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  BFH-Urteil vom 7.8.1990 (IX R 114/89) BStBl. 1991 II S. 119

Verpflichtet das Gesetz eine Person zur Abgabe einer Feststellungserklärung, kann das FA von dieser Person die Abgabe der Steuererklärung verlangen, und zwar unabhängig davon, ob auch andere Personen zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein könnten.

AO 1977 § 180 Abs. 2.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Treuhänderin beim Erwerb von Eigentumswohnungen im sog. Erwerbermodell tätig.

Die Kaufinteressenten für das Objekt A erteilten ihr jeweils einen Treuhandauftrag einschließlich Vollmacht für den Erwerb von Wohnungseigentum sowie für den Abschluß von Verträgen über die Finanzierung, die Vermietung und die wirtschaftliche Betreuung dieses Wohnungseigentums.

Nach Bekanntwerden dieses Sachverhalts forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Klägerin durch Verfügung vom 12. Juli 1985 zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf.

Die Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Aufforderung des FA vom 12. Juli 1985 und die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 17. November 1987 auf.

Der Verwaltungsakt des FA sei ermessensfehlerhaft. Entgegen der Auffassung des FA, daß es ohne weiteres jeden der Beteiligten - abgesehen von Rechtsmißbrauchsfällen - zur Abgabe der Erklärung auffordern könne, der erklärungspflichtig sei, müsse das FA die Ausübung seines Auswahlermessens in ausreichender Weise darstellen und begründen. Daran fehle es.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung begehrt.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens können Besteuerungsgrundlagen gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden (§ 180 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

Wie der Senat mit Urteil vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) ausgeführt hat, ist die Neufassung des § 180 Abs. 2 AO 1977 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 i.V.m. der dazu ergangenen Verordnung vom 19. Dezember 1986 (BStBl I 1987, 2, nachfolgend kurz: VO) in anhängigen gerichtlichen Verfahren auch für solche Feststellungszeiträume anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung liegen. § 3 dieser VO bestimmt, wer nach Aufforderung durch die Finanzbehörde zur Abgabe einer Erklärung zur gesonderten Feststellung durch die Finanzbehörden verpflichtet ist. Zu diesem Personenkreis gehören auch Treuhandunternehmen. Sie sind nach der gesetzlichen Neuregelung verpflichtet, Feststellungserklärungen für die von ihnen betreuten Ersterwerbergemeinschaften für diese Feststellungszeiträume abzugeben.

Die Vorinstanz ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, bei der Aufforderung zur Abgabe von Feststellungserklärungen an eine der in § 3 VO aufgeführten Personen - im Streitfall ein Treuhandunternehmen - sei es erforderlich, daß die Finanzbehörde ein Auswahlermessen ausübe, sofern neben der aufgeforderten Person noch eine andere oder mehrere andere Personen zum Kreis der erklärungspflichtigen Personen gehören.

Erlegt das Gesetz einer Person eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung auf, kann das FA von dieser Person die Abgabe der Steuererklärung verlangen, und zwar unabhängig davon, ob auch eine andere Person oder mehrere andere Personen aufgrund derselben oder anderer Vorschriften ebenfalls zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein könnten. Das Gesetz enthält nicht die Einschränkung hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe von Feststellungserklärungen wie sie das FG angenommen hat. Es besteht insoweit grundsätzlich keine Pflicht, ein Auswahlermessen auszuüben. Die Finanzbehörden können grundsätzlich jede der in § 3 VO genannten Personen zur Erklärungsabgabe auffordern.

Die FÄ sind gesetzlich verpflichtet, die Sachverhalte auf ihre steuerliche Bedeutsamkeit zu untersuchen. Diesem Ziel dienen u.a. die Möglichkeit der Finanzbehörde zur Abgabe von Feststellungserklärungen aufzufordern und die sich hieraus ergebenden Erklärungspflichten.

Der Finanzbehörde sollen damit u.a. die Tatsachen zugänglich gemacht werden, deren Würdigung erst die Entscheidung ermöglicht, ob es zweckmäßig ist, ein Verfahren der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durchzuführen oder nicht. Hierauf hat die OFD zutreffend hingewiesen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhof vom 16. April 1985 IX R 178/83, BFH/NV 1986, 10, 11). Der Ausübung eines Auswahlermessens bedarf es insoweit nicht.

Selbst wenn man in der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung bereits die Ausübung des Ermessens, ein Feststellungsverfahren durchzuführen, erblicken würde, besteht jedenfalls bei Verlustzuweisungsgesellschaften keine Verpflichtung des FA, im einzelnen darzulegen und zu begründen, warum es unter mehreren erklärungspflichtigen Personen die aufgeforderte Person ausgewählt hat. Im Hinblick auf die bei diesen Gesellschaften regelmäßig nicht ohne weiteres durchschaubaren Verhältnisse, reicht bereits der Umstand, daß eine Person i.S. des § 3 Abs. 1 VO in die Vorbereitung und die nachfolgende Abwicklung des Verlustzuweisungsgeschäfts eingeschaltet ist, allein schon aus, diese Person zur Abgabe von Feststellungserklärungen aufzufordern.

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Der Senat vermag in der Sache selbst nicht zu entscheiden; denn das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Klägerin zum Kreis der erklärungspflichtigen Personen i.S. des § 180 Abs. 2 AO 1977 i.V.m. § 3 VO gehört.