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  BFH-Urteil vom 12.9.1990 (I R 107/87) BStBl. 1991 II S. 251

Werden über einen Bankkredit vom Kreditnehmer Wechsel mit einer Laufzeit von nur drei Monaten ausgestellt und vom Kreditgeber akzeptiert, so steht diese Laufzeit der Annahme einer Dauerschuld nicht entgegen, wenn die Wechsel entsprechend dem zugrunde liegenden Kreditverhältnis regelmäßig auf eine Gesamtdauer von mehr als einem Jahr verlängert werden.

GewStG § 8 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG.

1. In dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuermeßbescheid 1981 vom 8. November 1983 rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprechend der Steuererklärung der Klägerin u.a. Zinsen in Höhe von 2.119.906 DM dem Gewinn als Dauerschuldzinsen zu. Die zugerechneten Zinsbeträge beruhen auf Wechselkrediten (Akzeptkrediten) von vier Bankinstituten i.H. von 36 Mio DM. Diese Kredite wurden in der Weise gewährt, daß die Klägerin Wechsel auf die kreditgewährenden Banken zog. Die Banken akzeptierten die Wechsel und stellten der Klägerin die Wechselsummen zur Verfügung. Die Klägerin verpflichtete sich, die Wechselsumme bei Fälligkeit bereit zu halten. Vor Fälligkeit der Dreimonats-Akzepte wurden die Wechselkredite von der jeweils beteiligten Bank durch Annahme neuer Wechsel auf die Dauer von insgesamt über 12 Monaten verlängert. Der Klägerin stand dadurch die gesamte Kreditsumme von 36 Mio DM länger als 12 Monate zur Verfügung.

2. Mit Schreiben vom 8. Juni 1984 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1983 VIII R 179/83 (BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213), die im Gewerbesteuermeßbescheid 1981 vom 8. November 1983 angesetzten Dauerschuldzinsen um insgesamt 2.119.906 DM zu vermindern und den Bescheid entsprechend zu ändern.

Die Wechselkredite in Höhe von 36 Mio DM seien keine Dauerschulden. Sie seien nur über die übliche Wechsel-Laufzeit von jeweils drei Monaten gewährt worden. Die Prolongationen hätten die Wechselkredite nicht zu Dauerschulden gemacht, da kein Anspruch auf Verlängerung bestanden habe.

3. Das FA lehnte den Antrag durch Verwaltungsakt vom 29. November 1984 ab, da die Kredite der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin gedient hätten.

4. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen seien nicht begründet. Die den Zinsen zugrunde liegenden Kredite seien Dauerschulden i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Für die Klägerin hätten zu keinem Zeitpunkt Zweifel bestanden, daß die Bankinstitute die für die Dauer von drei Monaten eingeräumten Wechselkredite ohne weiteres verlängern würden.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den Bescheid vom 8. November 1983 gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert und im Änderungsbescheid vom 3. Juli 1989 die für die genannten Wechselkredite gezahlten Zinsen nur noch in Höhe von 1.638.656 DM dem Gewinn wieder hinzugerechnet. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit dem Klagebegehren durch die Änderung entsprochen wurde.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß, das Urteil des FG, den Verwaltungsakt vom 29. November 1984 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 1985 aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Gewerbesteuermeßbescheid vom 3. Juli 1989 zu ändern und die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen um 1.638.656 DM zu mindern.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

2. Die Hinzurechnung von Zinsen in Höhe von 1 638 656 DM zum Gewerbeertrag 1981 der Klägerin entspricht dem im Erhebungszeitraum geltenden Recht.

Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1978 sind die bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzten Zinsen dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen, soweit sie für Schulden gezahlt wurden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten (Dauerschulden).

3. Die den hinzugerechneten Zinsen zugrunde liegenden Bankschulden waren Dauerschulden in diesem Sinne.

a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dienen Schulden mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr regelmäßig einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals (BFH-Urteile vom 28. Juli 1976 I R 91/74, BFHE 119, 569, BStBl II 1976, 789; vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481; in BFHE 140, 96, 100, BStBl II 1984, 213).

b) Die der Klägerin von den drei Banken eingeräumten Kredite über 36 Mio DM standen ihr länger als 12 Monate zur Verfügung. Das Tatbestandsmerkmal einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin (§ 8 Nr. 1 GewStG 1978) ist damit grundsätzlich erfüllt.

4. Die Verbindlichkeiten standen nicht mit bestimmten laufenden Geschäftsvorfällen in unmittelbarem Zusammenhang.

a) Soweit Kredite dem laufenden Geschäftsverkehr zuzurechnen sind, kann aus der über ein Jahr hinausgehenden Laufzeit allein noch nicht auf den Charakter als Dauerschuld geschlossen werden (BFH-Urteile vom 19. Juni 1980 IV R 93/77, BFHE 131, 73, BStBl II 1980, 660; in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481; vom 8. Februar 1984 I R 15/80, BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379; vom 18. Dezember 1986 I R 293/82, BFHE 149, 64, BStBl II 1987, 446). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dient ein Kredit dem "laufenden Geschäftsverkehr", wenn er in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen steht und in der nach der Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt wird (BFH in BFHE 131, 73, BStBl II 1980, 660; in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481; in BFHE 149, 64, BStBl II 1987, 446).

b) Selbst wenn die Klägerin die ihr aus den Bankkrediten zugeflossen Mittel zur laufenden Finanzierung von Warenbezügen verwendet hat, wäre dadurch der Dauerschuldcharakter der Kredite nicht ausgeschlossen. Auch nach den Angaben der Klägerin wurden die Bankkredite nicht zur Finanzierung bestimmter laufender Geschäfte, sondern als allgemeine Betriebsmittel gewährt. Ein direkter Zusammenhang mit Warenbezügen wie bei einem Lieferantenkredit bestand auch nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht. Zahlungsfristen und Tilgung der Warenschulden standen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Zahlungsfristen und Tilgung der zwischen der Klägerin und den Kreditinstituten vereinbarten Kredite.

5. Der Dauerschuldcharakter der Verbindlichkeiten wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß über die Kredite mehrfach prolongierte Dreimonats-Akzepte ausgestellt wurden.

a) Auch Wechselschulden können Dauerschulden sein, wenn sie nach mehrfacher Wechsel-Prolongation über die Dauer von mehr als 12 Monaten gewährt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH -) vom 7. April 1943 VI 422/42, RStBl 1943, 517, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Mrozek-Kartei, Gewerbesteuergesetz 1936,§ 12 Abs. 2 Ziff. 1, Rechtsspruch 51; BFH-Urteile vom 2. März 1966 I 33/65, BFHE 85, 192, BStBl III 1966, 280; vom 28. Juni 1978 I R 81/75, BFHE 125, 564 BStBl II 1978, 651; BFH in BFHE 140, 96, 100, BStBl II 1984, 213). Allerdings muß die Kreditgewährung über mehr als 12 Monate von vornherein den Planungen oder Vereinbarungen der Kreditparteien entsprechen (vgl. BFH in BFHE 140, 96, 101, BStBl II 1984, 213).

b) Werden Wechsel ausgestellt, so ist zu berücksichtigen, daß Wechselschulden regelmäßig von einem Grundschuldverhältnis abhängig sind (BFH in BFHE 140, 96, 100, BStBl II 1984, 213). Der Charakter der Wechselschulden läßt sich zutreffend nur bestimmen, wenn das Grundschuldverhältnis in die Betrachtung einbezogen wird. Auch im Streitfall lag den wechselrechtlichen Ansprüchen ein Grundschuldverhältnis zugrunde. Die drei Kreditinstitute hatten mit der Klägerin Darlehensschuldverhältnisse begründet. Diese Schuldverhältnisse wurden durch die über die Kreditsummen ausgestellten Wechsel lediglich um zusätzliche wechselrechtliche Schuldverhältnisse ergänzt. Das ergibt sich im Streitfall u.a. daraus, daß die Klägerin als Kreditnehmerin verpflichtet war, die Wechselsummen vor Fälligkeit der Wechsel bereit zu halten. Diese Verpflichtung des Kreditnehmers kann nur auf einer außer-wechselrechtlichen Verpflichtung beruhen. Eine rein wechselrechtliche Verpflichtung hätte primär die Akzeptanten, also die kreditgewährenden Banken getroffen (Art. 38, 43 des Wechselgesetzes - WG -). Wird der Wechsel - wie bei Akzept - Krediten üblich (vgl. Jährig/Schuck/Rösler/Woite, Handbuch des Kreditgeschäfts 1989, S. 126 ff.; von Stein/Kirschner in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 37. Aufl. S. 362 ff.; Beck, Kreditwesengesetz, Kommentar, § 1 Rz. 54) - von der bezogenen Bank nicht weitergegeben, ist die rein wechselrechtliche Abwicklung mit der Vorlage an die bezogene Bank grundsätzlich erledigt. Zu einer wechselrechtlichen Inanspruchnahme der Kreditnehmer als Aussteller könnte es nur kommen, wenn die Bank die Zahlung einem fremden Wechselinhaber gegenüber ablehnen würde.

c) Aus den Kreditverträgen ergab sich für die Klägerin der Wille der Kreditparteien auf regelmäßige Verlängerung der Dreimonats-Akzepte. Nach den Feststellungen des FG konnte für die Klägerin kein Zweifel bestehen, daß die jeweiligen Bankinstitute die Wechselkredite ohne weiteres verlängern würden. Diesen Umstand hat das FG aus der finanziellen Situation der Klägerin und aus der ausnahmslosen Prolongation aller Wechsel durch die beteiligten Banken abgeleitet. Diese tatsächliche Feststellung des FG verstößt nicht gegen Denkgesetze - oder Erfahrungssätze und ist mit zulässigen Revisionsrügen nicht angefochten. Sie bindet den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

Der Dauerschuldcharakter der Kredite ergäbe sich im übrigen auch daraus, daß die Klägerin die gesamten Kreditbeträge wie einen Kontokorrentkredit über die Dauer von mehr als einem Jahr in Anspruch nehmen konnte (BFH-Urteil vom 11. September 1956 I 87/55, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 8 Ziff. 1, Rechtsspruch 3). Kontokorrentkredite sind Dauerschulden, wenn aus dem Geschäftsverhältnis geschlossen werden kann, daß trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs dem Unternehmen ein bestimmter Mindestkredit dauernd gewidmet sein soll (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223; in BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379). Dieser Schluß kann im Streitfall trotz der äußeren Form der Dreimonats-Akzepte aus den mehrfachen und ausnahmslosen Prolongationen gezogen werden (vgl. StRK, Gewerbesteuergesetz, § 8 Ziff. 1, Rechtsspruch 3).

Die drei kreditgewährenden Banken haben der Klägerin runde Kreditbeträge i.H. von insgesamt 36 Mio DM für die Dauer von jeweils länger als 12 Monaten zur Verfügung gestellt. Aus der übereinstimmenden Verlängerungspraxis ist zu entnehmen, daß diese Kredite der Klägerin als Mindestkredit dauernd gewidmet sein sollten (BFH-Urteil vom 28. Juni 1978 I R 81/75, BFHE 125, 564, BStBl II 1978, 651). Lediglich zu Sicherungszwecken und zur möglichen Anpassung an geänderte Diskontsätze wurden Wechsel ausgestellt und der Gesamtkredit dadurch zeitlich in einzelne Abschnitte unterteilt. Ungeachtet dieser zeitlichen Zäsuren haben die beteiligten Banken und die Klägerin Darlehensschuldverhältnisse begründet, die - ähnlich wie Kontokorrentkredite - das Betriebskapital der Klägerin nicht nur vorübergehend verstärkten.

d) Der Senat weicht mit dieser Auffassung nicht vom Urteil des BFH in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213 ab. Der Streitfall unterscheidet sich von dem der Entscheidung in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213 zugrunde liegenden Sachverhalt. In dieser Entscheidung war das den Wechseln zugrunde liegende Schuldverhältnis ein gestundeter Kaufpreis, der sich laufend veränderte. Der Bestand der Schuld verringerte sich von Prolongation zu Prolongation, da die Schuld wie eine typische Kaufpreisschuld laufend getilgt wurde. Nach jeweils neu getroffenen Vereinbarungen leistete die Schuldnerin teilweise geringere Tilgungen als von der Lieferantin gefordert, teilweise leistete sie freiwillige Sonderzahlungen. Daraus ist zu entnehmen, daß über den Fortbestand des Grundschuldverhältnisses bei Fälligkeit der Wechsel jeweils neue Vereinbarungen getroffen wurden, was gegen eine von vornherein bestehende Rahmenvereinbarung sprach. Demgegenüber veränderte sich im Streitfall der Bestand der einzelnen Bankkredite während der gesamten Laufzeit der Wechsel nicht. Auch daraus konnte das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze ableiten, daß die Kreditvereinbarungen die Gewährung eines bestimmten Mindestkredits für die gesamte Laufzeit der Wechsel vorsahen.