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  BFH-Urteil vom 19.12.1990 (X R 40/86) BStBl. 1991 II S. 234

Zahlungen an eine gemeinnützige Einrichtung zur Erfüllung einer Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO sind nicht als Spende (§ 10b Abs. 1 EStG) abziehbar.

EStG § 12 Nr. 4, § 10b Abs. 1; StPO § 153a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1987, 76)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Komplementär einer KG. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle sowie die Steuerfahndungsstelle des zuständigen Finanzamts leiteten gegen ihn steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein. Die Verfahren wurden 1979 von der Bußgeld- und Strafsachenstelle nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) gegen Zahlung eines Geldbetrages von 5.000 DM zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung eingestellt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1979 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) diesen vom Kläger als Spende nach § 10b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend gemachten Betrag nicht. Der Einspruch war erfolglos. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 76 veröffentlicht ist, wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Einstellung der Steuerstrafverfahren könne nur dann als Gegenleistung für die Zahlung an die gemeinnützige Einrichtung beurteilt werden, wenn die in den Steuerstrafverfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe berechtigt gewesen wären. Das FG hätte daher seinem Antrag entsprechen müssen, die Steuer- und Gerichtsakten der KG beizuziehen. Aus diesen Akten sei zu ersehen, daß sich die strafrechtlichen Vorwürfe im Besteuerungsverfahren als unbegründet erwiesen hätten. Seine Unschuld sei durch ein parallel zu den Strafverfahren geführtes, aber erst nach Beendigung der Strafverfahren abgeschlossenes finanzgerichtliches Verfahren erwiesen worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung zu ändern und bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einen weiteren Spendenbetrag von 5.000 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG den vom Kläger an die gemeinnützige Einrichtung gezahlten Betrag nicht als Spende nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt.

1. Der Abzug des zur Erfüllung einer Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO geleisteten Betrags ist nicht schon aufgrund von § 12 Nr. 4 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 1984, 1.006, BStBl I 1984, 401) ausgeschlossen.

Nach dieser rückwirkend anzuwendenden Vorschrift (§ 52 Abs. 19a EStG i. d. F. des Änderungsgesetzes; hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1986 IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518) dürfen zwar Leistungen zur Erfüllung von Auflagen in einem Strafverfahren, die - wie im Streitfall - nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Das gilt jedoch nur, "soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 7, § 10b und §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist". § 10b EStG geht somit § 12 Nr. 4 EStG vor.

2. Die Merkmale des Spendenbegriffs sind im Streitfall aber nicht erfüllt.

a) Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG sind Ausgaben zur Förderung bestimmter als besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnütziger Zwecke innerhalb einer gesetzlich festgelegten Obergrenze und nach Maßgabe des § 48 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung als Sonderausgaben abziehbar. Die erkennbare Ausrichtung der Förderungsleistung auf einen dieser steuerbegünstigten Zwecke ist das entscheidende Kriterium für den Spendenabzug. Das ist auch der eigentliche Grund dafür, daß als Spenden i. S. des § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG nach herrschender Meinung nur Aufwendungen in Betracht kommen, die der Steuerpflichtige unentgeltlich und freiwillig geleistet hat (z.B. BFH-Urteile vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814; vom 25. November 1987 I R 126/85, BFHE 151, 544, BStBl II 1988, 220, mit Nachweisen zum Schrifttum). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriff der entgeltlichen Leistung nicht im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Begriffe von Leistung und Gegenleistung zu verstehen. Aus dem Merkmal in § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG "zur Förderung ..." ergibt sich, daß eine Spende um der Sache willen ohne die Erwartung eines besonderen Vorteils gegeben werden muß; die Spendenmotivation muß im Vordergrund stehen (BFHE 151, 544, 547, BStBl II 1988, 220, 221, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Juni 1958 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 66). Daher ist ein Spendenabzug nicht nur ausgeschlossen, wenn die Ausgaben zur Erlangung einer Gegenleistung des Empfängers erbracht werden, sondern schon dann, wenn die Zuwendungen an den Empfänger unmittelbar und ursächlich mit einem von einem Dritten gewährten Vorteil zusammenhängen, ohne daß der Vorteil unmittelbar wirtschaftlicher Natur sein muß.

b) In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das FG die Zahlungen des Klägers zur Erfüllung der Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht als Spende i. S. des § 10b Abs. 1 EStG beurteilt. Sie sind nicht zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke, sondern zur Erreichung eines (straf-)verfahrensrechtlichen Vorteils geleistet worden.

Nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO kann mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen und zugleich dem Beschuldigten auferlegt werden, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Erfüllt der Beschuldigte die Auflage, kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden (§ 153a Abs. 1 Satz 4 StPO); erfüllt er sie nicht, wird das Verfahren fortgesetzt, d.h. es wird in der Regel öffentliche Klage erhoben, da in diesem Verfahrensstadium der hinreichende Tatverdacht bzw. die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Schuld bejaht sein muß (Rieß in Löwe/Rosenberg, Strafprozeßordnung, 24. Aufl., § 153a Rz. 32, 79; Müller/Sax/Paulus, KMR Kommentar zur Strafprozeßordnung, 7. Aufl., § 153a Rz. 2, 16).

Der Kläger hat einer Auflage nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO zugestimmt und zur Erfüllung dieser Auflage einen Betrag von 5.000 DM an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt. Er hat somit den Geldbetrag nicht zur Förderung der gemeinnützigen Einrichtung geleistet, sondern um eine endgültige Verfahrenseinstellung zu erreichen. Die unmittelbare innere Verknüpfung von Zahlung und Einstellung des Verfahrens steht einem Abzug als Spende entgegen.

Unerheblich ist die konkrete verfahrensrechtliche Situation, aus der heraus sich der Kläger zur Zahlung entschloß und die Beantwortung der Frage, ob er mit der Erfüllung der Auflage der Bestrafung oder trotz eines von ihm erwarteten Freispruchs den Unannehmlichkeiten des weiteren Verfahrens entgehen wollte. Die Einstellung des Verfahrens aufgrund der Zahlung brachte ihm unabhängig von der damaligen Sach- und Rechtslage, vor allem ungeachtet der Erweislichkeit des Schuldvorwurfs, Vorteile. Mit dem Eintritt der Rechtswirkungen des § 153a Abs. 1 Satz 4 StPO (keine weitere Verfolgung der betreffenden Steuerstraftaten) waren für den Kläger sowohl das Risiko einer Verurteilung als auch die mit einem in öffentlicher Verhandlung durchgeführten Strafverfahren verbundenen Belastungen entfallen. Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte das FG daher nicht zu prüfen, ob der Schuldvorwurf berechtigt war und wie er sich im nachfolgenden Besteuerungsverfahren ausgewirkt hat. Das FG mußte deshalb auch nicht dem Antrag des Klägers entsprechen, die Steuer- und Gerichtsakten der KG beizuziehen.