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  BFH-Urteil vom 22.8.1990 (I R 11/89) BStBl. 1991 II S. 185

Übertragen die Kommanditaktionäre (natürliche Personen) einer KGaA aus Anlaß der Errichtung der Gesellschaft alle Kommanditanteile an einer inländischen GmbH & Co. KG im Wege der Sacheinlage auf die KGaA in der Weise, daß diese alleinige Kommanditistin wird, so findet die Steuerermäßigung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 keine Anwendung.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 3.

Vorinstanz: FG Köln ( EFG 1989, 250)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine durch Vertrag vom 14. Juni 1984 gegründete Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die am 23. November 1984 in das Handelsregister eingetragen wurde. Neben zwei persönlich haftenden Gesellschaftern traten folgende Kommanditaktionäre in die Klägerin ein:

1. A GmbH & Co. KG mit einer auf das Grundkapital übernommenen Beteiligung in Höhe von nominal 14 Mio DM,

2. B GmbH & Co. KG mit einer auf das Grundkapital übernommenen Beteiligung in Höhe von nominal 5,5 Mio DM,

3. C-KG mit einer auf das Grundkapital übernommenen Beteiligung in Höhe von 3 Mio DM,

4. 143 weitere Firmen und Privatleute mit auf das Grundkapital übernommenen Beteiligungen in einer Gesamthöhe von nominal 16,5 Mio DM.

Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten die A GmbH & Co. KG, die B GmbH & Co. KG und die C-KG Sacheinlagen zu erbringen. Sie übertrugen u.a. ihre Kommanditanteile an der X GmbH & Co. KG auf die Klägerin und zwar

die A GmbH & Co. KG ihren Kommanditanteil an der X GmbH & Co. KG im Werte von 5.462.500 DM,

die B GmbH & Co. KG ihren Kommanditanteil an der X GmbH & Co. KG im Werte von 5,5 Mio DM,

die C-KG ihren Kommanditanteil an der X-GmbH & Co. KG im Werte von 3 Mio DM.

Damit wurde die Klägerin alleinige Kommanditistin der X GmbH & Co. KG.

Die Sacheinlagen der o.g. Kommanditaktionäre hatten einen Gesamtwert von 39 Mio DM. Deshalb setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 7. Februar 1985 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) auf 390.000 DM fest. Am 13. Juni 1986 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. In der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 1986 wurde die Gesellschaftsteuer auf 375.200 DM herabgesetzt, weil das FA auf bestimmte (hier nicht weiter interessierende) Sacheinlagen den ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 anwandte.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin den Ansatz des ermäßigten Steuersatzes auch auf die Einlage der o.g. Kommanditanteile an der X GmbH & Co. KG. Diesem Begehren hat das Finanzgericht (FG) entsprochen. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 250 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972.

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter Gesellschaftsrechten zu verstehen ist. Danach ist eine KGaA mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) eine inländische Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nrn. 1 und 2 KVStG 1972). Zu den Gesellschaftsrechten gehören auch Aktien (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972). Sie sind den Kommanditaktionären zuzurechnen (§ 6 Abs. 2 KVStG 1972).

Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin durch Vertrag vom 14. Juni 1984 als KGaA errichtet wurde. Die Gründung wurde mit der Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 41 Abs. 1 Satz 1, § 278 Abs. 3 des Aktiengesetzes - AktG -). Damit erwarben die Kommanditaktionäre der Klägerin Gesellschaftsrechte als Ersterwerber. Dies erfüllt den Besteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972.

2. Beim Erwerb von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 wird die Gesellschaftsteuer vom Wert der Gegenleistung berechnet, wenn eine solche zu bewirken ist (§ 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972). Der Steuersatz beträgt 1 v.H. (§ 9 Abs. 1 KVStG 1972). Er ermäßigt sich um 50 v.H., wenn und soweit auf die inländische Kapitalgesellschaft (hier: auf die Klägerin) als Gegenleistung das gesamte Vermögen, ein Betrieb oder ein Teilbetrieb einer anderen Kapitalgesellschaft übertragen wird (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG 1972). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wurden die Gegenleistungen für den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte von den Gesellschaftern (A GmbH & Co. KG, B GmbH & Co. KG und C-KG) erbracht. Von den Gesellschaftern waren jedoch nur die A GmbH & Co. KG und die B GmbH & Co. KG Kapitalgesellschaften i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Die C-KG war dagegen keine Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 KVStG 1972. Ihre Gegenleistung kann schon aus diesem Grunde die Steuerermäßigung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 nicht auslösen.

b) Nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 muß das gesamte Vermögen, der Betrieb oder ein Teilbetrieb einer anderen Kapitalgesellschaft übertragen werden. Der Senat kann unentschieden lassen, ob diese Gesetzesformulierung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG vom 17. Juli 1969 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - vom 3. Oktober 1969 L 249/25) in Einklang steht. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 im Sinne der möglicherweise weiteren Fassung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie auslegt, so ist zu beachten, daß nur die A GmbH & Co. KG und die B GmbH & Co. KG Kapitalgesellschaften i.S. des § 5 KVStG 1972 waren. Beide Gesellschaften übertrugen jedoch weder ihr jeweils gesamtes Vermögen, einen Betrieb oder einen Teilbetrieb auf die Klägerin. Dies gilt selbst dann, wenn man die Leistungen der A GmbH & Co. KG und der B GmbH & Co. KG wie eine einheitliche beurteilt. An der Übertragung des gesamten Vermögens einer der beiden Gesellschaften fehlt es schon deshalb, weil sowohl die A GmbH & Co. KG als auch die B GmbH & Co. KG nach den Einbringungsvorgängen fortbestanden und weiterhin eigenes Vermögen besaßen. An der Übertragung eines Betriebes auf die Klägerin fehlt es schon deshalb, weil sowohl die A GmbH & Co. KG als auch die B GmbH & Co. KG nur Anteile an verschiedenen Personen- und Kapitalgesellschaften auf die Klägerin übertrugen. Beide Gesellschaften setzten jedoch ihre übrigen betrieblichen Tätigkeiten fort. Da die übertragenen Anteile nicht die einzige Tätigkeit der Gesellschaften verkörperten, schließen die fortgesetzten Tätigkeiten die Annahme einer Betriebsübertragung aus (vgl. auch § 15 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735). Schließlich fehlt es auch an der Übertragung eines Teilbetriebes. Dazu kann dahinstehen, was im einzelnen unter diesem Begriff zu verstehen ist (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -, § 8 Nrn. 1, 2 und 7 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -, §§ 20 und 24 des Umwandlungs-Steuergesetzes - UmwStG - 1977). Ein Teilbetrieb i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG kann die 100 v.H. Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht sein, weil es eine solche Beteiligung nicht gibt. Eine Personengesellschaft kann begrifflich keinen Alleingesellschafter haben. Der Erlaß des Finanzministers der Landes Niedersachsen vom 26. November 1979 S 5110 - 59 - 32 3 (Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 9 Nr. 13) und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Februar 1984 II R 208/81 (BFHE 140, 321, BStBl II 1984, 326) erklären sich aus der anderen Überlegung, daß die Anwachsung ein Betriebsübergang ist bzw. einem solchen gleichsteht. Die entsprechende Anwendung dieses Gedankens auf den Streitfall scheitert jedoch daran, daß der an der X GmbH & Co. KG bestehende Komplementäranteil nicht auf die Klägerin überging. Dadurch blieb die X GmbH & Co. KG fortbestehen. Ein Übergang von Teilbetrieben fand nicht statt.

3. Es kommt hinzu, daß § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 die Gegenleistung für den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft anspricht. Daraus folgt, daß der Ersterwerber derjenige sein muß, der das gesamte Vermögen, den Betrieb oder den Teilbetrieb einer anderen Kapitalgesellschaft überträgt. Dies kann der Ersterwerber nur, wenn er selbst Kapitalgesellschaft ist. Daran fehlt es im Streitfall, weil die Kommanditaktionäre der Klägerin ausnahmslos natürliche Personen waren.

4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 im Streitfall nicht erfüllt sind, steht die Steuerermäßigung der Klägerin nicht zu. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.