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  BFH-Urteil vom 28.11.1990 (II R 36/87) BStBl. 1991 II S. 209

1. Wird ein bestehendes Gebäude lediglich umgebaut, kommt eine Artfortschreibung erst in Betracht, wenn der Umbau abgeschlossen ist, es sei denn, daß der Umbau die technisch angemessene Frist für seine Durchführung eindeutig überschreitet, also nicht in zusammenhängender Bauentwicklung abgeschlossen wird. Im letzteren Fall ist in Anwendung des in § 74 BewG zum Ausdruck kommenden Grundgedankens eine Artfeststellung nach dem Stand der tatsächlich bestehenden Bebauung (beispielsweise vom Zweifamilien - zum Einfamilienhaus) im Wege der Fortschreibung vorzunehmen.

2. Fortschreibungszeitpunkt bei der Errichtung eines Gebäudes in Bauabschnitten bzw. bei einem abschnittsweisen Umbau ist derjenige Stichtag, an dem erkennbar wird, daß die eingeleitete Baumaßnahme nicht nur vorübergehend unterbrochen bzw. aus technischen Gründen nicht zügig planmäßig weiterbetrieben wird.

BewG §§ 72, 74.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks .... in X, das sie im Jahre 1979 erwarben. Für das Grundstück war die Grundstücksart Zweifamilienhaus und der Einheitswert auf 18.000 DM festgestellt. Zum 1. Januar 1980 wurde ihnen das Grundstück zugerechnet.

Im Anschluß an den Eigentumserwerb haben die Kläger das Wohngebäude wesentlich umgestaltet, modernisiert, erweitert und teilweise aufgestockt. In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1981 vom 27. Juni 1980 machten die Kläger folgende Angaben: Das Erd- und Dachgeschoß umfasse eine eigengenutzte Wohnung mit einer Wohnfläche von 116,9 qm, die aus 6 Wohnräumen, einer Küche, 2 Bädern bzw. Duschen bestehe. Das Dachgeschoß enthalte darüber hinaus noch eine Einliegerwohnung mit insgesamt 25,52 qm, umfassend einen Wohnraum und eine Küche. Diese Einliegerwohnung wurde als leerstehend bezeichnet. Als Jahr der Bezugsfertigkeit war 1980 angegeben.

Eine Ortsbesichtigung vom 4. September 1980 zur Überprüfung der Grundstücksart ergab, daß sich im Erdgeschoß die Wohnung der Kläger befindet, und daß die Wohnung im Dachgeschoß nach dem Umbau vermietet werden sollte. Das Finanzamt (FA) nahm mit Bescheid vom 20. Februar 1981 eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1981 vor und stellte den Einheitswert nunmehr auf 43.500 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Bei einer erneuten Ortsbesichtigung am 22. November 1982 wurden folgende Feststellungen getroffen: "Das bisherige kleine Zweifamilienhaus wurde durch eine einheitliche Baumaßnahme von 1980 bis 1982 erweitert und in ein Einfamilienhaus umgewandelt. In dem Anwesen sind weder im Erdgeschoß eine Hauptwohnung noch im Dachgeschoß einer Einliegerwohnung vorhanden. Die Räume im Erdgeschoß sind abgeschlossen. Die Räume im Dachgeschoß sind nicht abgeschlossen. Die zur Vermietung vorgesehenen (noch nicht bezugsfertigen) Räume erfüllen den Wohnungsbegriff nicht, weil sie kleiner als 25 qm sind, keinen separaten Zugang haben, nicht über Bad und WC verfügen und innerhalb der Hauptwohnung liegen". Zum Zustand der beiden Räume, die die zur Vermietung bestimmte Einliegerwohnung umfaßt, wurde gleichzeitig festgestellt: "Beide Räume sind nicht bezugsfertig und nicht benutzbar, es fehlen die Deckenverkleidung der Dachschrägen und Fußbodenoberbelag, in beiden Räumen war nur Gerümpel abgestellt."

Am 18. März 1983 erließ das FA auf den 1. Januar 1981 einen Art- und Wertfortschreibungsbescheid, den es als Änderungsbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bezeichnete. Der Einheitswert wurde - wie im Bescheid vom 20. Februar 1981 - auf 43.500 DM festgestellt, die Grundstücksart aber nunmehr mit Einfamilienhaus.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage begehren die Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 18. März 1983 und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung. Zur Begründung ihrer Klage haben sie vorgetragen, das Bauvorhaben sei entgegen der Auffassung des FA bereits im Jahre 1980 abgeschlossen worden. Die zur Fremdnutzung bestimmte Einliegerwohnung sei von der Hauptwohnung ausreichend abgegrenzt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 seien nicht erfüllt. Da die baulichen Maßnahmen auch Ende 1982 noch nicht abgeschlossen gewesen seien, könnten zum Stichtag 1. Januar 1981 noch keine tatsächlichen Verhältnisse geschaffen worden sein, die das FA berechtigten, auf diesen Zeitpunkt eine Artfortschreibung vorzunehmen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Soweit das FG seine Entscheidung darauf gestützt hat, daß die Voraussetzungen für den Erlaß eines Änderungsbescheides nicht vorgelegen hätten, hält seine Entscheidung der revisionsrechtlichen Überprüfung allerdings nicht stand, weil der angegriffene Artfortschreibungsbescheid keine auf denselben Stichtag, den 1. Januar 1981, getroffene Artfeststellung änderte.

Der Regelungsgehalt des Wertfortschreibungsbescheids vom 20. Februar 1981 erschöpft sich ausschließlich in der Fortschreibung des Einheitswertes von 18.000 DM auf 43.500 DM. Eigenständige weitere Regelungen enthält dieser Bescheid nicht. Die Feststellungen zu Wert, Art und Zurechnung sind jeweils selbständige Feststellungen, die gerade in bezug auf die Voraussetzungen der Fortschreibung ein eigenes Schicksal haben, wie sich aus § 22 Abs. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergibt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88, und vom 10. Dezember 1986 II R 88/85, BFHE 148, 329, BStBl II 1987, 292). Wenn ein Wertfortschreibungsbescheid - wie es üblicherweise geschieht - auch die bislang zu Art und Zurechnung getroffenen Feststellungen mit einem entsprechenden Zusatz wiederholt, so werden diese dadurch nicht zum Regelungsgehalt des Wertfortschreibungsbescheids. Da die Wertfeststellung auf den 1. Januar 1981 mit dem angefochtenen Bescheid nicht geändert wurde, ging die dem Bescheid beigefügte Begründung, der Bescheid sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert, ins Leere. Er erweist sich vielmehr seinem Regelungsgehalt nach als bloße Artfortschreibung.

2. Zutreffend ist das FG jedoch davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine Artfortschreibung wegen Änderung tatsächlicher Verhältnisse zum Stichtag nicht vorgelegen haben.

Nach § 22 Abs. 2 BewG ist im Wege der Fortschreibung über die Art des Gegenstandes eine neue Feststellung zu treffen, wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist. Dabei ist Fortschreibungszeitpunkt bei einer Fortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG).

a) Das BewG grenzt allgemein bebaute Grundstücke von unbebauten Grundstücken danach ab, ob sich auf dem Grundstück benutzbare Gebäude befinden oder nicht (vgl. § 72 Abs. 1 BewG einerseits und § 74 Satz 1 BewG andererseits). Ein bebautes Grundstück liegt regelmäßig nur dann vor, wenn sich auf der wirtschaftlichen Einheit "Grundstück" (§ 70 Abs. 1 BewG) ein benutzbares Gebäude befindet; erst dann tritt eine Artänderung ein.

Eine von diesem allgemeinen Grundsatz abweichende Sonderregelung enthält § 74 Satz 2 BewG. Danach ist der bereits fertiggestellte und bezugsfertige Teil als benutzbares Gebäude anzusehen, wenn ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet wird. Eine derartige Errichtung in Bauabschnitten liegt vor, wenn ein baurechtlich genehmigtes Gebäude nicht in zusammenhängender Bauentwicklung, d.h. nicht in einem Zuge, im planmäßig vorgesehenen Umfang bezugsfertig erstellt wird, es sei denn, die Unterbrechung der Bautätigkeit ist nur technisch bedingt oder erfolgt lediglich vorübergehend (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. April 1987 II R 262/83, BFHE 150, 67, BStBl II 1987, 594).

b) Der § 74 BewG zugrunde liegende Gedanke, daß während der Bebauung eines Grundstückes keine Artänderung eintritt, solange die Baumaßnahme nicht vollendet ist, es sei denn, es handle sich um die Errichtung eines Gebäudes in Bauabschnitten, ist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch auf Umbauten in bestehenden Gebäuden übertragbar. Daraus folgt, daß ein Umbau zwar eine Artänderung einleiten kann, tatsächliche Verhältnisse, die eine Artfortschreibung rechtfertigen, aber erst dann geschaffen sind, wenn der Umbau abgeschlossen ist, sofern nicht die technisch angemessene Frist für die Durchführung eines Umbaues eindeutig überschritten wird, der Umbau also nicht zügig beendet wird. Im letztgenannten Fall eines "abschnittsweisen Umbaues" ist die Artfeststellung nach dem Stand der tatsächlichen benutzbaren Gestaltung zu treffen.

Von einem bloßen Umbau in diesem Sinne kann allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn entweder das Gebäude abgerissen wird, um einem Neubau Platz zu machen oder wenn das Gebäude soweit zerstört wird, daß es keine auf die Dauer benutzbaren Räume mehr aufweist. Denn in einem solchen Falle wird zunächst das Grundstück in den Zustand eines unbebauten Grundstücks "zurückversetzt" (vgl. dazu die Entscheidung des Senats vom 24. Oktober 1990 II R 9/88, BFHE 162, 369, BStBl II 1991, 60).

c) Hinsichtlich des zutreffenden Fortschreibungszeitpunkts bei der Errichtung eines Gebäudes in Bauabschnitten bzw. bei einem abschnittsweisen Umbau ist auf den Stichtag abzustellen, in dem erkennbar wird, daß die eingeleitete Baumaßnahme nicht nur vorübergehend unterbrochen bzw. nur vorübergehend aus technischen Gründen nicht zügig weiterbetrieben wird. Denn entscheidend sind auch insoweit die tatsächlichen Verhältnisse am Stichtag. Diesem Gebot, auf die tatsächlichen Verhältnisse am Stichtag abzustellen, wird es nicht gerecht, wenn allein aus der späteren Entwicklung des Baugeschehens auf ein abschnittsweises Bauen an einem früheren Feststellungszeitpunkt geschlossen wird. Es muß vielmehr am Stichtag objektiv feststehen, daß die Baumaßnahme mit dem erreichten Zustand (vorläufig) beendet, jedenfalls nicht mehr zügig in mit dem erreichten Zustand zusammenhängender Bauentwicklung fertiggestellt wird. Soweit in der Entscheidung in BFHE 150, 67, BStBl II 1987, 594 aus der späteren Erkenntnis, daß der Bau in Abschnitten errichtet wird, eine Artfortschreibung zu einem zurückliegenden Feststellungszeitpunkt zugelassen wurde, hält der Senat nicht mehr daran fest.

d) Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen des FG, daß der Umbau auch Ende 1982 in bezug auf die "Einliegerwohnung" noch nicht abgeschlossen war, während der Umbau der Hauptwohnung sowie deren Erweiterung bereits im Jahre 1980 beendet waren, davon auszugehen, daß der Umbau insoweit in Bauabschnitten erfolgte. Dieser Sachverhalt war jedoch - wie sich aus dem Verhalten des FA nach der Ortsbesichtigung vom Jahre 1980 ergibt - am maßgebenden Stichtag, dem 1. Januar 1981, noch nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für eine Artfortschreibung vom Zweifamilienhaus zum Einfamilienhaus waren dementsprechend zu diesem Stichtag noch nicht gegeben.