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  BFH-Urteil vom 22.8.1990 (I R 67/88) BStBl. 1991 II S. 250

Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt i.S. des Gewerbesteuerrechts auch dann in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Tätigkeit nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fällt.

GewStG § 2, § 7.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, vermietete sämtliche von ihr hergestellten oder angeschafften Wirtschaftsgüter an die X-KG (KG). Ab 1. Januar 1984 bestand mit der KG ein Immobilien-Leasing-Vertrag. Gleichzeitig wurden sämtliche Inventargegenstände an die KG veräußert. Der Leasing-Vertrag hatte eine Laufzeit von 20 Jahren und räumte dem Leasing-Nehmer eine Mietverlängerungsoption von zweimal fünf Jahren ein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von null DM den Gewerbesteuermeßbetrag auf 23.804 DM fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegten Klage macht die Klägerin geltend, daß sie aufgrund der Vertragsgestaltung ab 1. Januar 1985 auf die Dauer von mindestens 29 Jahren rechtlich und betriebswirtschaftlich keinen Gewinn und Verlust erwirtschafte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und der §§ 7 und 8 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Sie beantragt, das Urteil des FG und den Gewerbesteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); das FA hat den Gewerbesteuermeßbetrag zu Recht festgesetzt.

Die Klägerin unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GewStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung der Gewerbesteuer. Sie unterhält einen stehenden im Inland betriebenen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Die von der Klägerin bestrittenen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs liegen vor; denn gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.

Unerheblich ist es demgegenüber, wenn die von der Klägerin betriebene Tätigkeit nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fällt; denn § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG qualifiziert die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb, ohne dies von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß die Tätigkeit unter eine der sieben Einkunftsarten fällt. Die Vorschrift fingiert für Gewerbesteuerzwecke die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb, soweit die Gesellschaft tätig ist (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C III 3 b, bb, 2).

Das BFH-Urteil vom 3. Oktober 1989 VIII R 184/85 (BFHE 158, 385, BStBl II 1990, 319) steht dem nicht entgegen. Danach erfaßt § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG i.d.F. vor dem Streitjahr keine Vermögensmehrungen, die nach den Vorschriften des EStG keine Einkünfte im Sinne der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG sind. Dies ist eine zwangsläufige Folge der Verweisung in § 7 GewStG auf die einkommensteuerlichen Vorschriften. Der von dem Urteil in BFHE 158, 385, BStBl II 1990, 319 entschiedene Fall betraf eine Personengesellschaft (KG). Aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in der vor dem Streitjahr gültigen Fassung (im Streitjahr aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) ergibt sich lediglich, daß eine gewerblich tätige Personengesellschaft, die ohne die Existenz einer derartigen Regelung Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten hätte, nur gewerbliche Einkünfte hat. Die Regelung setzt voraus, daß - anders als bei Kapitalgesellschaften - die Personengesellschaft mindestens teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (Beschluß des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 4. März 1970 I R 123/68 (BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470) berufen. Das Urteil betrifft nicht die Gewerbesteuer, sondern die Körperschaftsteuer. Es leitet aus § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) a.F. (entspricht § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977) ab, daß im Sinne des Körperschaftsteuerrechts nur solche Einkünfte einer Kapitalgesellschaft als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind, die unter die sieben Einkunftsarten des EStG fallen. Der Senat hat bereits in den Urteilen vom 4. Februar 1987 I R 58/86 (BFHE 149, 109, BStBl II 1988, 215), und vom 25. November 1987 I R 126/85 (BFHE 151, 544, BStBl II 1988, 220) offengelassen, ob er diese Auffassung weiterhin für zutreffend hält. Jedenfalls wirkt sich der Meinungsstreit im Gewerbesteuerrecht nicht aus. Denn bei ihm geht es gerade darum, ob die Regelung in § 2 Abs. 2 GewStG betreffend die Kapitalgesellschaften auch für das Körperschaftsteuerrecht gilt (vgl. Urteil in BFHE 149, 109, BStBl II 1988, 215). Das Urteil in BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470, auf das sich die Klägerin beruft, hat darauf hingewiesen, daß es für das Körperschaftsteuerrecht unerheblich sei, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG a.F. (entspricht § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung) für das Gewerbesteuerrecht zu einem anderen Ergebnis führe als das KStG; denn im KStG sei keine entsprechende Regelung getroffen. Der Senat verweist im übrigen auf die Urteile vom 20. Oktober 1976 I R 148/74 (BFHE 120, 265, BStBl II 1977, 10), und vom 8. Juni 1977 I R 40/75 (BFHE 122, 318, BStBl II 1977, 668).

Aus § 7 GewStG kann nichts anderes hergeleitet werden. Danach ist der nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu ermittelnde Gewinn Grundlage des Gewerbeertrags. Liegt ein Gewerbebetrieb aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG vor, hat die Vorschrift des § 7 GewStG zur Folge, daß der Gewerbeertrag nach denselben Grundsätzen zu ermitteln ist wie der Gewinn, der bei den ersten drei Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG Bemessungsgrundlage ist (§ 2 Abs. 1 EStG). Aus § 7 GewStG ergibt sich nicht, daß für die Annahme eines Gewerbebetriebes die Voraussetzungen einer der sieben Einkunftsarten bzw. einer der drei ersten der sieben Einkunftsarten vorliegen müssen. Die Vorschrift regelt lediglich die Ermittlungsmethode für den Gewerbeertrag für den Fall, daß ein Gewerbebetrieb vorliegt. Bei einer Kapitalgesellschaft, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu machen, bedeutet dies, daß der Gewerbeertrag gemäß § 8 Abs. 1 und 2 KStG 1984 i.V.m. § 5 und § 4 Abs. 1 EStG im Wege des Bestandvergleichs zu ermitteln ist.