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  BFH-Urteil vom 11.4.1990 (I R 122/87) BStBl. 1990 II S. 724

Ein Kommunikationszentrum in Form eines Cafés (Teestube) eines wegen Förderung der Jugendhilfe gemeinnützigen Vereins ist kein Zweckbetrieb.

KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO 1977 § 65 Nrn. 2, 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Nach seiner Satzung hat er zum Ziel, "den spezifischen Interessen der Jugend auf kulturellem und politischem Gebiet gerecht zu werden und Raum für Kommunikation und schöpferische Initiative zu ermöglichen". Zur Erreichung seiner Ziele betreibt der Kläger ein nach § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes anerkanntes und durch Zuschüsse gefördertes Haus der offenen Tür. Hier werden u.a. Kultur-, Seminar- und Vortragsveranstaltungen abgehalten; gesellige Veranstaltungen runden das Angebot ab. Im "offenen Bereich der Jugendräume" ist als Kommunikationszentrum ein Café/Teestube (im folgenden Café) eingerichtet; dort werden an die das Haus besuchenden Jugendlichen Getränke und kleine Speisen abgegeben. Das Café steht nicht nur Vereinsmitgliedern, sondern allen interessierten Jugendlichen offen; Öffnungszeiten sind je nach Bedarf von 14 bis 23 Uhr, an Wochenenden bis 24 Uhr. Die aus dem Getränke-/Speisenverkauf erzielten Überschüsse werden für Zwecke des Klägers verwandt.

Für 1981 erklärte der Kläger Einnahmen aus dem Cafebetrieb von 37.387 DM und Aufwendungen von 28.333 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte dementsprechend den Kläger zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage sah das Finanzgericht (FG) als zulässig, aber als unbegründet an.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht.

Der Kläger beantragt in Abänderung des angefochtenen Urteils den Körperschaftsteuerbescheid 1981 vom 24. Februar 1984 in der Weise zu ändern, daß der Wegfall der Steuervergünstigung im Hinblick auf die Abgabe von Speisen und Getränken an Jugendliche als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb aufgehoben wird, ferner den Gewerbesteuerbescheid 1981 vom 20. August 1982 ersatzlos aufzuheben; hilfsweise beantragt der Kläger, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Münster zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Verfahrensrecht

Der Kläger hat keine begründeten Verfahrensrügen erhoben.

Der Kläger macht geltend, durch die Benennung eines Sachverständigen Beweis dafür angeboten zu haben, daß die Unterhaltung eines Jugendtreffpunktes sich nur dann sinnvoll gestalten lasse, wenn den Jugendlichen gleichzeitig Gelegenheit gegeben werde, Getränke und kleinere Mahlzeiten einzunehmen. Der Senat kann offenlassen, ob dem FG insoweit die nötige Sachkunde fehlte und es deshalb durch die Nichthinzuziehung eines Sachverständigen sein Ermessen verletzt hat (vgl. hierzu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 76 Rdz. 22 m.w.N.). Der Verfahrensmangel wäre jedenfalls nicht rechtserheblich gewesen. Nach dem Rechtsstandpunkt des FG lag ein Steuerfreiheit begründender Zweckbetrieb i.S. des § 65 der Abgabenordnung (AO 1977) auch dann nicht vor, wenn man davon ausgeht, daß das Jugendzentrum nicht ohne die Verabreichung von Speisen und Getränken möglich ist. Das FG hat nämlich das Vorliegen eines Zweckbetriebs auch deshalb verneint, weil das Café vom Kläger selbst und nicht von einem Dritten betrieben wurde.

Der Kläger rügt, das FG habe die Äußerung des zuständigen Jugendamtes vom 18. Oktober 1982 nicht berücksichtigt, wonach der Speise- und Getränkeverkauf in den Jugendzentren zum festen Bestandteil der gesamten pädagogischen Arbeit gehöre. Insoweit liegt keine begründete Verfahrensrüge vor. Das FG hat die Äußerung im Tatbestand des Urteils aufgenommen. Der Umstand, daß die Wertung des Jugendamtes vom FG nicht mit dem Ergebnis gewürdigt wurde, bei dem Café handelt es sich um einen Zweckbetrieb, begründet keinen Verfahrensmangel.

2. Sachliches Recht

Der Kläger unterliegt mit den Gewinnen aus dem Café der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.

Der Kläger ist - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - wegen der Förderung der Jugendhilfe gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 bzw. § 3 Nr. 6 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), jeweils i.V.m. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 von der Körperschaftsteuer bzw. Gewerbesteuer freigestellt.

Die Steuerbefreiung ist hinsichtlich des Cafés ausgeschlossen; denn insoweit unterhält der Kläger einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG 1977 bzw. § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG), der kein Zweckbetrieb ist. Bei dem Café handelt es sich - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977). Durch das Café werden Einnahmen erzielt. Der Ausschluß der Steuerbegünstigung wegen des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs wird nicht gemäß § 64 AO 1977 aufgehoben.

Das Café ist kein Zweckbetrieb. Es mag zwar zutreffen, daß das Café in seiner Gesamtrichtung mit dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu verwirklichen, indem es die Jugendlichen nicht dazu zwingt, zur Nahrungsaufnahme den Bereich des Zentrums zu verlassen. Das Café mag auch den Zwecken des Klägers insoweit förderlich sein, als es die Attraktivität des Jugendzentrums dadurch erhöht, daß das Zentrum in räumlichem Zusammenhang mit einem von den Jugendlichen "angenommenen" gastronomischen Betrieb steht. Insoweit kann der Auffassung des FG nicht gefolgt werden, die Aufstellung von Getränkeautomaten erfülle in gleicher Weise die Zwecke des Jugendzentrums. Für die Annahme eines Zweckbetriebs fehlt es an den Voraussetzungen gemäß § 65 Nr. 2 und 3 AO 1977. Für die Verwirklichung der Zwecke des Klägers ist das Café nicht unerläßlich (§ 65 Nr. 2 AO 1977). Ein Jugendzentrum kann grundsätzlich seine Zwecke auch erreichen, wenn es nicht mit entsprechenden gastronomischen Einrichtungen verbunden ist. Der Annahme eines Zweckbetriebs steht auch entgegen, daß das Café zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfange in Wettbewerb tritt, als dies bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO 1977). Dem stünde nicht entgegen, daß das Café in der Einrichtung und in der Art des Services speziell auf Jugendliche abgestimmt ist. Gastronomische nicht begünstigte Betriebe, die speziell Jugendliche ansprechen, bestehen seit längerem und jedenfalls schon im Streitjahr. Die Zwecke des Klägers könnten auch ohne den Betrieb eines Cafés verwirklicht werden, so daß die vom Kläger hervorgerufene Wettbewerbssituation vermeidbar gewesen wäre. Nicht entscheidend ist nach Ansicht des Senats der Hinweis, der Kläger hätte das Café auch von Dritten betreiben lassen können. Demgegenüber beruft sich der Kläger zu Recht darauf, daß dann die Preise für Speisen und Getränke höher wären und damit insbesondere für Jugendliche das Café an Attraktivität verlieren würde. Obwohl der Kläger mit Erfolg geltend macht, daß das in eigener Regie betriebene Café den Satzungszwecken diene, scheitert die Steuerfreiheit des Klägers hinsichtlich des Cafés an den Voraussetzungen des § 65 Nr. 2 und 3 AO 1977.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf § 66 AO 1977 berufen. Er hat nicht nachgewiesen, daß 2/3 der Leistungen des Cafés den in § 53 AO 1977 genannten Personen zugute kommen. Insoweit weicht der Senat nicht von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Mai 1986 V R 76/83 (BFHE 154, 161, BStBl II 1988, 908) ab. Soweit in dem Urteil davon ausgegangen wurde, Studenten gehörten in ihrer Gesamtheit zu den von § 8 Abs. 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung - entspricht § 53 Nr. 2 AO 1977 - erfaßten Personen, handelt es sich um tatsächliche Feststellungen, die sich nicht ohne weiteres auf sämtliche Jugendliche übertragen lassen.

Die Vorschrift des § 68 Nr. 8 AO 1977 kommt im Streitfall nicht zum Zuge. Sie ist zwar insoweit auf den Kläger anwendbar, als der Kläger nach den Feststellungen des FG Kultur-, Seminar- und Vortragsveranstaltungen durchführt. Ein von der Einrichtung i.S. des § 68 Nr. 8 AO 1977 unterhaltener gastronomischer Betrieb, der nicht nur Leistungen an die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen erbringt, kann kein Zweckbetrieb sein. Die AO 1977 stellt - anders als das Umsatzsteuergesetz UStG) - nicht bestimmte Leistungen von der Besteuerung frei, sondern den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Das "soweit" in § 68 Nr. 8 AO 1977 kann daher nur in dem Sinne verstanden werden, daß Einrichtungen auch insoweit Zweckbetriebe unterhalten, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht, der ausschließlich die Teilnehmer dieser Veranstaltungen beherbergt und beköstigt. Das Café dient nach den Feststellungen des FG nicht nur den Teilnehmern von Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art.

Der Senat kann offenlassen, ob die Umsätze des Cafés gemäß § 4 Nr. 25 Buchst. b UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Selbst wenn dies zuträfe, ergebe sich hieraus nicht das Vorliegen eines Zweckbetriebs. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Zweckbetriebs sind in der AO 1977 andere als die, von den in § 4 Nr. 25 Buchst. b UStG 1980 die Steuerfreiheit bestimmter Leistungen abhängig macht.