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  BFH-Urteil vom 4.7.1990 (II R 65/89) BStBl. 1990 II S. 787

Ein Richter des FG ist kraft Gesetzes von der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung ausgeschlossen, wenn er zur Zeit des Erlasses der Einspruchsentscheidung Vorsteher des beklagten FA war.

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1; ZPO § 41 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Das Finanzamt (FA) stellte für das Grundstück des Klägers durch Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1982 die Art Einfamilienhaus und den Einheitswert auf 150.400 DM fest. Den Einspruch wies das FA zurück. Entgegen der Ansicht des Klägers könne das Grundstück nicht als gemischt-genutztes Grundstück bewertet werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte zulassungsfreie Revision des Klägers.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Unbegründet ist allerdings die Rüge des Klägers, das FG-Urteil enthalte nicht die vom Gesetz geforderte Begründung (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO).

Der Kläger meint, Einspruch und Klage hätten sich nicht nur gegen die Artfortschreibung, sondern auch gegen die Wertfortschreibung gewandt. Das FG habe die Klage uneingeschränkt, also auch hinsichtlich der Wertfortschreibung, abgewiesen. Insoweit enthalte das FG-Urteil aber keine Begründung.

Dieser Einwand des Klägers trifft nicht zu.

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob die Gründe des FG-Urteils die Entscheidung in vollem Umfang abdecken, ist nur der Klageantrag. Die Vorgänge im Einspruchsverfahren können nur insoweit erheblich sein, als sie für die Auslegung des Klageantrags von Bedeutung sind.

Die Klage richtete sich nur gegen die Feststellung des Grundstücks als Einfamilienhaus, nicht aber gegen die Höhe des Einheitswerts. Dementsprechend befassen sich auch die Urteilsgründe zu Recht nur mit der Artfeststellung.

In seiner Klageschrift erläuterte der Kläger, der Steuerberater ist, die Klage richte sich gegen die Einspruchsentscheidung ".... hinsichtlich der Grundstücksart Einfamilienhaus und - soweit für diese Zuordnung relevant - auch gegen die von der Beklagten festgeschriebene Aufteilung Wohnfläche bzw. freiberuflich genutzte Fläche".

Daraus ergibt sich, daß die Flächenmaße und die Flächenaufteilung nur insoweit angegriffen wurden, als sie für die Feststellung der Grundstücksart erheblich sind. Dementsprechend wurde auch nur der Antrag gestellt, die Einspruchsentscheidung aufzuheben, das Grundstück als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten und dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Herabsetzung des Einheitswertes wurde nicht beantragt.

Auch aus dem Antrag, die Einspruchsentscheidung aufzuheben, folgt nichts anderes. Denn diese Einspruchsentscheidung hatte sich nur auf die Artfortschreibung und nicht auf die Höhe des Einheitswerts erstreckt. Der Kläger hat das - soweit ersichtlich - damals gegenüber dem FA nicht beanstandet. Denn er hatte auch in seinem Einspruchsschreiben nur die Bewertung des Grundstücks als gemischtgenutztes Grundstück, nicht aber die Herabsetzung des Einheitswerts beantragt. Aus dem letzten Satz des Einspruchsschreibens "bei Stattgabe des eingangs gestellten Antrags auf Änderung der Grundstücksart würde der Einspruch hinsichtlich der dem Einheitswertbescheid zugrundegelegten Flächen und der dortigen Wertansätze nicht weiterverfolgt", läßt sich entnehmen, daß der Kläger die Flächen- und Wertansätze - ebenso wie in der Klageschrift - nur im Rahmen der Artfeststellung angreifen wollte. Denn seines Erachtens wurde das Grundstück am Stichtag nicht nur freiberuflich mitbenutzt, sondern vorrangig für diesen Zweck verwendet.

In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger laut Protokoll "den Antrag wie im Klageschriftsatz vom 23. April 1986". Einen Zusatz, daß auch die Höhe des Einheitswertes angegriffen werde, enthält das Protokoll nicht. Dementsprechend hat das FG im Tatbestand seines Urteils nur den Antrag des Klägers wiedergegeben, den Artfortschreibungsbescheid aufzuheben und die Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück festzustellen.

2. Begründet ist dagegen die Rüge des Klägers, der an dem FG-Urteil beteiligt gewesene Richter am FG, Dr. X, sei von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO).

Unstreitig war der genannte Richter im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung Vorsteher des beklagten FA. Gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 41 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) war er daher von der Mitwirkung an der Entscheidung des FG kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er in der vorliegenden Sache als gesetzlicher Vertreter des FA aufzutreten berechtigt gewesen war (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Januar 1979 V R 120/77, BFHE 127, 3, BStBl II 1979, 283).

Zwar meint das FA, der Begriff des gesetzlichen Vertreters im FG-Prozeß stimme nicht mit demjenigen nach dem Finanzverwaltungsgesetz überein. Auch setze § 41 Nr. 4 ZPO eine - wenn auch nur interne - Einflußnahme in irgendeiner Form voraus. Bei einer weiten Auslegung der genannten Vorschrift wären die Absätze 2 und 3 des § 51 FGO zum Teil überflüssig.

Dieser Einwand ist unbegründet.

§ 41 Nr. 4 ZPO soll die Unparteilichkeit und Unbefangenheit des Richters sichern (Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl. 1984, § 41 Rdnr. 16). Dieser Sinn und Zweck gilt auch für den vorliegenden Fall. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der genannte Richter als Vorsteher des FA und Leiter dieser Behörde schon in irgendeiner Weise mit der betreffenden Sache befaßt wurde und diese daher vom Standpunkt des Parteivertreters aus gesehen hat. Diese Möglichkeit reicht aus. Dementsprechend wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, daß die genannte Vorschrift auch für Finanzbeamte gilt (Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 6514).

Die Absätze 2 und 3 des § 51 FGO werden durch diese Auslegung des § 41 Nr. 4 ZPO nicht inhaltslos.

Absatz 2 des § 51 FGO geht über den Rahmen des § 41 Nr. 4 ZPO hinaus. Er betrifft über die Vertretungsbefugnis hinaus jede Person, die bei dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Auch der Absatz 3 des § 51 FGO weicht von § 41 Nr. 4 ZPO ab. Er betrifft die Ablehnung eines Richters und nicht dessen Ausschluß kraft Gesetzes. Auch genügt es für § 51 Abs. 3 FGO, wenn die Interessen der betreffenden Körperschaft durch das Verfahren "berührt" werden. Diese braucht daher - anders als bei § 41 Nr. 4 ZPO - nicht Partei des Verfahrens zu sein (Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a.a.O., Rdnr. 6534/2). Ob darüber hinaus der Begriff "Vertretung" bzw. "Vertreter" in § 51 Abs. 3 FGO eine engere Bedeutung hat als in § 41 Nr. 4 ZPO kann offenbleiben (vgl. dazu den BFH-Beschluß vom 7. Mai 1974 IV S 5-6/74, BFHE 112, 25, BStBl II 1974, 385 und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 51 FGO Rdnr. 8).

3. Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht zu prüfen, ob das FG außerdem wegen eines fehlerhaften Geschäftsverteilungsplanes nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO), wie der Kläger vorträgt.

4. Gemäß § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO ist nur über den geltend gemachten Verfahrensmangel zu entscheiden. Ob außerdem die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO vorliegen, kann der Senat mangels bindender tatsächlicher Feststellungen nicht prüfen. Denn er darf die tatsächlichen Feststellungen des FG-Urteils nicht verwerten, weil sie unter Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters zustandegekommen sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

Wegen des unter II 2 dargestellten Verfahrensmangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.