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  BFH-Urteil vom 2.2.1990 (III R 165/85) BStBl. 1990 II S. 706

Fernsehgeräte, die ein Einzelhändler im Rahmen eines "Test"-Mietvertrages seinen Kunden auf die Dauer von sechs Monaten zur Nutzung überläßt und die nach Ablauf dieser Zeit vom Kunden unter Anrechnung der geleisteten Mietzahlungen auf den Kaufpreis erworben werden können, gehören von Anfang an zum Umlaufvermögen des Gewerbebetriebes. Für die Anschaffung dieser Geräte kann eine Konjunkturzulage nicht gewährt werden.

InvZulG 1975 § 4b; EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2; HGB § 247 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt den Einzelhandel mit Radio- und Fernsehgeräten. Sie ermittelt ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Wirtschaftsjahr vom 1. Mai bis zum 30. April des Folgejahres.

Im Streitjahr 1975/1976 schaffte die Klägerin für insgesamt 481.912,70 DM Farbfernsehgeräte an, die überwiegend an Privatpersonen zunächst vermietet und später verkauft wurden. Im Jahre 1977 beantragte die Klägerin für diese Aufwendungen gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 eine Investitionszulage von 7,5 v.H. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gab diesem Antrag statt; der Investitionszulagenbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Anläßlich einer Außenprüfung im Dezember 1980 stellte das FA bei der Klägerin fest, daß diese ihren Kunden jeweils ein Fernsehgerät ihrer Wahl für sechs Monate zu einem erheblich verbilligten Mietzins zur Verfügung gestellt hatte; nach dieser sog. Testmiete konnte der Kunde das Gerät entweder zurückgeben, zu einem auf nahezu das Doppelte erhöhten Mietzins weiter nutzen oder aber für einen Betrag erwerben, der einschließlich der bis dahin gezahlten Testmiete dem üblichen Verkaufspreis des Gerätes entsprach. Nach den Feststellungen des FA hatten etwa 80 v.H. der Mieter nach Ablauf der sechsmonatigen Testmietzeit die ihnen überlassenen Geräte erworben.

Das FA versagte daraufhin die Investitionszulage für die Anschaffungskosten der Geräte, die später von den Mietern erworben worden waren; mit dem geänderten Investitionszulagenbescheid vom 1. März 1982 forderte das FA die Investitionszulage in Höhe von 27.795,85 DM zuzüglich 5.678,50 DM Zinsen zurück.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) rechnete die angeschafften und später veräußerten Fernsehgeräte dem Umlaufvermögen der Klägerin zu, da sie von vornherein zur Weiterveräußerung bestimmt gewesen seien.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zur Begründung trägt sie vor, die Geräte seien Anlagevermögen. Sie seien als solches bilanziert und besonders gekennzeichnet sowie auch getrennt von dem übrigen Umlaufvermögen gelagert worden. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut Anlagevermögen sei, komme es nicht auf die Dauer der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen, sondern allein auf die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes an (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. März 1977 V R 44/73, BFHE 122, 184, BStBl II 1977, 684, und vom 17. November 1981 VIII R 86/78, BFHE 135, 35, BStBl II 1982, 344). Entscheidend sei der Wille des Unternehmers; dieser sei bei ihr, der Klägerin, aber weder bei der Anschaffung noch bei der Investitionsentscheidung darauf gerichtet gewesen, die Geräte als Umlaufvermögen zu behandeln. Gerade durch die Vermietung hätten sie dem Unternehmen auf Dauer dienen sollen, denn die Vermietung nach Ablauf der ersten sechs Monate sei günstiger als die Veräußerung der Geräte gewesen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die geänderte Festsetzung der Investitionszulage vom 1. März 1982 mit der Maßgabe zu ändern, daß eine Investitionszulage von insgesamt 41.814,70 DM für das Wirtschaftsjahr 1975/1976 gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 (sog. Konjunkturzulage) für die nach Vermietung veräußerten Fernsehgeräte nicht zu gewähren ist.

1. Nach § 4b Abs. 1 InvZulG 1975 wird Steuerpflichtigen auf Antrag eine Investitionszulage für "begünstigte Investitionen" gewährt, die sie in einem inländischen Betrieb (einer Betriebsstätte) vornehmen. Als begünstigte Investitionen nennt § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 u.a. die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.

Für den im Steuerrecht nicht näher bestimmten Begriff des Anlagevermögens und seine Abgrenzung zum Begriff des Umlaufvermögens ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH die handelsrechtliche Unterscheidung beider Begriffe maßgebend (vgl. Urteile vom 13. Januar 1972 V R 47/71, BFHE 106, 142, BStBl II 1972, 744; vom 29. November 1972 I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148, und vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73, BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352). Sind danach beim Anlagevermögen nur die Gegenstände auszuweisen, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -), so werden unter das Umlaufvermögen die Wirtschaftsgüter eingereiht, die weder Anlagevermögen noch Rechnungsabgrenzungsposten sind (BFH-Urteil vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, 483; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl., § 253 Anm. 18; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 258, m.w.N.), mithin die Wirtschaftsgüter, deren Zweck im Verbrauch oder in der Weiterveräußerung liegt (z.B. BFH-Urteile in BFHE 122, 184, BStBl II 1977, 684, und vom 26. Februar 1987 IV R 61/84, BFH/NV 1988, 24, 25 f.).

Der V. Senat des BFH hat hieraus gefolgert, daß ein Gegenstand, der zum Verkauf bestimmt ist, zum Umlaufvermögen gehört, auch wenn er bei fehlender Verkaufsmöglichkeit vermietet werden soll, während ein Gegenstand, der vermietet oder zur Vermietung bestimmt ist, zum Anlagevermögen gehört, es sei denn, die Vermietung diene nur dem Zweck, den Gegenstand anschließend dem Mieter zu verkaufen (Urteil vom 14. August 1980 V R 142/75, nicht veröffentlicht).

2. Das FG hat hiernach zu Recht aus einer Reihe äußerer Umstände darauf geschlossen, daß die zunächst vermieteten und später veräußerten Fernsehgeräte von Anfang an zum Verkauf bestimmt und damit dem Umlaufvermögen zuzuordnen waren.

a) Die Absicht der Verwendung eines Wirtschaftsgutes kann, wie alle inneren Tatsachen, nur anhand objektiver Merkmale beurteilt werden. Das FG hat insoweit festgestellt, daß die von der Klägerin angeschafften Geräte keine Vorführgeräte waren, die mehrfach einer größeren Zahl von Kaufinteressenten zu Testzwecken zur Verfügung gestellt werden sollten, um diese zum Kauf eines anderen Gerätes anzuregen. Vielmehr habe die Klägerin in der Presse mit der Aufforderung für ihr Testmietmodell geworben "Probieren Sie Ihren Farbfernseher"; dabei habe sie bereits auf die drei bestehenden Möglichkeiten nach Ablauf der Testmietzeit hingewiesen. Das FG hat ferner festgestellt, daß der Mietzins während der Testmietzeit etwa um die Hälfte reduziert war und daß die Klägerin in keinem Fall Kaufwünsche von Testmietern abgelehnt hat. Da diese Feststellungen nicht mit Revisionsrügen angefochten wurden, ist der Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat aus diesen Umständen in nicht zu beanstandender Weise gefolgert, daß es der Klägerin von Anfang an auf den Verkauf der Geräte ankam.

b) Nach den weiteren Feststellungen des FG hat die Klägerin bis zum April 1975 Mietverträge mit Kaufoption abgeschlossen, aber auch nach der Umstellung dieser Verträge kein Leasingunternehmen, sondern den Einzelhandel mit Radio- und Fernsehgeräten betrieben. Wenn das FG daher auch aus dem Gegenstand des Gewerbes der Klägerin geschlossen hat, daß die vermieteten und anschließend veräußerten Geräte dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind, so entspricht dies der Rechtsprechung des BFH, der für die Frage nach der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Anlage- oder Umlaufvermögen auch die Eigenart des Geschäftsbetriebes für maßgebend gehalten hat (BFH-Urteile vom 2. Mai 1961 I 63/60 S, BFHE 73, 744, BStBl III 1961, 537; vom 13. April 1965 I 366/62 U, BFHE 82, 466, BStBl III 1965, 416, und vom 13. Januar 1972 V R 47/71, BFHE 106, 142, BStBl II 1972, 744).

Bei Wirtschaftsgütern, die unter die Aufzählung in § 151 Abs. 1 Aktivseite III A oder III B 12 des Aktiengesetzes 1965 (jetzt § 266 Abs. 2 Teil B HGB) fallen, spricht deshalb nach zutreffender Auffassung bereits eine Vermutung für ihre Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm. 261). Diese insbesondere für Waren geltende Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt. Ihre Behauptung, die günstigere Testmiete habe dazu gedient, die Kunden erst an das Mietgeschäft heranzuführen, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Die Klägerin hat selbst ausgeführt, daß erst die Vermietung nach Ablauf der Testmietzeit gewinnbringend und sogar günstiger gewesen sei, als die Veräußerung der Geräte. Ein gewerblicher Vermieter könnte sich auf eine derartige Mischkalkulation aber nur dann einlassen, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch nach Ablauf der Testmietzeit gesichert wäre. Da die Testmiet-Kunden im Streitfall ein Rückgaberecht hatten, bleibt jedoch nur der Schluß, daß die ertragslose Vermietung der Fernsehgeräte lediglich einen Kaufanreiz bewirken sollte.