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BFH-Urteil vom 18.7.1990 (I R 98/87) BStBl. 1990 II S. 1073

Die Verwaltung eingezahlter Teile des Stammkapitals, worunter insbesondere dessen verzinsliche Anlage zu verstehen ist, löst die Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft noch nicht aus (Bestätigung von Abschn. 21 Abs. 2 Satz 7 GewStR 1984).

GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 3 Nr. 2a; GewStDV § 23; GmbHG § 11 Abs. 1, § 43 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1987, 576)

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 4. Juli 1984 mit einem Stammkapital von 25 Mio DM errichtet und am 29. August 1984 in das Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin wurde ausschließlich zu dem Zweck gegründet, eine Beteiligung in Höhe von 50 v.H. am Kapital einer inländischen GmbH zu einem Kaufpreis von 24,5 Mio DM zu erwerben. Dieser Erwerb erfolgte mit notariellem Vertrag vom 1. August 1984. Am gleichen Tag wurde auch der Kaufpreis in Höhe von 24,5 Mio DM bezahlt.

Zuvor, am 23. Juli 1984, war das sofort in bar fällige Stammkapital in Höhe von 25 Mio DM einem für die Klägerin eingerichteten Bankkonto gutgeschrieben worden. Für die Zeit bis zum 1. August 1984 - dem Tag der Bezahlung des Kaufpreises für die GmbH-Anteile - wurde der (bis dahin ungeschmälert auf dem Konto belassene) Betrag banküblich mit 4,5 v.H. verzinst.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ging davon aus, daß die Klägerin ab 23. Juli 1984, dem Tag der Gutschrift der 25 Mio DM auf dem Bankkonto der Klägerin, gewerbesteuerpflichtig sei. Dementsprechend setzte das FA die Gewerbesteuervorauszahlungen 1984 mit Bescheid vom 30. Oktober 1984 wie folgt fest:

                                                                                                   DM

                                                                                                    ----

Gewerbekapital                                                                  25.000.000

abzüglich Freibetrag nach § 13 Abs. 1

des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)                                    120.000

                                                                                          --------------

verbleibender Betrag                                                           24.880.000

Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital                               49.760

Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag                                        0

einheitlicher Gewerbesteuermeßbetrag                                       49.760

Umrechnung auf sechs Monate                                                 24.880

Gewerbesteuer (Hebesatz: 395 v.H.)                                          98.276.

Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Gewerbesteuervorauszahlungen entsprechend dem Antrag der Klägerin auf 1.248 DM herab.

Dem klägerischen Antrag lag die Auffassung zugrunde, daß die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin erst am 1. August 1984 begann und ihr Gewerbekapital zu diesem Zeitpunkt gemäß § 12 Abs. 3 GewStG um den Wert der Beteiligung zu kürzen sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 576 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung der §§ 6, 12, 13 Abs. 4, 35c Nr. 1 b GewStG, § 23 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 30. März 1989 den Jahresbescheid für das Streitjahr über den Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer erlassen. Es hat darin den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf 24.880 DM und die Gewerbesteuer auf 98.276 DM festgesetzt. Die Klägerin hat diesen Bescheid in das Revisionsverfahren übergeleitet.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Hamburg vom 29. April 1987 II 19/85 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Abänderung des Bescheids vom 30. März 1989 über den Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer 1984 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf 316 DM und die Gewerbesteuer auf 1.248 DM herabzusetzen.

Entscheidungsgründe

Der mit Bescheid vom 30. März 1989 festgesetzte Gewerbesteuermeßbetrag und die mit gleichem Bescheid festgesetzte Gewerbesteuer sind entsprechend dem Begehren der Klägerin auf 316 DM bzw. 1.248 DM herabzusetzen. Soweit die vom FA festgesetzten Beträge darüber hinausgehen, sind die Festsetzungen rechtswidrig.

Der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag beruht hinsichtlich des Gewerbekapitals auf dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs i.S. des Bewertungsgesetzes - BewG - (§ 12 Abs. 1 GewStG); dieser ist Ausgangsbetrag für die Ermittlung des Gewerbekapitals.

Nach § 23 GewStDV ist beim Eintritt eines Gewerbebetriebs in die Steuerpflicht das Gewerbekapital für den ersten Erhebungszeitraum auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht nach den Grundsätzen des § 12 GewStG und des BewG zu ermitteln. Da das Gewerbekapital zwingende Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist (§ 6 GewStG), führt § 23 GewStDV - wie der Senat in seinen Urteilen in BFHE 102, 285, BStBl II 1971, 594 und vom 12. April 1972 I R 190/69 (BFHE 105, 239, BStBl II 1972, 552) erkannt hat - lediglich einen Gesetzesbefehl aus für den Fall, daß wegen Eintritts in die Steuerpflicht ein Einheitswert des Betriebsvermögens für Zwecke der Einheitsbewertung nicht festgestellt wird, und hält sich somit im Rahmen der Ermächtigung des § 35c Nr. 1 Buchst. b GewStG. Das FG ist in seiner Entscheidung von dieser Rechtsauffassung abgewichen. Der erkennende Senat sieht davon ab, auf die abweichende Meinung des FG einzugehen, weil sich das Klagebegehren aus anderen Gründen als begründet erweist (vgl. § 126 Abs. 4 FGO).

a) Im Gegensatz zur Auffassung des FA beginnt die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin nicht bereits am 23. Juli 1984, dem Tag der Gutschrift des Stammkapitals auf dem für sie geführten Bankkonto, sondern frühestens am 1. August 1984, dem Tag des Erwerbs der Beteiligung an der inländischen GmbH.

aa) Obwohl eine GmbH "als solche" erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), unterliegt bereits die Vorgesellschaft, d.h. die Kapitalgesellschaft nach Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages, aber vor Eintragung (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91), der Gewerbesteuer, vorausgesetzt, daß die Eintragung in das Handelsregister nachfolgt und die Vorgesellschaft eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen hat (so BFH-Urteile vom 8. April 1960 III 129/57 U, BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319, und vom 16. Februar 1977 I R 244/74, BFHE 122, 130, BStBl II 1977, 561).

bb) Weder in der Einzahlung des Stammkapitals durch die Gründer auf ein für die Klägerin eingerichtetes Bankkonto (vgl. BFH in BFHE 71, 190) noch in der verzinslichen Anlage des Stammkapitals bis zur Eintragung der Klägerin ins Handelsregister ist eine geschäftliche Tätigkeit im vorgenannten Sinne zu erblicken.

Eine Tätigkeit ist als geschäftlich anzusehen, wenn der Steuerpflichtige ihr nachhaltig, mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nachgeht. Es fehlt an einer solchen Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wenn Kapital verzinslich angelegt wird und diese Geldanlage nicht Teil einer anderen geschäftlichen Tätigkeit ist.

Die Unterhaltung verzinslicher Bankguthaben kann im Streitfall nicht als Teil einer anderen geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin angesehen werden, denn diese wurde nach den bindenden Feststellungen des FG ausschließlich zu dem Zweck gegründet, eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft zu erwerben. Daneben ist keine weitere Tätigkeit der Klägerin festgestellt.

Mit der verzinslichen Anlage des Stammkapitals der einzutragenden Kapitalgesellschaft richtet sich die Vorgesellschaft nicht an die Allgemeinheit. Für außerhalb der Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und der Vorgesellschaft stehende Dritte wird deren Wille nicht erkennbar, sich an einen - wenn auch begrenzten - Kreis von allgemeinen Interessenten zu wenden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851 m.w.N.). Die Verwaltung eingezahlter Teile des Stammkapitals, worunter insbesondere dessen verzinsliche Anlage zu verstehen ist, löst deshalb die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft noch nicht aus (so zutreffend Abschn. 21 Abs. 2 Satz 7 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1984).

cc) Das vorstehend begründete Ergebnis wird durch folgende Überlegung bestätigt: Bloße Vorbereitungshandlungen vermögen die Gewerbesteuerpflicht bei Einzelgewerbetreibenden wie bei Personengesellschaften noch nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. November 1957 I 325/56 U, BFHE 65, 559, BStBl III 1957, 448, und vom 26. März 1985 VIII R 260/81, BFHE 143, 368, BStBl II 1985, 433). Als bloße Vorbereitungshandlung ist bei Gewerbebetrieben kraft Rechtsnorm gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG der Gründungsvorgang anzusehen. Dazu gehört bei einer Bargründung einer Kapitalgesellschaft die Einzahlung des Stammkapitals, die in bar oder - wie im Streitfall - durch Gutschrift auf ein Konto der Vorgesellschaft erfolgen kann (vgl. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 15. Aufl. 1988, § 7 Rdnr. 5). Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG) gebietet es, dieses Kapital unverzüglich verzinslich anzulegen. Die Verzinsung des Kapitals steht somit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft. Dies rechtfertigt es ebenfalls, nicht allein deswegen die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft kraft Rechtsform vorzeitig beginnen zu lassen.

dd) Der Senat weicht damit nicht von seinem Urteil vom 13. Dezember 1960 I 245/60 U (BFHE 72, 177, BStBl III 1961, 66) ab, weil es dort um die Verwaltung eingezahlten Kapitals nach Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister ging.

b) Das nach den Grundsätzen des § 23 GewStDV auf den Beginn der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin anzusetzende Gewerbekapital beträgt 500.000 DM. Dies ergibt sich aus folgendem:

aa) Der Wert der zum Kaufpreis von 24,5 Mio DM erworbenen Anteile an der inländischen GmbH, die gemäß § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG dem Betriebsvermögen der Klägerin zuzurechnen sind, wird durch eine Kürzung gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 a GewStG in voller Höhe neutralisiert. Die Regelung des § 23 GewStDV führt dazu, daß sowohl für den Bestand des Betriebsvermögens als auch hinsichtlich der Kürzung auf den Hilfszeitpunkt jener Vorschrift abzuheben ist. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 a GewStG wird die Summe des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs und der Hinzurechnungen um den "Wert (Teilwert)" einer zum Gewerbekapital gehörenden Beteiligung an einer nicht steuerbefreiten Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG gekürzt, wenn die Beteiligung mindestens 1/10 des Stammkapitals beträgt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall dem Grunde nach erfüllt. Mit der Wendung "Wert (Teilwert)" bringt die Vorschrift zum Ausdruck, daß die Kürzung mit dem nämlichen Wert vorzunehmen ist, wie die Beteiligung beim Bestand des gewerblichen Betriebsvermögens bewertet wurde.

bb) Es kann dahinstehen, ob der Klägerin im Zeitpunkt des Beginns ihrer Gewerbesteuerpflicht noch das volle Guthaben in Höhe von 25 Mio DM bei der Bank zustand, das als Forderung zu den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens zählt (§ 12 Abs. 1, § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1, § 109 Abs. 4 BewG), oder ob dieses Guthaben bereits in diesem Zeitpunkt durch die Zahlung des Kaufpreises für den Beteiligungserwerb gemindert war. In ersterem Teil würde dieser Besitzposten durch eine Betriebsschuld in Höhe von 24,5 Mio DM gemindert (§ 12 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 1, § 103 BewG). Denn nach dem der Geschäftsanteilsübertragung zugrunde liegenden notariellen Vertrag, dessen Inhalt durch Bezugnahme des FG festgestellt ist, war die Klägerin Zug um Zug gegen die Übertragung des Geschäftsanteils zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.