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  BFH-Urteil vom 30.3.1990 (VI R 188/87) BStBl. 1990 II S. 854

Eine Tätigkeit ist nebenberuflich i.S. von § 3 Nr. 26 EStG, wenn sie nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt. Mehrere gleichartige Tätigkeiten sind zusammenzufassen, wenn sie sich nach der Verkehrsanschauung als Ausübung eines einheitlichen Hauptberufes darstellen.

EStG § 3 Nr. 26.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1982 und 1983 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger ist Beamter, die Klägerin Hausfrau. Sie war in den Streitjahren ferner aufgrund zweier Arbeitsverträge an der staatlichen A-Schule und beim B-Verein als Dozentin tätig. Die Klägerin unterrichtete jeweils in den Fächern "darstellende Geometrie" und "technisches Zeichnen".

Der Unterricht an der A-Schule hatte folgenden zeitlichen Umfang: Im Streitjahr 1982 im Januar vier Wochenstunden, Februar bis Juli sechs Wochenstunden und August bis Dezember acht Wochenstunden. Im Streitjahr 1983 im Januar acht Wochenstunden, Februar bis 11. September je vier Wochenstunden und vom 11. September bis 31. Dezember vierzehn Wochenstunden.

Beim B-Verein unterrichtete die Klägerin im Streitjahr 1982 nur im Januar vier Stunden pro Woche. Im Streitjahr 1983 erteilte sie in der Zeit vom 1. Februar bis zum 15. Juni vier Stunden pro Woche Unterricht und in der Zeit vom 16. Juni bis zum 31. Dezember zwei Stunden pro Woche.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es bei Durchführung der die Streitjahre betreffenden Einkommensteuerveranlagungen ab, die von der Klägerin bezogenen Einnahmen in jedem Streitjahr gemäß § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.400 DM zu mindern. Er berücksichtigte nur die von der Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemachten geringeren Aufwendungen.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung im wesentlichen aus, die Klägerin habe in den Streitjahren für ihre Tätigkeit als Dozentin Vergütungen bezogen, die nicht als bloße Aufwandsentschädigungen i.S. des § 3 Nr. 26 EStG angesehen werden könnten. Bei Einnahmen unter 2.400 DM spreche hierfür zwar eine unwiderlegbare Vermutung (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1986 IV R 247/84, BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401). Diese greife jedoch nicht ein, wenn höhere Einnahmen erzielt würden. Dann müsse geprüft werden, ob sich die Einnahmen als Leistungsentgelt (Arbeitslohn) oder als Aufwandsentschädigung darstellten. Bei dieser Prüfung seien die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten einheitlich zu betrachten. Dies ergebe sich zum einen daraus, daß der Freibetrag gemäß § 3 Nr. 26 EStG auch bei mehreren Tätigkeiten nur einmal in Anspruch genommen werden könne. Im übrigen hätten beide Lehrtätigkeiten - abgesehen von dem unterschiedlichen zeitlichen Umfang - im wesentlichen den gleichen Inhalt gehabt. Die Klägerin habe aus ihnen im Streitjahr 1982 Einnahmen in Höhe von insgesamt rd. 15.000 DM und im Streitjahr 1983 in Höhe von insgesamt rd. 23.000 DM bezogen. Beträge in dieser Größenordnung könnten nicht mehr als bloße Aufwandsentschädigung angesehen werden, sondern seien Leistungsentgelt. Auch das für § 3 Nr. 26 EStG u.a. notwendige Merkmal einer nebenberuflichen Tätigkeit werde hierdurch ausgeschlossen. Die Annahme eines Nebenberufes scheide aus, wenn die Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung ein Hauptberuf sei. Ein Anhaltspunkt für letzteres sei u.a., ob die Vergütung eine solche Höhe erreiche, daß aus ihr der Lebensunterhalt bestritten werden könne. Dies sei im Streitfall zu bejahen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 26 EStG. Das FG habe zu Unrecht die Gewährung dieser Steuervergünstigung unter Hinweis auf die Höhe der von der Klägerin bezogenen Einnahmen abgelehnt. Die Klägerin sei Hausfrau. Hierdurch habe sie im Haushalt der Kläger ihren Beitrag zur gemeinsamen Lebensführung erbracht. Die Tätigkeit als Dozentin habe im Verhältnis dazu den Charakter eines Nebenberufes. Dies gelte selbst dann, wenn man, wie das FG meine, beide Tätigkeiten einheitlich beurteilen müsse. Im übrigen sei zumindest die Tätigkeit beim B-Verein im Verhältnis zu der bei der A-Schule als Nebentätigkeit anzusehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Unrecht die Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG mit dem Hinweis auf die Höhe der von der Klägerin in den Streitjahren bezogenen Einnahmen versagt.

1. Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 26 EStG Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten im dort genannten Sinne als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit. Als Aufwandsentschädigungen sind nach Satz 2 dieser Vorschrift Einnahmen für die bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2.400 DM im Jahr anzusehen. Hierin liegt eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung, daß dem Steuerpflichtigen ein entsprechender Aufwand entstanden ist. Selbst wenn ihm daher für eine der in § 3 Nr. 26 EStG bezeichneten Tätigkeiten keine Aufwandsentschädigung, sondern eine 2.400 DM übersteigende Vergütung für seine (selbständige oder nichtselbständige) Arbeit gezahlt wird, ist diese bis zur Höhe von 2.400 DM steuerfrei. Die steuerliche Behandlung des darüber hinaus gehenden Teils richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (Urteile des BFH in BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401, und vom 13. November 1987 VI R 154/84, BFH/NV 1988, 150). Der Umstand, daß eine Vergütung keine Aufwandsentschädigung ist, steht deshalb der Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG nicht entgegen (BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401).

2. Allerdings begünstigt die Vorschrift nur Einnahmen, die aus nebenberuflichen Tätigkeiten der im Gesetz genannten Art stammen.

a) Dieser Begriff wird in der Rechtsprechung der FG und im Schrifttum nach unterschiedlichen Kriterien bestimmt, so z.B. nach dem Umfang, in dem aus der Tätigkeit der Lebensunterhalt bestritten wird (z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 3 EStG, Grüne Seiten, Erl. zu Nr. 26 m.w.N.; in diesem Sinne auch die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze, BTDrucks 8/3688 S. 16) oder bestritten werden kann (FG München, Urteil vom 6. Mai 1983 V 274/82 L, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 62; FG Münster, Urteil vom 28. Januar 1987 IV 3873 u. 4570/83 E, EFG 1987, 395), oder nach dem Verhältnis der nebenberuflichen Tätigkeit zu dem vom Steuerpflichtigen ausgeübten - nicht unbedingt der Einkunftserzielung dienenden - Hauptberuf (FG des Saarlandes, Urteil vom 23. September 1983 I 290/82, EFG 1984, 110; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. B 26/33 m.w.N.), oder danach, wie die fragliche Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Merkmale Zeitaufwand, Höhe der Vergütung und Umfang des Beitrags zum Lebensunterhalt, zu beurteilen ist (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Februar 1989 3 K 227/87, EFG 1989, 398; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 3 Rdnr. 143; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 19. Juni 1981, BStBl I 1981, 502), oder ob die Tätigkeit als solche nach Inhalt, Zeitaufwand und Höhe der Vergütung nebenberuflichen Charakter hat (Schmidt-Liebig, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1984, 369).

b) Der Senat hält bei Auslegung des Begriffs "nebenberufliche Tätigkeit" i.S. des § 3 Nr. 26 EStG den Zeitaufwand für das entscheidende Kriterium. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend:

aa) Der Senat hat bereits im Urteil in BFH/NV 1988, 150 den zeitlichen Umfang einer Tätigkeit als wesentlichen Anhaltspunkt für die Unterscheidung zwischen Hauptberuf und nebenberuflicher Tätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG angesehen. Er hat ferner sinngemäß ausgesprochen, daß es für die Beurteilung unerheblich sei, ob der Steuerpflichtige tatsächlich einen Hauptberuf ausübe. An der in dem genannten Urteil darüber hinaus noch zum Ausdruck kommenden Auffassung, auch der Umfang des Beitrags zum Lebensunterhalt könne u.U. ein Abgrenzungskriterium sein, hält der Senat nach erneuter Überprüfung der Frage nicht mehr fest.

bb) § 3 Nr. 26 EStG stellt nicht auf den nebenberuflich Tätigen, sondern auf die - im Gesetz beispielhaft aufgeführten - nebenberuflichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen ab (Schmidt-Liebig, a.a.O.). Hieraus wird deutlich, daß - anders als bei dem mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1981 aufgehobenen § 34 Abs. 4 EStG a.F. - nicht die Person des Einkünftebeziehers und das Verhältnis der erzielten Einkünfte zueinander im Vordergrund stehen, sondern die ausgeübte Tätigkeit als solche. Diese soll unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen begünstigt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 IV R 125/86, BFHE 150, 22, BStBl II 1987, 530 unter II. 3. a).

Für eine solche Auslegung spricht neben dem Wortlaut auch der Zweck des § 3 Nr. 26 EStG. Danach sollten die im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich tätigen Bürger von steuerlichen Verpflichtungen freigestellt werden, soweit sie für diese Tätigkeiten im wesentlichen nur eine Aufwandsentschädigung erhalten (BTDrucks 8/3688 S. 16). § 3 Nr. 26 EStG sollte damit nicht nur die einzelnen Bürger als unmittelbare Leistungsempfänger begünstigen, sondern in gleicher Weise mittelbar - durch Förderung des ehrenamtlichen Engagements der Bürger - die im Gesetz genannten Körperschaften. Denn diese sind zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen Zwecke vielfach auf nebenberufliche Mitarbeiter angewiesen (vgl. dazu Schmidt-Liebig, a.a.O.).

c) Somit kommt es auf das "Bestreiten des Lebensunterhalts" und das "Verhältnis von Haupt- und Nebenberuf in der Person des Steuerpflichtigen" nicht an. Diese Merkmale sind nicht geeignet, die zu beurteilenden Tätigkeiten nach einem einheitlichen Maßstab zu kennzeichnen. Denn es könnte sonst je nachdem, welchen Umfang der von einem Steuerpflichtigen ausgeübte Hauptberuf hat oder welche sonstigen Einkünfte ihm zur Bestreitung seines Lebensbedarfs zur Verfügung stehen, eine vergleichbare Tätigkeit einmal i.S. des § 3 Nr. 26 EStG nebenberuflich sein und das andere Mal nicht. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, daß nach den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 8/3688 S. 16) eine nebenberufliche Tätigkeit angenommen wird, wenn aus ihr nicht hauptsächlich der Lebensunterhalt bestritten werde. Denn diese Vorstellung hat in dem Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden.

d) Die Feststellung, ob eine der in § 3 Nr. 26 EStG genannten Tätigkeiten nebenberuflichen Charakter hat oder nicht, läßt sich danach nur in Abgrenzung zu einer der Art nach vergleichbaren, als Hauptberuf ausgeübten Tätigkeit treffen. Ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal ist der jeweilige zeitliche Aufwand. Nimmt dieser einen Umfang ein, der üblicherweise für einen Vollzeiterwerb erforderlich ist, kann es sich nicht um die Ausübung eines bloßen Nebenberufs handeln.

Der Wortlaut des § 3 Nr. 26 EStG - "Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten ...... zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)" - läßt erkennen, daß Tätigkeiten gemeint sind, die üblicherweise neben einer Vollzeitbeschäftigung ausgeübt werden können. Hieraus ergibt sich, daß nur eine Tätigkeit, die den zeitlichen Rahmen des vergleichbaren Hauptberufes deutlich unterschreitet, i.S. des § 3 Nr. 26 EStG nebenberuflich sein kann.

Angesichts der Tatsache, daß eine Teilzeitarbeit in Form von Halbtagsarbeit, die - gemessen an einem Vollerwerbstätigen - die Arbeitskraft des Steuerpflichtigen immerhin noch zu 50 v.H. bindet, als Ausübung eines Hauptberufs angesehen werden muß, geht der Senat im Interesse einer einheitlichen Handhabung von einer nebenberuflichen Tätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG dann aus, wenn die zu beurteilende Tätigkeit den Steuerpflichtigen vom zeitlichen Umfang her - im Verhältnis zum Vollerwerbstätigen - nur zu 33 1/3 v.H. in Anspruch nimmt.

3. Übt der Steuerpflichtige mehrere verschiedenartige Tätigkeiten aus, so ist bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG erfüllt sind, jede Tätigkeit für sich zu betrachten. Etwas anderes gilt jedoch bei gleichartigen Tätigkeiten. Sie sind zusammen zu würdigen, wenn sie sich nach der Verkehrsanschauung als Ausübung eines einheitlichen Hauptberufes - Vollzeiterwerb oder sog. Halbtagsarbeit - darstellen. Hieraus ergibt sich, daß z.B. ein Lehrer, der an drei verschiedenen Schulen jeweils nur den dritten Teil des Pensums einer Vollzeitkraft unterrichtet, insgesamt eine hauptberufliche Tätigkeit ausübt und nicht i.S. des § 3 Nr. 26 EStG drei nebenberufliche Tätigkeiten (a.A. z.B. Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 3 Rdnr. 143). Ist jedoch eine der gleichartigen Tätigkeiten für sich allein betrachtet schon ein Vollzeiterwerb, so kann jede weitere Tätigkeit - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - i.S. des § 3 Nr. 26 EStG nebenberuflich sein.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Steuerpflichtige auch bei Einnahmen aus mehreren nebenberuflichen Tätigkeiten i.S. des § 3 Nr. 26 EStG die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbegünstigung nur einmal pro Jahr bis zur Höhe von insgesamt 2 400 DM erhalten kann (BFH-Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 21/86, BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890).

4. Unterliegt eine denselben Auftraggeber betreffende Tätigkeit zeitlichen Schwankungen, so ist für die Prüfung, ob eine Nebentätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG vorliegt, der auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum bzw. - wenn dieser kürzer ist - der auf die jeweilige Vertragsdauer bezogene Durchschnittswert zugrunde zu legen.

5. Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu trifft, welchem Bruchteil der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft die von der Klägerin bei ihren Tätigkeiten eingesetzte Arbeitszeit entspricht.