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  BFH-Urteil vom 14.11.1989 (VIII R 209/85) BStBl. 1990 II S. 620

§ 10d Sätze 2 und 3 EStG 1979 ist neben den abgabenrechtlichen Vorschriften eine eigenständige Korrekturvorschrift. Nach § 10d Sätze 2 und 3 EStG 1979 kann ein bereits gewährter Verlustabzug im Rücktragsjahr wegen eines Rechtsfehlers berichtigt werden.

EStG 1979 § 10d.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Für 1982 ergab sich ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 11.293 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) änderte den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1981 und gewährte den Verlustrücktrag von ./. 11.293 DM. Die Einkommensteuer 1981 wurde von bisher 6.576 DM auf 4.088 DM herabgesetzt. Nachdem die Kläger gebeten hatten, den Verlustrücktrag aus 1982 in 1980 zu berücksichtigen, erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 25. Juli 1984. Mit Bescheid von demselben Tag hob es den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 22. Mai 1984 auf. Der gegen die Aufhebung gerichtete Einspruch und die Klage blieben erfolglos.

Mit der vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10d Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diese Vorschrift schaffe lediglich einen Änderungsrahmen, der durch einen Änderungsgrund ausgefüllt werden müsse. Änderungsgründe seien eine Änderung der Höhe des Verlustabzugs und eine Änderungsvorschrift der Abgabenordnung (AO 1977). Keiner dieser Änderungsgründe sei im Streitfall gegeben. Eine auf § 10d Sätze 2 und 3 EStG gestützte weitergehende Berichtigung von Rechtsfehlern würde bedeuten, daß Steuerbescheide ohne Rücksicht auf Rechtssicherheit aufgehoben werden könnten. Wenn ein bestandskräftig veranlagter Verlustvortrag nur nach den Änderungsvorschriften der AO 1977 berichtigt werden könne, gelte das auch für den Verlustrücktrag. Im übrigen müsse der berichtigungsfähige Rechtsfehler bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte entstanden sein und müsse das FA zu einer Berichtigung des Verlustabzugs verpflichtet sein. Beide Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des FG-Urteils und des Bescheids vom 25. Juli 1984 die Einkommensteuer für 1981 auf 4.088 DM festzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FA hat den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 22. Mai 1984 zu Recht gemäß § 10d Sätze 2 und 3 EStG aufgehoben. Das FA hatte den Verlust des Jahres 1982 zu Unrecht im Jahre 1981 berücksichtigt; zutreffend mußte der Verlust gemäß § 10d Satz 1 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 1980 abgezogen werden. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Entgegen der Auffassung der Revision, dem Urteil des FG Berlin vom 17. Mai 1984 I 406/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 70) sowie Äußerungen im Schrifttum (Cirsovius, Der Verlustrücktrag, S. 30; B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1980, 240) ist der Senat der Ansicht, daß § 10d Sätze 2 und 3 EStG eine gegenüber den Vorschriften der AO 1977 eigenständige Korrekturvorschrift ist, aufgrund deren ein Bescheid, in dem irrtümlich ein Verlustrücktrag berücksichtigt wurde, auch aufgehoben werden kann. Es kann daher unentschieden bleiben, ob der streitige Bescheid auch nach den Vorschriften der AO 1977 hätte aufgehoben werden können.

Nach § 10d Satz 2 EStG sind Steuerbescheide der dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen Veranlagungszeiträume insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist.

Das "Ändern" im Sinne dieser Vorschrift umfaßt auch die Aufhebung eines Bescheids. Dies ergibt sich daraus, daß die Änderung sich danach richtet, ob und wieweit der Verlustabzug zu gewähren ist. Wenn die Berichtigung des Verlustabzugs z.B. darin besteht, daß sich statt des Verlustes ein Gewinn ergibt, folgt daraus, daß ein Änderungsbescheid, in dem ein Verlust berücksichtigt wurde, auch wieder aufgehoben werden muß.

Im Streitfall war der Verlustabzug zu berichtigen. Darunter fallen nicht nur Änderungen des Verlustrücktrags als Folge von Änderung des Verlustes selbst im Verlustjahr (dazu FG München, Urteil vom 13. Juli 1983 I 368/78 E, EFG 1984, 182; Sommer, Verlustrücktrag, Verlustvortrag, 1981, S. 29; Fichtelmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 10d Anm. 33; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10d Rdnr. 31), sondern auch Korrekturen von (Rechts-)Fehlern beim Abzug des Verlustes im Rücktragsjahr (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 1989 2 K 56/87, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, EFG 1989, 562; Horlemann in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. 127; Orth in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10d EStG Rdnr. 206).

Aus dem Wortlaut des § 10d Sätze 2 und 3 EStG ergibt sich insoweit keine Einschränkung. Im Gegenteil spricht die Verwendung des Wortes "berichtigen" dafür, daß § 10d Sätze 2 und 3 EStG auch die Möglichkeit zur Korrektur von Rechtsfehlern bietet. Nach dem Inhalt, den die AO 1977 in den §§ 129 und 177 diesem Wort beimißt, bedeutet nämlich berichtigen die Richtigstellung von Fehlern im Unterschied zur Anpassung des Verwaltungsakts an die veränderte Sach- oder Rechtslage (Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 3; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, vor § 130 AO 1977 Rdnr. 2 a.E.).

Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BTDrucks 7/4705, S. 4) läßt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber die Korrekturmöglichkeit in dieser Hinsicht einschränken wollte.

Angesichts dessen sieht der Senat keinen Grund, die Korrekturmöglichkeit des § 10d Sätze 2 und 3 EStG entgegen dem Wortlaut im Wege der einschränkenden Auslegung zu begrenzen. In der gewählten Formulierung kommt die Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Rechtmäßigkeit des Bescheids in diesem Bereich vor die Rechtssicherheit zu stellen.