keine ausreichende Rechtsgrundlage und in den Prüfungsanordnungen keinerlei Begründung gab (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435, 436 f. zu Ziffer 2), führte nicht, und zwar auch nicht teilweise, zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit der Prüfungsanordnungen (BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435).

Im übrigen enthielten beide Prüfungsanordnungen trotz ihrer (zulässigen - vgl. BFH-Urteile vom 28. Oktober 1988 III R 52/86, BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257, 258, und in BFH/NV 1989, 749, 750 m.w.N. -) Zusammenfassung nicht nur in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht mehrere Einzelfallregelungen (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483), so daß ein Rechtsfehler der den Kläger betreffenden Regelungen die an die Klägerin gerichteten Prüfungsanordnungen nicht hat beeinträchtigen können.

b) Die der Betriebsprüfung und dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid zugrunde liegenden Prüfungsanordnungen sind nicht wegen Bekanntgabemangels unwirksam. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 demjenigen bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Das waren im Streitfall nach dem erklärten Inhalt der Prüfungsanordnungen die Kläger. Jedem von ihnen mußten daher diese Steuerverwaltungsakte bekanntgegeben werden. Doch konnte dies im Streitfall in einer Ausfertigung geschehen.

Zwar hat der VIII. Senat des BFH im Urteil vom 26. März 1985 VIII R 225/83 (BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603, m.w.N. zur gleichlautenden früheren Rechtsprechung; vgl. auch die BFH-Entscheidungen vom 21. Februar 1989 IX R 181/85, BFH/NV 1989, 557, 558, und vom 2. März 1989 VIII S 9/88, BFH/NV 1989, 625, m.w.N. zur neueren Rechtsprechung) entschieden, daß zusammengefaßte Steuerbescheide grundsätzlich (sofern nicht gesetzlich etwas anderes vorgesehen ist - wie z.B. mit Wirkung ab 1. Januar 1986 in § 155 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 n.F. - Art. 25 Abs. 2 des Steuerbereinigungsgesetzes - StBereinG - vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436) nur wirksam bekanntgegeben sind, wenn jedem der Inhaltsadressaten eine Ausfertigung übermittelt wird.

Ob Gleiches aber auch für Prüfungsanordnungen gilt, ist in der Grundsatzentscheidung (Urteil in BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603, 604 zu 1 b am Ende m.w.N.) ausdrücklich offen geblieben. Der III. Senat des BFH hat dies in seinem Urteil vom 28. Oktober 1988 III R 52/86 (BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257, 258 - unter Hinweis auf abweichende FG-Rechtsprechung und Literaturmeinungen -) bezweifelt, aber letztlich unentschieden gelassen. Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß die Frage wirksamer Bekanntgabe nicht für jede Art von Steuerverwaltungsakten gleich beantwortet werden kann. Für Steuerbescheide (und ihnen gleichgestellte Verwaltungsakte) sind strenge Anforderungen deshalb gerechtfertigt, weil insoweit die Bekanntgabe nicht nur allgemeines Wirksamkeitserfordernis ist (§§ 122 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 AO 1977), sondern kraft Gesetzes (§ 155 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) zu den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zählt - mit der Folge, daß ein solcher Steuerverwaltungsakt vor Bekanntgabe noch nicht entstanden ist (Entscheidung in BFH/NV 1989, 557, 558; a.M.: Tipke/Kruse, a.a.O., § 124 AO 1977 Tz. 2 und § 155 AO 1977 Tz. 7, die § 155 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nur klarstellende Bedeutung beimessen).

Für alle nicht auf diese Weise qualifizierten (Steuer-)Verwaltungsakte dagegen richten sich die förmlichen Anforderungen an das Wirksamwerden von Fall zu Fall nach dem Zweck der Bekanntgabe, die Übermittlung des begründeten Behördenwillens an den oder die hiervon Betroffenen sicherzustellen und dadurch auch für eine inhaltliche Festlegung zu sorgen (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).

Hierbei ist nach den verschiedenen Arten der Bekanntgabe zu unterscheiden (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 13. November 1963 V C 39.63, BVerwGE 17, 145, 153; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1983, § 41 Tz. 9 ff. m.w.N.). Sofern förmliche Zustellung (§ 122 Abs. 5 AO 1977) nicht zwingend vorgeschrieben ist, steht es (nach dem Rechtsgedanken des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches) im pflichtgemäßen Ermessen der für den Erlaß des Verwaltungsakts zuständigen Behörde, die Bekanntgabeform zu wählen, die hinreichend Gewähr für den Zugang des Verwaltungsakts bietet. Zugang bedeutet nicht tatsächliche Kenntnisnahme. Vielmehr ist ein Schriftstück schon dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, daß normalerweise dessen Kenntnisnahme möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764; vgl. auch Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., Tz. 8 m.w.N.).

Diesen Anforderungen ist bei der einfachen Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen, die für Ehegatten bestimmt sind, durch Übersendung einer gemeinsamen Ausfertigung jedenfalls dann genügt, wenn die Adressaten eine gemeinsame Anschrift haben und für die Behörde auch sonst kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß der Bekanntgabezweck gefährdet ist (im Ergebnis ebenso BFH-Urteile vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, und vom 8. März 1988 VIII R 229/84, BFH/NV 1988, 550, 551; vgl. dazu allgemein: Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., Tz. 18 m.w.N.).

Die allein für Steuerbescheide (und ihnen gleichgestellte Steuerverwaltungsakte) geltende Vorschrift des § 155 Abs. 5 AO 1977 n.F. ist in ihrem Kern nicht als Ausnahmevorschrift, sondern als spezielle Ausformung eines allgemeinen Bekanntgabegrundsatzes anzusehen (im Ergebnis ebenso: Urteil in BFHE 155, 238, BStBl II 1989, 257, 258, 259).

3. Da die Einkommensteueransprüche 1973 und 1974 somit nicht verjährt waren, als der aufgrund der Betriebsprüfung erlassene Bescheid vom 9. September 1985 erging, braucht nicht geprüft zu werden, ob insoweit nicht außerdem Verjährungsunterbrechung nach § 146a Abs. 1 AO eingetreten war.