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  BFH-Urteil vom 28.11.1990 (V R 117/86) BStBl. 1991 II S. 281

1. Ob eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den der Steuerzahlung zugrunde liegenden Bescheiden.

2. Führt eine Steueranmeldung zur Herabsetzung der bisher entrichteten Steuer, so ist eine Zustimmung der Finanzbehörde zu dieser Steueranmeldung nicht mehr möglich, nachdem sie berichtigt worden ist.

AO 1977 § 37, 168, 218 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1987, 151)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Zwangsverwalter des Erbbaugrundstücks .... in N. Erbbauberechtigter ist F P aus B. Zugunsten seiner Gläubigerin, der Landesbank Schleswig-Holstein, war die Zwangsverwaltung durch das Amtsgericht N am 13. März 1979 angeordnet worden. Das Amtsgericht hatte zunächst den Hauptbevollmächtigten der Landesbank, W B, als Zwangsverwalter eingesetzt. Seit dem 1. Januar 1981 ist der Kläger Zwangsverwalter. Das Erbbaugrundstück war steuerpflichtig vermietet.

Auf Anordnung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) hatte der jeweilige Zwangsverwalter stets die laufenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Vermietung des Erbbaugrundstücks abgegeben und die entsprechenden Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet.

Am 26. Juni 1981 gab der Kläger die Jahresumsatzsteuererklärung für 1980 ab; nach ihr beträgt die Umsatzsteuer 1980 22.513,59 DM, so daß nach Anrechnung der Vorauszahlungen von 25.181,50 DM ein Erstattungsanspruch von 2.667,91 DM verbleibt. Am 29. Januar 1982 berichtigte der Kläger diese Umsatzsteuererklärung dahin, daß er keine Umsätze mehr erklärte. Ebenfalls am 29. Januar 1982 ging beim FA die Umsatzsteuererklärung des Klägers für 1981 ein und ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Betreff: Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1980 und 1981

hier:

1. Einlegung von Einspruch gegen beide Erklärungen

2. Einlegung von Einspruch gegen beide Erklärungen

3. Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Steuererhebung

Sehr geehrte Herren,

ich beziehe mich auf das Urteil des Finanzgerichtes Kassel vom 22.4.81 Az. VI 218/78, veröffentlicht in der Zeitschrift 'Der deutsche Rechtspfleger' Jahrgang 1981 S. 493. Nach diesem Urteil gehört die Zahlung der Mehrwertsteuer nicht zu den Ausgaben, zu welchen ich als Zwangsverwalter berechtigt bin. Gegen die Heranziehung zur Mehrwertsteuer lege ich deswegen hiermit Einspruch ein, soweit die Steuererklärungen noch nicht rechtskräftig sind. Dies trifft zu für die neu abgegebene Erklärung für das Jahr 1981, aber auch für die unter dem 25.6. abgegebene Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1980. In dieser Erklärung hatte ich einen Erstattungsanspruch geltend gemacht, über welchen bisher noch nicht entschieden worden ist. Einen einspruchsfähigen Bescheid habe ich damit auf meine Umsatzsteuererklärung vom 25.6.81 bisher nicht erhalten.

Gleichzeitig beantrage ich die Aufhebung der Vollziehung, soweit ich als Zwangsverwalter zur Zahlung von Mehrwertsteuer herangezogen worden bin. Die vorausgezahlten Beträge,

für das Jahr 1980 DM 25.181,50

für das Jahr 1981 DM 16.619,50

wollen Sie mir bitte auf mein Zwangsverwalterkonto bei der Vereins- und Westbank Kto.-Nr. ....

zurückzahlen.

Sollten Sie meine Auffassung nicht teilen, daß ich als Zwangsverwalter zur Zahlung von Mehrwertsteuer nicht verpflichtet bin, bitte ich um Aussetzung der Vollziehung meiner Heranziehung zur Zahlung von Umsatzsteuer."

Das FA sah in diesem Schreiben einen Antrag auf Erstattung von Umsatzsteuer, den es mit Schreiben vom 25. November 1982 ablehnte.

Zuvor hatte es dem Kläger eine Mitteilung für 1980 über Umsatzsteuer entsprechend der ursprünglichen Steuererklärung für 1980 zugesandt (Bescheid vom 24. August 1982).

Der Einspruch und die anschließende Klage gegen den Bescheid vom 25. November 1982 hatten keinen Erfolg. FA und Finanzgericht (FG) meinten übereinstimmend, die Umsatzsteuer für die Mietumsätze gehöre zu den Ausgaben der Verwaltung i.S. des § 155 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG).

Mit der vorliegenden Revision macht der Kläger demgegenüber geltend, zu den Ausgaben der Verwaltung i.S. des § 155 Abs. 1 ZVG gehörten nur solche Ausgaben, die der Zwangsverwalter um einer Gegenleistung willen leiste.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, dem Erstattungsantrag vom 29. Januar 1982 zu entsprechen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Klage betrifft die Erstattung folgender Steuern:

Umsatzsteuer 1980 22.513,59 DM

Umsatzsteuer 1981 16.619,50 DM.

Wenn das FG - das ohne mündliche Verhandlung entschieden hat - demgegenüber meint, es gehe um die Erstattung der für 1980 gezahlten Vorauszahlungen von 25 181,50 DM, so verkennt es, daß die Jahresumsatzsteuerschuld für 1980 nach der ursprünglichen Jahresumsatzsteuererklärung lediglich 22 513,59 DM beträgt und die Differenz von 2 667,91 DM entsprechend der Mitteilung für 1980 über Umsatzsteuer vom 24. August 1982 anderweitig erstattet wurde. Jedenfalls hat das FA laut Einspruchsentscheidung nur über einen Erstattungsanspruch von 22 513,59 DM für 1980 entschieden.

2. Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Erstattungsansprüche ist § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Danach hat, wenn eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Ob eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den der Steuerzahlung zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen (§ 168 AO 1977) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO 1977). Ob nach materiellem Steuerrecht die Steuer "ohne rechtlichen Grund" gezahlt wurde, ist hingegen nach der Auslegung des § 37 Abs. 2 AO 1977 durch den Bundesfinanzhof (BFH) nicht maßgeblich (vgl. z.B. Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 52/83, BFHE 149, 440, BStBl II 1988, 521).

a) Für die Streitjahre 1980 und 1981 gibt es keine Jahressteuerbescheide, aufgrund derer das FA die geleisteten Vorauszahlungen behalten darf.

aa) Die "Mitteilung für 1980 über Umsatzsteuer" vom 24. August 1982 ist mangels einer Steuerfestsetzung kein Steuerbescheid i.S. der §§ 157 ff. AO 1977.

Sie ist auch keine wirksame Zustimmung i.S. des § 168 AO 1977 zur ursprünglichen Steueranmeldung (Jahresumsatzsteuererklärung) für 1980. Bereits die ursprüngliche Jahresumsatzsteuererklärung für 1980 führte zu einer Herabsetzung der bisher als Vorauszahlungen entrichteten Steuer, so daß sie erst mit Zustimmung der Finanzbehörde wirksam werden konnte (§ 168 Satz 2 AO 1977). Bevor es zu dieser Zustimmung kam, hatte der Kläger bereits seine ursprüngliche Steuererklärung durch die am 29. Januar 1982 abgegebene Erklärung "berichtigt". Danach konnte das FA nur noch der neuen Steuererklärung und nicht mehr der alten Steuererklärung zustimmen. Eine Zustimmung des FA zu der ursprünglichen berichtigten Steueranmeldung war nicht mehr möglich.

Da es das FA ausdrücklich abgelehnt hat, der am 29. Januar 1982 eingereichten "berichtigten Umsatzsteuererklärung" zuzustimmen, steht auch diese Steueranmeldung keiner Steuerfestsetzung gleich.

bb) Ähnlich ist es mit der Umsatzsteuererklärung für 1981. Auch sie führte zu einer Herabsetzung der in Form von Vorauszahlungen entrichteten Steuer. Mangels einer Zustimmung des FA steht auch sie keiner Steuerfestsetzung (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) gleich (vgl. § 168 Satz 2 AO 1977).

b) Da für 1980 und 1981 keine Jahresumsatzsteuer (wirksam) festgesetzt worden ist, kommen nur noch die Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide dieser Jahre als Grundlage für die Verwirklichung der streitigen Steueransprüche in Betracht.

Mangels tatsächlicher Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob für 1980 und 1981 ordnungsgemäße Voranmeldungen oder Vorauszahlungsbescheide vorliegen. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachholen müssen. Hierbei sind die Grundsätze des Urteils des BFH vom 23. Juni 1988 V R 203/83 (BFHE 154, 181, BStBl II 1988, 920) zu beachten.