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  BFH-Urteil vom 24.10.1990 (X R 43/89) BStBl. 1991 II S. 175

Die Verpflichtung zu wiederkehrenden Erbbauzinsen begründet keine dauernde Last.

EStG 1987 § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1, § 10e.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Mit Kaufvertrag vom 29. Oktober 1979 erwarben sie ein Erbbaurecht in der Weise, daß sie in einen zwischen dem Verkäufer des Erbbaurechts und dem Grundstückseigentümer mit einer Dauer bis zum 31. Dezember 2.078 abgeschlossenen Erbbaurechtsvertrag eintraten. Aufgrund dieses Vertrages waren sie zur Zahlung u.a. eines vierteljährlich zu entrichtenden Erbbauzinses verpflichtet. Die Kläger errichteten auf dem Erbbaurechtsgrundstück ein Einfamilienhaus, das sie selbst nutzten (Einkünfteermittlung bis 1986 nach § 21a des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Im Streitjahr 1987 zahlten die Kläger Erbbauzinsen in Höhe von 1.798,20 DM, von denen sie in der Einkommensteuererklärung einen Teilbetrag von 1.645,35 DM als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG) geltend machten. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. Mai 1987 (BStBl I 1987, 434) ab; Erbbauzinsen, die auf die Zeit nach Beginn der erstmaligen Eigennutzung i. S. des § 10e EStG entfielen, seien nach Abs. 6 dieser Vorschrift vom Abzug als Sonderausgaben ausgeschlossen.

Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob dem Sonderausgabenabzug bereits § 12 Nr. 1 EStG entgegenstehe und ob § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch § 10e Abs. 6 EStG als das speziellere Gesetz ausgeschlossen sei. Jedenfalls seien die Aufwendungen der Kläger "mangels einheitlich nutzbaren Rechts (Rentenstammrecht)" nicht als Rente zu beurteilen, da die Zahlung der Erbbauzinsen auch weiterhin von der Gegenleistung der Nutzungsüberlassung abhängig sei. Der Erbbauzins sei eine dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG; deren Abzug scheitere an der gebotenen Verrechnung des Wertes von Leistung und Gegenleistung.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides weitere Sonderausgaben in Höhe von 1.645,35 DM zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Erbbauzins als Entgelt für eine Nutzungsüberlassung den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG - als Sonderausgabe abziehbare Rente, Leibrente oder dauernde Last - nicht erfüllt.

1. a) Die steuerrechtliche Behandlung von Erbbauzinsen, die nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, ist streitig. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß Erbbauzinsen die Begriffsmerkmale einer dauernden Last erfüllen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 6. Mai 1943 IV 171/42, RStBl 1943, 531; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Anm. 60, Stichwort "Erbbauzinsen"; Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 Rdnr. D 177; Gerard in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. 72; Blümich/Podehl, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 10 EStG Rdnr. 140; Jansen/Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 9. Aufl. 1986, Rdnr. 28; Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1988, 295, 297). Die Literatur beruft sich z.T. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. November 1961 VI 283/60 U (BFHE 74, 143, BStBl III 1962, 54), das aber insoweit keine abschließende Stellungnahme enthält, da für diesen Streitfall der Abzug als Werbungskosten bejaht wurde. Das FG Münster (Urteil vom 4. April 1989 XII 8.153/88 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 571) hat die Abziehbarkeit mit der Begründung verneint, dem Erbbauzins als Nutzungsentgelt stehe wie bei der Miete und Pacht als verrechnungsfähige Leistung die Nutzungsüberlassung gegenüber. Röhrig (Der Betrieb - DB - 1988, 202) will das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG eingreifen lassen.

b) Unter der Geltung des § 21a EStG wurden Erbbauzinsen wie Schuldzinsen behandelt; sie wurden daher, soweit sie mit der Selbstnutzung des Hauses zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang standen, bis zur Höhe des Grundbetrages als Werbungskosten abgezogen (§ 21a Abs. 3 EStG; vgl. Abschn. 164c Abs. 4 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1984). § 21a EStG war letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden (§ 52 Abs. 21 Satz 1 EStG). Wegen des Wegfalls der Nutzungswertbesteuerung besteht ab dem Veranlagungszeitraum 1987 grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, im Zusammenhang mit der Eigennutzung von Einfamilienhäusern Schuldzinsen als Werbungskosten geltend zu machen (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 10e Anm. 3c aa).

Nach Auffassung des BMF können Erbbauzinsen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung eines nach § 10e EStG begünstigten Objekts entstehen, grundsätzlich wie Sonderausgaben abgezogen werden; indes soll nunmehr § 10e Abs. 6 EStG als Spezialvorschrift die Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch für die Erbbauzinsen ausschließen, die nach Beginn der Eigennutzung entstehen (BMF-Schreiben vom 15. Mai 1987 IV B 1 - S 2.225a - 63/87, BStBl I 1987, 434, dort Abs. 45; vom 6. Mai 1988 IV B 3 - S 2.225a - 6/88 I, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1988, 393; nunmehr auch Abschn. 51 Abs. 2 Satz 8 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990; Abschn. 87 Abs. 2 Satz 8 EStR i. d. F. der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 1990, BStBl I, Sondernummer 1/1990, S. 50; ebenso Stephan, Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3. Aufl. 1989, S. 118; ders. in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 10 Rdnr. 66, § 10e Rdnr. 165; Stuhrmann, DB 1988, 466; a. A. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 10e Anm. 10a).

2. a) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85 (BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779) entschieden, daß § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG wegen der Verwendung des Tatbestandsmerkmals "Aufwendungen" eine wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen voraussetzt. Nach der Entscheidung des Senats vom 12. Juli 1989 X R 11/84 (BFHE 158, 22, BStBl II 1990, 13) liegt eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last nicht vor, wenn wiederkehrende Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sind. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß Leistung und Gegenleistung, die aufgrund eines gegenseitigen Vertrages erbracht werden, lediglich zu einer Vermögensumschichtung und nicht zu einer steuerlich zu berücksichtigenden Minderung der Leistungsfähigkeit führen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluß vom 18. Februar 1988 1 BvR 930/86 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz 1975, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, Rechtspruch 10a) bestätigt, § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG könne unter Berücksichtigung von Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der einkommensteuerrechtlichen Systematik nur in dem Sinne ausgelegt werden, daß der Abzug als Sonderausgabe eine wirtschaftliche Belastung voraussetze; eine solche werde durch die Gegenleistung aufgehoben. Eine Ausnahme vom vorstehend wiedergegebenen Grundsatz der Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung gilt für wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung in vorweggenommener Erbfolge zugesagt werden (BFH-Urteil vom 13. August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709; Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847).

b) Die Entscheidung des Senats in BFHE 158, 22, BStBl II 1990, 13, betraf den Fall, daß die wiederkehrenden Leistungen für die schuldrechtliche Nutzung eines Wohnrechts gezahlt wurden. Auch im Streitfall ist - ungeachtet der zivilrechtlichen Besonderheiten des Erbbaurechts als grundstücksgleichen Rechts - eine dauernde Last zu verneinen.

c) Auf die Frage, ob hier der Sonderausgabenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG ausgeschlossen ist, kommt es daher nicht an.

d) Das FG hat erwogen, ob die Erbbauzinsen als "Rente" i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG abziehbar sein könnten. Es hat dies mit der Überlegung verneint, der Abzug setze begrifflich ein "einheitlich nutzbares Recht (Rentenstammrecht)" voraus (vgl. hierzu Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 22 EStG Anm. 8). Diese Voraussetzung sei im Streitfall deswegen nicht erfüllt, weil die Erbbauzinsen zur Erfüllung des Erbbaurechtsvertrages, nicht des Rentenversprechens gezahlt worden seien; da diese Zahlungen mithin von der Gegenleistung der Nutzungsüberlassung abhängig seien, werde durch den Erbbaurechtsvertrag kein Stammrecht begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. welche steuerrechtliche Begründungsfunktion ein dem Zivilrecht entlehnter Begriff des Rentenstammrechts im vorliegenden Zusammenhang haben könnte. Eine "Leibrente" ist die Erbbauzinsverpflichtung schon deswegen nicht, weil ihre Dauer nicht von der Lebenszeit einer Bezugsperson abhängig ist. Mit dem von ihm verwendeten Begriff des "Rentenstammrechts" hebt das FG auf den zivilrechtlichen Leibrentenbegriff ab, wie er durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts geprägt worden ist (s. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 8. März 1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, 438, BStBl II 1989, 551, unter 4.b aa; Soergel/Welter, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl. 1985, Vor § 759 Rdnr. 2 ff.). Indes verwendet Satz 1 des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG - anders als dessen Satz 2 - nicht den Begriff "Leibrente", sondern - ohne nähere Definition - den Begriff "Rente". Letzterer Begriff, der im Steuerrecht neben der "dauernden Last" bereits in § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Preußischen EStG und als Tatbestand der Einkünfteerzielung in § 12 Abs. 1 jenes Gesetzes verwendet wird (s. Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10 EStG Rdnr. A 77), hat keinen durch das bürgerliche Recht vorgeprägten Inhalt. Soweit dieser Begriff nach seinem möglichen Wortsinn lediglich wiederkehrende Leistungen bezeichnet, unterliegt er als Anwendungsfall des steuerrechtlichen Oberbegriffs "Aufwendungen" der gleichen Einschränkung durch die Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung wie der Begriff "dauernde Last".

3. a) Im Anschluß an die Rechtsprechung des RFH (Urteil vom 10. Oktober 1939 I 38/39, RStBl 1940, 357) hat der BFH entschieden, daß die Verpflichtung aus dem Erbbaurecht als Reallast (§ 9 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -) zu den unter § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) aufgeführten Renten und dauernden Lasten gehöre (BFH-Urteile vom 6. Oktober 1976 I R 238/74, BFHE 120, 540, BStBl II 1977, 217; vom 21. Juni 1979 I R 141/76, BFHE 128, 393, BStBl II 1979, 679; vom 12. September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51; vom 28. Oktober 1987 I R 126/83, BFHE 151, 175, BStBl II 1988, 70). Der erkennende Senat läßt offen, ob er dem folgen könnte. Für die Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ist entscheidend, daß eine "Last" dort nicht vorliegt, wo im Austausch gegen eine Geldleistung eine wie zwischen fremden Dritten vereinbarte Gegenleistung erbracht wird.

b) Der Charakter des Erbbaurechtsverhältnisses als entgeltliches (Dauer-)Nutzungsverhältnis ist auch anderweitig steuerrechtlich von Bedeutung.

Für die Gewinnermittlung ist davon auszugehen, daß mit den Erbbauzinsen laufende Leistungen des Grundstückseigentümers abgegolten werden (z.B. BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398). Das Erbbaurechtsverhältnis ist nach seinem zivilrechtlichen und dadurch bedingten wirtschaftlichen Leistungsinhalt bilanzrechtlich ebenso wie ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis und als schwebendes Geschäft zu werten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413; vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617).

In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ist die Bestellung eines Erbbaurechts eine Dauerleistung gegen Entgelt (Duldungsleistung), wobei Ausdruck des Dauercharakters u.a. die Verpflichtung des Erbbauberechtigten ist, ein Entgelt in Form des Erbbauzinses (§§ 9, 9a ErbbauV) zu entrichten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1988 X R 4/80, BFHE 153, 243, BStBl II 1988, 744).