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  BFH-Urteil vom 27.11.1990 (VII R 20/89) BStBl. 1991 II S. 284

1. Der Alleingesellschafter einer GmbH kann die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO 1977) nach dem Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers rechtlich und tatsächlich i.S. des § 35 AO 1977 erfüllen, wenn er zumindest mittelbar dazu in der Lage ist.

2. Ein haftungsbegründendes grob fahrlässiges Verhalten eines Geschäftsführers i.S. von § 69 AO 1977 liegt bei Abgabe fehlerhafter Steuererklärungen dann nicht vor, wenn die Ausführung der steuerlichen Angelegenheiten auf Mitarbeiter übertragen worden ist und wenn die nach den Umständen des konkreten Einzelfalles erforderlichen, aber auch ausreichenden Überwachungsmaßnahmen nicht geeignet gewesen wären, die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung aufzudecken.

AO 1977 §§ 34, 35, 69.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war bis zu seinem Tod am .... 1981 Geschäftsführer der S-GmbH, der geschäftsführenden Komplementärin der A-KG. Gesellschafter der GmbH waren je zur Hälfte die Klägerin und ihr Ehemann. Die Klägerin war die Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes. Seit dem Tode des Ehemannes wurde die KG von dem Prokuristen geleitet. Die Klägerin hatte bereits vor dem Tode ihres Ehemannes Bankvollmachten für zwei Konten der KG. Ihr wurden seit dem Tode ihres Ehemannes - wie schon gelegentlich zuvor - sämtliche Geldverkehrsvorgänge zur Unterschrift vorgelegt. Die Klägerin wurde auch zu Verhandlungen über weitere Bankkredite für die KG zugezogen. Am .... September 1981 wurde die Klägerin zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt.

Anläßlich einer im Jahre 1983 bei der KG durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, daß die vorangemeldeten Umsatzsteuern auf geschätzten Beträgen beruhten und die tatsächlichen Umsätze die geschätzten Beträge teilweise erheblich überstiegen. Für das Jahr 1981 ermittelte sie einen Umsatzsteuermehrbetrag von .... DM. Mit Bescheid vom .... 1983 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Klägerin als Haftungsschuldnerin in Höhe dieses Betrages in Anspruch.

In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Haftungssumme auf .... DM herab. Es stützte die Inanspruchnahme der Klägerin nunmehr allein darauf, daß sie es pflichtwidrig und grob fahrlässig unterlassen habe, die für die Monate Oktober bis Dezember 1981 entstandene Umsatzsteuer beim FA in zutreffender Höhe anzumelden und abzuführen. Als gesetzliche Vertreterin der geschäftsführenden GmbH sei sie gemäß § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) allein für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der KG verantwortlich gewesen. Der Inanspruchnahme der Klägerin stehe nicht entgegen, daß auch der verantwortliche Buchhalter nach § 71 AO 1977 als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden sei. Es sei nicht zu erwarten, daß dieser in der Lage sei, Zahlungen zu leisten.

Bei einer nach Klageerhebung durchgeführten erneuten Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der KG, über deren Vermögen am .... 1984 das Konkursverfahren eröffnet worden war, wurde festgestellt, daß die KG für die Zeit von Januar bis August 1981 .... DM und für die Zeit von September bis Dezember 1981 .... DM Umsatzsteuer zu wenig angemeldet hatte.

Mit Schreiben vom .... 1985 setzte das FA den Haftungsbetrag von bisher .... DM um .... DM auf .... DM herab. Bezüglich des Betrages von .... DM für den Voranmeldungszeitraum September bis Dezember 1981 verwies das FA auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung. Wegen des für den Voranmeldungszeitraum Januar bis August 1981 errechneten Betrages von .... DM führte das FA als Haftungsgrundlage § 69 i.V.m. § 35 AO 1977 an.

Die Klägerin bezog den Bescheid vom .... 1985 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Klageverfahren ein. Sie machte zur Begründung der Klage geltend, der ausgeschiedene Buchhalter und der Prokurist hätten vollständig selbständig gearbeitet. Sie, die Klägerin, habe sich darauf verlassen müssen, daß die langjährigen Angestellten der KG die ihr zur Unterschrift vorgelegten Überweisungsträger und Schecks richtig ausgestellt hätten. Der Buchhalter habe bereits zu Lebzeiten ihres Ehemannes die Umsatzsteuer-Voranmeldungen erstellt und unterschrieben. Ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten könne ihr nicht vorgeworfen werden. Sie habe nie Umsatzsteuererklärungen oder Umsatzsteuer-Voranmeldungen unterschrieben.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Haftungsschuld in Übereinstimmung mit dem Antrag des FA auf den Betrag von .... DM herab und wies die Klage im übrigen ab. Für die Zeit bis zu ihrer Bestellung als Geschäftsführerin habe die Klägerin von ihren Bankvollmachten Gebrauch gemacht und sei damit als Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 AO 1977 aufgetreten. Als Alleingesellschafterin sei sie auch jederzeit in der Lage gewesen, sich zur Geschäftsführerin zu bestellen. Sie sei deshalb tatsächlich in der Lage gewesen, die Pflicht zur Zahlung der Umsatzsteuer zu erfüllen. Sie habe sich nicht darauf verlassen dürfen, daß langjährige Angestellte der KG die Geschäfte ordnungsgemäß abwickeln würden.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 69, 34, 35 AO 1977 und des § 76 Abs. 1 FGO und macht geltend, das FG habe sie zu Unrecht als Verfügungsberechtigte i.S. von § 35 AO 1977 eingestuft. Die ihr noch von ihrem Ehemann erteilten Bankvollmachten reichten für die Annahme einer Verfügungsbefugnis nicht aus. Sie sei auch nicht nach außen hin als Verfügungsberechtigte aufgetreten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid vom .... 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .... 1984 und den Bescheid vom .... 1985 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem FG davon aus, daß die Voraussetzungen des § 35 AO 1977 im Streitfall erfüllt sind.

a) Nach dieser Vorschrift hat, wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO 1977), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift (BTDrucks VI/1982 zu § 38, S. 111), ist Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO 1977 jeder, der wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen gehören, verfügen kann und als Verfügungsberechtigter auftritt. Der Wortlaut des § 35 AO 1977 verlangt nicht, daß ein Auftreten als Verfügungsberechtigter gegenüber einer Finanzbehörde erfolgen muß. Die wortlautgemäße Auslegung der Vorschrift entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1985 VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192, 193) und allgemeiner Meinung in der Literatur (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 35 AO 1977 Tz. 3; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 35 AO 1977 Tz. 2 b; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 35 AO 1977 Anm. 11). Sie beruht auf der Überlegung, daß nach dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers in der Verfügung über die Mittel eines anderen eine herausragende, tatsächlich wahrgenommene Machtbefugnis zu erblicken ist, die es rechtfertigt, sie als eigenständiges Kriterium für den Übergang der Verpflichtung zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu wählen und einen solchermaßen Verfügenden dem gesetzlichen Vertreter unabhängig davon gleichzustellen, wem gegenüber die Verfügung vorgenommen worden ist.

Die Klägerin ist nach dem Tode ihres Ehemannes bis zu ihrer Bestellung als Geschäftsführerin als Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 AO 1977 aufgetreten. Sie hat nach den in der Vorentscheidung getroffenen Feststellungen Schecks und Überweisungen für Konten der KG unterschrieben und ist damit gegenüber der Bank und den Scheckempfängern tatsächlich als Verfügungsberechtigte aufgetreten. Sie hat ferner an Kreditverhandlungen teilgenommen. Dieses Verhalten hatte nach § 35 AO 1977 zur Folge, daß die Klägerin die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters i.S. des § 34 Abs. 1 AO 1977 hatte. Nach dieser Vorschrift hat der gesetzliche Vertreter die steuerlichen Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet.

Im Streitfall sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), für die KG objektiv unrichtige, d.h. zu niedrige Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben und folglich zu niedrige Steuerzahlungen geleistet worden. Damit hat die Klägerin die ihr obliegenden steuerlichen Pflichten der KG verletzt. Daß die Klägerin sich tatsächlich um die Steuererklärungen nicht gekümmert und diese nicht unterschrieben, sondern sich ausschließlich auf das Unterschreiben von Zahlungsbelegen und die Teilnahme an Kreditverhandlungen beschränkt hat, ist ohne Bedeutung. Denn es ist ein Auftreten als Verfügungsberechtigter gegenüber den Finanzbehörden - wie oben dargelegt - nicht erforderlich.

b) Die Klägerin kann nicht mit Erfolg einwenden, daß sie nur aufgrund der ihr von ihrem Ehemann vor dessen Tod erteilten Bankvollmachten gehandelt habe und rechtlich zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der KG nicht - wie es § 35 AO 1977 voraussetzt - in der Lage gewesen sei.

Zwar sieht § 35 AO 1977 - anders als § 108 der Reichsabgabenordnung (AO) - einen Übergang der Pflichten des gesetzlichen Vertreters auf den Verfügungsberechtigten nur vor, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Die Klägerin war aber rechtlich und tatsächlich in der Lage, die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen.

Sie war zwar nicht Geschäftsführerin, sondern nach dem Tode ihres Ehemannes lediglich Alleingesellschafterin der GmbH und damit nicht deren Vertretungsorgan. Auch für den Fall, daß - wie hier - ein Geschäftsführer der GmbH nicht mehr vorhanden ist, findet kein automatischer Übergang der Vertretungsbefugnis auf ein anderes Organ der Gesellschaft statt. Vielmehr sind die Gesellschafter einer GmbH zu deren Vertretung auch dann nicht befugt, wenn deren Vertretungsorgan verhindert ist. Vertretungsorgan einer GmbH sind allein die Geschäftsführer (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Februar 1972 II ZR 169/69, BGHZ 58, 115, 118; Schneider in Scholz, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 6 Anm. 39).

Der Senat ist aber der Auffassung, daß bei der Beurteilung des rechtlichen und tatsächlichen Könnens i.S. des § 35 AO 1977 gerade die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin der GmbH maßgebliche Bedeutung erlangt, und zwar deshalb, weil es ihr in dieser Eigenschaft rechtlich und tatsächlich jederzeit möglich war, sich selbst zur Geschäftsführerin zu bestellen oder dafür zu sorgen, daß ein anderer Geschäftsführer bestellt wurde. Denn nach § 46 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) unterliegt die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern der Bestimmung der Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund betrachtet, war die Klägerin jedenfalls mittelbar rechtlich und tatsächlich in der Lage, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Dies muß im Rahmen des § 35 AO 1977 als ausreichend angesehen werden. Eine derartige Auslegung dieser Vorschrift ist deshalb gerechtfertigt, weil die Bestimmung anderenfalls weitgehend bedeutungslos wäre. Es wäre dann, wenn nur auf ein unmittelbares rechtliches Können abgestellt würde, im wesentlichen ein Übergang der Pflichten eines gesetzlichen Vertreters allein auf einen Personenkreis normiert, der diese Pflichten nach § 34 Abs. 1 AO 1977 ohnehin bereits innehat. Um mit der in § 35 AO 1977 getroffenen Regelung, nach der der Verfügungsberechtigte die Pflichten des gesetzlichen Vertreters hat, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann, die mit ihr erkennbar angestrebte eigenständige Bedeutung in dem für die Praxis erforderlichen Umfang zu gewährleisten, ist sie dahin auszulegen, daß es ausreicht, wenn der Verfügungsberechtigte tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, Rechtsverhältnisse herbeizuführen, aufgrund derer er in der Lage wäre, rechtlich verbindlich die Pflichten des gesetzlichen Vertreters entweder selbst zu erfüllen oder durch die Bestellung der entsprechenden Organe erfüllen zu lassen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß die Klägerin zivilrechtlich aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin nicht verpflichtet war, das Amt als Geschäftsführerin selbst zu übernehmen (vgl. BGH-Urteil vom 22. Oktober 1984 II ZR 31/84, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 637). Denn die Frage, ob eine Verpflichtung zur Übernahme der Geschäftsführerstellung besteht, berührt nicht die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit des Alleingesellschafters, sich selbst oder jemand anders in diese Position zu berufen und somit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu sorgen.

2. Die Haftung der in §§ 34 und 35 AO 1977 bezeichneten Personen besteht nach § 69 AO 1977, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um das Vorliegen dieser Voraussetzungen anzunehmen. Das gilt sowohl für die Haftung als Verfügungsberechtigte bis zum September als auch für die Zeit danach als Geschäftsführerin.

Die Klägerin hat geltend gemacht, daß sie sich bezüglich der Erledigung der steuerlichen Pflichten auf den Buchhalter, einen langjährigen Mitarbeiter der KG, verlassen habe. Dieser habe bereits zu Lebzeiten ihres Ehemannes die Umsatzsteuer-Voranmeldungen unterschrieben.

Es ist unbestritten, daß sich die gesetzlichen Vertreter zur Erfüllung der ihnen obliegenden steuerlichen Pflichten der Hilfe von Mitarbeitern bedienen können. Wird die Erfüllung der steuerlichen Pflichten auf Mitarbeiter übertragen, so hat es die Rechtsprechung allerdings nicht bereits als einen Entschuldigungsgrund für verspätete, unterlassene oder fehlerhafte Steuererklärungen oder Steuerzahlungen ausreichen lassen, daß diese Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt worden sind. Sie hat vielmehr verlangt, daß der Geschäftsführer die intern für den steuerlichen Bereich zuständigen Mitarbeiter auch überwacht (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1985 VII R 134/80, BFH/NV 1986, 61, 62; vom 10. Mai 1988 VII R 24/85, BFH/NV 1989, 72, 74). Es ist insbesondere gefordert worden, der Geschäftsführer müsse sich über den Geschäftsgang so eingehend unterrichten, daß er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen könne (Senatsurteil in BFH/NV 1989, 72, 74; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 AO 1977 Anm. 12 a).

Im Streitfall beruht die nicht rechtzeitige Festsetzung und die Nichterfüllung der später festgesetzten Umsatzsteuern nach den Feststellungen des FG nicht darauf, daß die KG überhaupt keine oder verspätet Voranmeldungen abgegeben hat. Vielmehr waren die von der KG eingereichten Voranmeldungen inhaltlich unrichtig. Ein derartiger Sachverhalt wäre bei einer Überwachung nicht bereits dadurch aufgedeckt worden, daß die Klägerin die pünktliche Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten einschließlich der Zahlung überwacht hätte. Dieser Umstand hätte vielmehr nur bei einer inhaltlichen Überprüfung der Voranmeldungen auffallen können

Die Entscheidung, welche Überwachungsmaßnahmen von einem Geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auf Mitarbeiter überträgt, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1989, 72, 74). Der Reichsfinanzhof (RFH) hat die Ansicht vertreten, daß es die Pflicht zur Überwachung überspannen hieße, wenn man dem Konkursverwalter zumuten wollte, jede einzelne Geschäftsbesorgung eines Angestellten genau nachzuprüfen. Auch dürfe er innerhalb gewisser Grenzen der Redlichkeit seiner Hilfspersonen Vertrauen schenken, ohne daß daraus ohne weiteres der Vorwurf der Fahrlässigkeit, zumal grober Fahrlässigkeit hergeleitet werden dürfe (RFH-Urteil vom 14. November 1930 V A 261/30, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 109, Rechtsspruch 2).

In Anlehnung an diese Rechtsprechung wird eine haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit der Klägerin auch im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres daraus hergeleitet werden können, daß sie sich ohne Überwachung auf die von ihr angenommene Zuverlässigkeit und Integrität des Buchhalters der KG verlassen hat. Denn auch in dem Fall, in dem ein Geschäftsführer im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter keine Überwachungsmaßnahmen durchführt, wird ein haftungsbegründendes Verschulden wegen einer fehlerhaften Steuererklärung in der Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung nur durch solche Überwachungsmaßnahmen hätte aufgedeckt werden können, zu denen für den Geschäftsführer nach den besonderen Umständen des Falles bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Überwachungspflicht kein Anlaß bestanden hat. Das bedeutet andererseits, daß bei unterlassener Überwachung eines sorgfältig ausgewählten Mitarbeiters, dem die Erfüllung steuerlicher Pflichten i.S. des § 34 Abs. 1 AO 1977 übertragen sind, ein haftungsbegründendes grob fahrlässiges Verhalten i.S. des § 69 Abs. 1 AO 1977 in der Regel nur dann in Betracht kommt, wenn die Überwachungsmaßnahmen, zu deren Vornahme im Einzelfall Anlaß bestand, auch geeignet gewesen wären, die Beanstandungen zu verhindern.