| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 9.5.1990 (II B 144/89) BStBl. 1990 II S. 730

Bei der Ermittlung des Vermögenswerts für die Schätzung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an dem Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse können Anwartschaften der Arbeitnehmer auf Leistungen der rechtlich selbständigen Unterstützungskasse nicht wertmindernd berücksichtigt werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

BewG § 11 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft, deren Anteile nicht an einer deutschen Börse gehandelt werden. Die Kläger und Beschwerdeführer zu 2 bis 4 sind Gesellschafter der AG, die als Feststellungsbeteiligte gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (Anteilsbewertungsverordnung) vom 19. Januar 1977 - AntBewV - (BGBl I, 171, BStBl I, 37) zum Verfahren zugezogen worden sind. Die Klägerin unterhält als Trägerunternehmen eine Unterstützungskasse in der Form eines eingetragenen Vereins. Die Unterstützungskasse gewährt Betriebsangehörigen der Klägerin Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten sowie einmalige Unterstützungen in besonderen Notfällen. Nach der Satzung wird das Vereinsvermögen ausschließlich aus freiwilligen Zuwendungen seitens der Gesellschaft und aus den Erträgnissen des Vereinsvermögens gebildet.

Bei der Bewertung der Anteile an der AG zum 31. Dezember 1981 nach § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) im sog. Stuttgarter Verfahren berücksichtigte das Finanzamt (FA) nicht den von der Klägerin als Schuldposten geltend gemachten Unterschiedsbetrag zwischen dem versicherungsmathematischen Wert der Anwartschaftsrechte sowie der laufenden Leistungen und dem Kassenvermögen.

Die Kläger begründeten ihre nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage im wesentlichen damit, daß die Unterstützungskasse mit ihrem zu 4 v.H. verzinslich angelegten Vermögen von 4.253.034 DM (Stichtag 31. Dezember 1981) und durchschnittlich zu erbringenden jährlichen Leistungen von rd. 400.000 DM im Jahre 1996 ohne weitere Zuführungen nicht mehr in der Lage sei, ihre Leistungen zu erbringen. Die Leistungen zur Befriedigung der Versorgungsansprüche müßten dann allein vom Trägerunternehmen aufgebracht werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Trägerunternehmen dieser Verpflichtung durch Dotierung der Unterstützungskasse oder durch direkte Leistungen an die Versorgungsempfänger nachkomme. Jedenfalls müsse die Unterdeckung der Unterstützungskasse im Rahmen der Anteilsbewertung nach § 11 Abs. 2 BewG bei der Schätzung des Vermögens als Schuldposten berücksichtigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hätten die betroffenen Arbeitnehmer einen entsprechenden Rechtsanspruch gegenüber dem Trägerunternehmen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die von den Klägern behauptete Haftung des Trägerunternehmens.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beantragen die Kläger, die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie wegen Divergenz zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; das FG ist auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung der Kläger bedarf es keiner höchstrichterlichen Klärung, ob die arbeitsrechtliche Verpflichtung des Trägerunternehmens, der Unterstützungskasse die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, Einfluß auf die Ermittlung des Vermögenswerts für die Schätzung des gemeinen Werts der Anteile am Trägerunternehmen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG hat. Der BFH hat in seinem Urteil vom 18. Mai 1984 III R 38/79 (BFHE 141, 542, BStBl II 1984, 741) ausgeführt, daß das Trägerunternehmen unverfallbar gewordene Anwartschaften der noch aktiven Arbeitnehmer gegenüber der rechtsfähigen Unterstützungskasse bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht als Pensionsverpflichtung gemäß § 104 BewG abziehen kann. Ein Schuldabzug des Trägerunternehmens bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens kommt gemäß § 103 Abs. 1 BewG erst dann in Betracht, wenn am bewertungsrechtlich maßgebenden Stichtag mit der konkreten Inanspruchnahme des Trägerunternehmens im Versorgungsfall mit Sicherheit zu rechnen ist. Damit ist die von den Klägern als "vorgelagerte grundsätzliche Rechtsfrage" bezeichnete Frage bereits geklärt. Soweit es um den Ansatz entsprechender Verpflichtungen im Rahmen der Bewertung der Anteile des Trägerunternehmens nach § 11 Abs. 2 BewG geht, hat der Senat bereits im Beschluß vom 24. Februar 1988 II B 93/87 (BFHE 152, 354, BStBl II 1988, 478) klargestellt, daß arbeitsrechtlich begründete Anwartschaften der Arbeitnehmer auf künftige Leistungen hier ebenfalls nicht berücksichtigt werden können. Hieran hält der Senat fest. Es bedarf deshalb auch keiner Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung, inwieweit bei der Ermittlung des Vermögenswerts nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zwischen entstandenen und künftigen Verpflichtungen zu unterscheiden ist.

2. Auch die von den Klägern aufgeworfene Frage, welche Folgerungen aus Art. 20 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie für die Schätzung des Vermögenswerts im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu ziehen sind, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach EG-Recht für pensionsähnliche Verpflichtungen - wie die Kläger geltend machen - eine Passivierungspflicht in der Bilanz oder eine Ausweispflicht im Anhang besteht und ob die Gerichte am Stichtag 31. Dezember 1981 auch ohne die nach Auffassung der Kläger fehlende Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in nationales Recht daran gebunden wären. Denn selbst wenn man diese Frage mit den Klägern bejahen würde, ließe sich hieraus für die Schätzung des Vermögenswerts nicht zwingend herleiten, daß damit wegen der Anwartschaften auf künftige Leistungen auch der Vermögenswert entsprechend zu kürzen wäre. Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist schon deshalb nicht erforderlich. Der BFH hat zwar in seinem Urteil vom 27. Februar 1981 III R 97/78 (BFHE 133, 301, BStBl II 1981, 562) ausgeführt, daß die in der Steuerbilanz nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung berücksichtigten Rückstellungen für Garantieverpflichtungen und Wechselobligo bei der Ermittlung des Vermögenswerts grundsätzlich abziehbar sind; dies setzt jedoch voraus, daß zum Stichtag "eine Inanspruchnahme der Gesellschaft .... bereits deutlich erkennbar und ernsthaft droht" (BFHE 133, 301, 305). An dieser Voraussetzung fehlt es bezüglich der von den Klägern geltend gemachten Verpflichtung des Trägerunternehmens. Denn selbst wenn das Trägerunternehmen insoweit ertragsteuerrechtlich eine Rückstellung bilden könnte, würde eine Inanspruchnahme jedenfalls erst zu einem Zeitpunkt drohen, der außerhalb eines am Stichtag absehbaren Zeitraums liegt. Aus diesem Grunde führt auch der Hinweis der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Februar 1990 II ZR 268/88 (Wertpapier-Mitteilungen 1990, 548, 552) zu keinem anderen Ergebnis; im übrigen betraf diese Entscheidung, mit der der BGH bezüglich der Rentenzusagen einer Unterstützungskasse eine Rückstellungsverpflichtung des Trägerunternehmens bejaht hat, einen wesentlich anders gelagerten Sachverhalt.

3. Die von den Klägern als grundsätzlich erachtete Frage, inwieweit bei der Ermittlung des Vermögenswerts nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zwischen einer wirtschaftlichen Last einerseits und sonstigen Abzügen andererseits zu unterscheiden sei und ob insoweit die in § 98a Satz 1 BewG zwischen Schulden und sonstigen Abzügen getroffene Differenzierung zu übertragen sei, stellt sich nicht, denn nach dem BFH-Urteil vom 13. August 1986 II R 213/82 (BFHE 147, 531, BStBl II 1987, 48) ist bei der durch das Stichtagsprinzip geprägten Anteilsbewertung im Rahmen der Ermittlung des Vermögenswerts entscheidend, ob - stichtagsbezogen - eine Schuld als entstanden angenommen werden kann. Dabei sind, wie der BFH in seinem Urteil vom 27. Februar 1981 III R 97/78 (BFHE 133, 301, BStBl II 1981, 562) ausgeführt hat, Schwebezustände nur mit den Gegebenheiten in die Bewertung miteinzubeziehen, "die sich aufgrund der bis zum Stichtag eingetretenen Entwicklung konkretisiert haben".