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  BFH-Urteil vom 24.7.1990 (VII R 62/89) BStBl. 1990 II S. 946

Im Verwaltungszwangsverfahren kann die Pfändung eines Steuererstattungsanspruchs durch den zuständigen Beamten bereits vor der Entstehung des Anspruchs (Ablauf des Veranlagungszeitraums oder Ausgleichsjahres) - einschließlich der Schlußzeichnung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung - vorbereitet werden.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wird erst zu dem Zeitpunkt erlassen (erwirkt), in dem die Verfügung den internen Bereich der Vollstreckungsbehörde verlassen hat, in dem sie zum Zwecke der Zustellung an den Drittschuldner (FA), der Post oder dem Zustellungsdienst der Behörde übergeben worden ist.

AO 1977 §§ 46 Abs. 6, 309 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Kreditinstitut, ließ sich zur Sicherung von Darlehnsforderungen von ihren Darlehnsnehmern, den Eheleuten K., deren Steuererstattungsansprüche aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich (LStJA) 1986 abtreten. Die Abtretungsanzeige ging am 27. Januar 1987 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ein. Das FA zahlte von dem Erstattungsbetrag lediglich einen Teilbetrag an die Klägerin aus. Der Restbetrag wurde in Höhe von 477,74 DM aufgrund einer Pfändungsverfügung vom 1. Januar 1987 - beim FA eingegangen am 2. Januar 1987 - an das Fernmeldeamt U ausgezahlt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Pfändungsverfügung des Fernmeldeamtes vom 1. Januar 1987 sei im Hinblick auf den arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag vordatiert worden und deshalb gem. § 46 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO 1977) unwirksam. Das FA wies ihre Einwendungen gegen die Wirksamkeit dieser Pfändung durch einen Abrechnungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung zurück.

Die Klage der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Die Pfändung verstoße nicht gegen § 46 Abs. 6 AO 1977. Nach der Auskunft des Fernmeldeamtes auf die Anfrage des FA hinsichtlich des Datums der Unterzeichnung der Pfändungsverfügung spreche zwar einiges dafür, daß diese vordatiert worden sei. Das sei aber für die Frage, ob die Pfändungsverfügung bereits erlassen wurde, bevor der Anspruch entstanden war, bedeutungslos. Der Zeitpunkt des Erlasses einer Pfändungsverfügung i.S. des § 46 Abs. 6 AO 1977 sei nicht der Moment, in dem die Verfügung unterzeichnet werde, sondern der Zeitpunkt, in dem sich die verfügende Behörde der Verfügung entäußere. Da im Streitfall die Entäußerung der Pfändungsverfügung, d.h. die Übergabe der Verfügung aus dem Bereich der Vollstreckungsbehörde des Fernmeldeamts U an das FA unstreitig am 2. Januar 1987 erfolgt sei, gelte die Pfändungsverfügung am 2. Januar 1987 - und damit nach Entstehung des Erstattungsanspruchs - als erlassen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, eine behördliche Pfändungsverfügung sei erlassen mit dem Datum der Schlußzeichnung durch den zuständigen Amtsträger.

Da die streitbefangene Pfändungsverfügung das Datum des dienstfreien Feiertages vom 1. Januar 1987 trage, müsse sie vordatiert worden sein, was nach § 46 Abs. 6 AO 1977 unzulässig sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin aufgrund der Abtretung des Steuererstattungsanspruchs der Eheleute K. - über den an sie bereits ausgezahlten Betrag hinaus - kein weiterer Erstattungsbetrag mehr zusteht. Gegenüber der vorrangigen Pfändung des Erstattungsanspruchs in Höhe von 477,74 DM zugunsten des Fernmeldeamtes U konnte die Abtretung, die steuerrechtlich erst mit dem Eingang der Abtretungsanzeige beim FA am 27. Januar 1987 bewirkt worden war (§ 46 Abs. 2 AO 1977), keine Wirksamkeit entfalten (vgl. § 804 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO - und Urteile des Senats vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751, und vom 6. Februar 1990 VII R 97/88, BFHE 160, 197). Das FA hat zutreffend die Pfändungs- und zugleich Einziehungsverfügung des Fernmeldeamtes U, die der Abtretung an die Klägerin zeitlich vorausging, als wirksam angesehen. Sie ist dem Verbot des § 46 Abs. 6 AO 1977 entsprechend nicht erlassen worden, bevor der Steuererstattungsanspruch entstanden war. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist jedenfalls für den Bereich der Abtretung und Pfändung von Einkommensteuer- und Lohnsteuererstattungsansprüchen (§ 46 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 AO 1977 i.V.m. §§ 36 Abs. 4 Satz 2, 42 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes) davon auszugehen, daß diese mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums bzw. Ausgleichsjahres entstehen (Urteil vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, mit weiteren Nachweisen). Der Anspruch aus dem LStJA 1986 der Eheleute K. ist folglich mit Ablauf des Jahres 1986 entstanden. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Fernmeldeamtes ist aber - wie das FG im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat - erst nach der Entstehung dieses Anspruchs erlassen worden.

2. a) Nach § 46 Abs. 6 Satz 1 AO 1977 in der bis zum 28. August 1980 geltenden Fassung war "eine Pfändung erst zulässig, wenn der Anspruch entstanden ist". Diese Formulierung führte in Rechtsprechung und Schrifttum zu unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob eine vor der Entstehung des Anspruchs durchgeführte Pfändung wirkungslos sei und bleibe oder ob sie nur anfechtbar sei und durch das spätere Entstehen des Anspruchs geheilt werde. Gestritten wurde auch darüber, ob ein Pfändungsbeschluß, der bereits im Ausgleichsjahr ergangen und dem Gläubiger ausgehändigt worden war, wirksam werden könne, wenn er dem Drittschuldner erst nach der Entstehung des Erstattungsanspruchs zugestellt würde (vgl. zur alten Rechtslage: Tiedtke, Die Pfändung von Lohnsteuererstattungsansprüchen, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 1640 ff.; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 46 Anm. 9; Schwarz, Abgabenordnung, § 46 Anm. 7, 7a m.w.N.). Diese Rechtsunsicherheit ist durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I, 1545; in Kraft ab 29. August 1980) wenigstens teilweise beseitigt worden. Nach der Neufassung des § 46 Abs. 6 AO 1977 dürfen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß oder eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist (Satz 1). Entgegen diesem Verbot erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse oder Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind nichtig (Satz 2). Dadurch wird klargestellt, daß nunmehr eine vor der Entstehung des Erstattungsanspruchs ausgebrachte Pfändung (unheilbar) nichtig ist und daß es hierfür auf den Zeitpunkt des "Erlasses" des Beschlusses bzw. der Pfändungsverfügung ankommt (Höllig, Der Betrieb - DB - 1980, 1764).

b) Eine Pfändung ist "bewirkt", wenn der Pfändungsbeschluß bzw. die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist (§§ 829 Abs. 3 ZPO, 309 Abs. 2 AO 1977). Der Zeitpunkt der Zustellung an den Drittschuldner kann aber nicht als der nach § 46 Abs. 6 AO 1977 maßgebliche Zeitpunkt des Pfändungsaktes angesehen werden. Das folgt bereits daraus, daß nach Satz 2 dieser Vorschrift Pfändungsbeschlüsse und Pfändungsverfügungen, die vor der Entstehung des Anspruchs "erwirkt" worden sind, nichtig sind. Der Gesetzgeber verwendet damit in § 46 Abs. 6 Satz 2 AO 1977 eine andere Formulierung als den gängigen Rechtsbegriff ("bewirkt"), der nach den §§ 309 Abs. 2 AO 1977 und 829 Abs. 3 ZPO den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Pfändung bestimmt. Durch die Gesetzesänderung sollte ferner die Rechtsunsicherheit, ob Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die vor Entstehung der Erstattungsansprüche erlassen werden, nichtig oder nur anfechtbar und damit heilbar sind, beendet werden. Würde man nur diejenigen Beschlüsse und Verfügungen als nichtig ansehen, die vor Entstehung des Erstattungsanspruchs erlassen und zugestellt werden, so wäre der Fall, daß ein Beschluß vor Entstehung des Erstattungsanspruchs erwirkt, aber erst nach Entstehung zugestellt wird, gesetzlich nicht geregelt. Dieses Ergebnis kann nicht gewollt sein (siehe Halaczinsky, Wirksamkeit von Pfändung und Abtretung im Steuerrecht, Betriebs-Berater - BB - 1981, 1270, 1271). Ein verfrüht erlassener Pfändungsbeschluß (Pfändungsverfügung) wird damit nach der jetzigen Rechtslage nicht dadurch wirksam, daß er erst nach der Entstehung des Anspruchs zugestellt wird (Offerhaus, a.a.O., § 46 Anm. 10; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 46 AO 1977 Tz. 2; Halaczinsky, BB 1981, 1271; Buciek, Die Vorpfändung von Steuererstattungsansprüchen, DB 1985, 1428; ebenso für die frühere Rechtslage Tiedtke, NJW 1979, 1640, 1644; a.A. Börsch, Die Pfändung des Erstattungsanspruchs aus dem Lohnsteuerjahresausgleich für das Kalenderjahr 1980, Finanz-Rundschau - FR - 1981, 241, 242, und Schwarz, a.a.O., § 46 Anm. 7).

c) Die Begriffe "erlassen" und "erwirken" in § 46 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AO 1977 beziehen sich auf die Herstellung bzw. Entstehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der Pfändungs- und Einziehungsverfügung (vgl. Schwarz, a.a.O., § 46 Anm. 7). Diese ist nicht - wie die Klägerin meint - bereits mit der Schlußzeichnung durch den zuständigen Amtsträger abgeschlossen mit der Rechtsfolge, daß eine vor Ablauf des Veranlagungszeitraums bzw. des Ausgleichsjahres unterzeichnete Pfändungsverfügung (Pfändungsbeschluß) stets nichtig wäre (ebenso Börsch, FR 1981, 242). Unter dem Erlaß eines (Pfändungs-)Beschlusses versteht die zivilprozessuale Literatur dessen Entstehung (Existentwerden). Dies ist der Fall, wenn er aus dem inneren Bereich des Gerichts herausgelangt ist, das Gericht sich also des Beschlusses entäußert hat. Der Pfändungsbeschluß ist somit in diesem Sinne erst dann erlassen (erwirkt, vollzogen), wenn er - nach der abschließenden Zeichnung durch den Richter bzw. Rechtspfleger - aus dem internen Geschäftsgang des Gerichts zum Zwecke der Beförderung weggegeben worden ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 329 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 329 Anm. 4 A, § 829 Anm. 3 A; Halaczinsky, BB 1981, 1271; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 46 Anm. 8a). Zum Erlaß (Entstehen) des Pfändungsbeschlusses gehört dagegen nicht mehr dessen Zugang beim Gläubiger oder gar die durch diesen im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher zu bewirkende Zustellung an den Drittschuldner (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 829 Anm. 3 A und B). Damit ist ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nach § 46 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AO 1977 nur dann nichtig, wenn er vor der Entstehung des Anspruchs (Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres) nicht nur unterzeichnet, sondern auch bereits zum Zwecke der Beförderung der Post oder dem Gerichtswachtmeister übergeben worden ist.

d) Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für den nach § 46 Abs. 6 AO 1977 maßgebenden Zeitpunkt des Erlassens (Erwirkens) einer behördlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren richtet sich nach den Vollstreckungsgesetzen des Bundes bzw. der Länder. Im Streitfall findet für die Vollstreckung durch eine Dienststelle der Deutschen Bundespost (Fernmeldeamt) das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes Anwendung, das in § 5 Abs. 1 auf die Vollstreckungsvorschriften der AO 1977 verweist. Auch hier kann nicht auf den Zeitpunkt der Schlußzeichnung der Verfügung durch den zuständigen Amtsträger abgestellt werden. Da die Pfändungsverfügung mit ihrer abschließenden Zeichnung noch nicht den internen Geschäftsbereich der Vollstreckungsbehörde verlassen hat, darf die Schlußzeichnung bereits vorgenommen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Im Verwaltungszwangsverfahren kann somit die Pfändung eines Lohnsteuererstattungsanspruchs durch den zuständigen Beamten bereits vor Ablauf des Ausgleichsjahres vorbereitet werden. Dabei ist auch eine Vordatierung der Pfändungsverfügung - wie sie im Streitfall von der Klägerin behauptet und vom FG für möglich gehalten wird - für sich allein grundsätzlich nicht schädlich. Für die Wirksamkeit der Pfändung nach § 46 Abs. 6 Sätze 1 und 2 AO 1977 kommt es allein darauf an, ob sich die Vollstreckungsbehörde vor oder nach der Entstehung des Anspruchs der Pfändungsverfügung entäußert hat. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wird demnach zu dem Zeitpunkt erlassen (erwirkt), in dem die Verfügung den internen Bereich der Vollstreckungsbehörde endgültig verlassen hat, indem sie zum Zwecke der Zustellung an den Drittschuldner - FA - (§ 309 Abs. 2 AO 1977), die hier von Amts wegen nach den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vorzunehmen ist, der Post oder dem zustellenden Bediensteten der Behörde übergeben worden ist (vgl. §§ 2 bis 6 VwZG).

3. a) Das FG ist ebenfalls davon ausgegangen, daß die streitige Pfändungsverfügung in dem Zeitpunkt erlassen worden ist, in dem sich das Fernmeldeamt U dieser Verfügung entäußert hat. Es hat den Erlaß der Pfändungsverfügung für den 2. Januar 1987 angenommen, weil zu diesem Zeitpunkt die Übergabe der Verfügung aus dem Bereich der Vollstreckungsbehörde an das FA (Drittschuldner) erfolgt sei. Soweit das FG damit auf den Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner abgestellt haben sollte, könnte dem nach den vorstehenden Ausführungen des Senats nicht gefolgt werden, weil zu diesem Zeitpunkt zwar die Pfändung bewirkt ist (§ 309 Abs. 2 AO 1977), der Erlaß der Pfändungsverfügung aber nicht von dieser Zustellung abhängt.

Aus dem von der Vorentscheidung in Bezug genommenen Schreiben des Fernmeldeamtes U vom 7. September 1987 ergibt sich jedoch, daß das Fernmeldeamt als Vollstreckungsbehörde seine Pfändungsverfügungen jeweils am 2. Januar eines Jahres um 7 Uhr durch eigene Bedienstete dem FA zustellen ließ (vgl. §§ 5, 6 VwZG). Diese Zustellungspraxis des Fernmeldeamtes U als Vollstreckungsbehörde geht ferner bereits aus dem vom FG zitierten, den Beteiligten bekannten Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 12. September 1985 4 S 176/85 für die Pfändung von Lohnsteuererstattungsansprüchen des Ausgleichsjahres 1982 (damals Zustellung am 3. Januar 1983) hervor. Das Landgericht Lüneburg, auf das sich die Vorentscheidung in ihrer Begründung bezieht, hat dort ausgeführt, daß selbst dann, wenn das Fernmeldeamt die Pfändungsverfügung seinem Vollstreckungsbeamten zwecks Zustellung an das FA (Drittschuldner) bereits im Jahre 1982 ausgehändigt haben sollte, es sich damit der Pfändungsverfügung noch nicht im Jahre 1982 entäußert habe, weil diese das Datum des 3. Januar 1983 trage und damit kundgemacht worden sei, daß die Entäußerung - und damit der Erlaß - erst im Jahre 1983 stattfinden solle.

Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat für den Streitfall - Zustellung der Pfändungsverfügung mit Datum 1. Januar 1987 über die LStJA-Forderung 1986 am 2. Januar 1987 - an. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat das Fernmeldeamt durch organisatorische Maßnahmen offensichtlich sichergestellt, daß seine Lohnsteuererstattungsansprüche betreffenden Pfändungsverfügungen erst nach Ablauf des Ausgleichsjahres - und zwar am frühen Morgen des ersten Arbeitstages des Folgejahres - den inneren Geschäftsbereich der Vollstreckungsbehörde zum Zwecke der Zustellung an das FA verließen. Das kann in der Weise geschehen sein, daß die vom zuständigen Amtsträger bereits während des Ausgleichsjahres vorbereiteten, abschließend gezeichneten und ggf. auf den Beginn des Folgejahres vordatierten Pfändungsverfügungen den mit der Zustellung beauftragten Bediensteten des Fernmeldeamtes erst am Morgen des 2. (bzw. 3.) Januar des Folgejahres zur Zustellung übergeben worden sind. Ein nach § 46 Abs. 6 AO 1977 zulässiger Erlaß der Pfändungs- und Einziehungsverfügung erst nach Entstehung des Lohnsteuererstattungsanspruchs liegt aber - wie das Landgericht Lüneburg zu Recht ausgeführt hat - auch dann vor, wenn die vorbereitete Pfändungsverfügung noch im Ausgleichsjahr dem zustellenden Bediensteten übergeben worden ist, durch interne Anweisungen an diesen aber gewährleistet war, daß die Zustellung an das FA nicht vor dem in der Pfändungsverfügung angegebenen Datum (1. Januar oder erster Werktag des Folgejahres) erfolgen würde. Die Vollstreckungsbehörde (Fernmeldeamt) hätte sich auch in diesem Falle der Pfändungsverfügung nicht entäußert, bevor der gepfändete Anspruch entstanden war. Da die Zustellung vor der Entstehung des Anspruchs ausgeschlossen war, befand sich die Pfändungsverfügung bis zu diesem Zeitpunkt noch innerhalb ihres Einflußbereichs. Sie konnte vor Ablauf des Ausgleichsjahres die ihrem Vollstreckungsbeamten zur Zustellung übergebene Pfändungsverfügung jederzeit zurückverlangen, ändern oder von ihr keinen Gebrauch machen. Da bei beiden möglichen Sachverhaltsgestaltungen die Pfändungsverfügung des Fernmeldeamtes U nicht vor der Entstehung des Erstattungsanspruchs erlassen und deshalb nach § 46 Abs. 6 AO 1977 wirksam ist, bedarf es im Streitfall keiner Feststellung über den genauen Zeitpunkt der Übergabe der Pfändungsverfügung an den mit der Zustellung beauftragten Bediensteten.

b) Der Senat verkennt nicht, daß die von ihm vertretene Gesetzesauslegung die Behörden, die wegen ihrer Ansprüche selbst das Verwaltungszwangsverfahren betreiben können, aufgrund ihrer Organisations- und Gestaltungsmöglichkeiten über den Zeitpunkt des Erlasses der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber den sonstigen Gläubigern, die für die Pfändung steuerlicher Erstattungsansprüche die Hilfe der Vollstreckungsgerichte in Anspruch nehmen müssen, begünstigen kann. Dieses Ergebnis muß aber hingenommen werden. Es ist Ausfluß des vom Gesetzgeber generell in Kauf genommenen Prinzips, daß die selbst vollstreckende Behörde ihre Rechte als Vollstreckungsgläubiger in vielen Fällen schneller und effektiver durchsetzen kann als ein privater Gläubiger.