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  BFH-Beschluß vom 18.1.1991 (VI B 140/89) BStBl. 1991 II S. 309

Wird auf den Einspruch des Arbeitgebers ein gegen ihn ergangener Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid aufgehoben, so kann der dort berücksichtigte Arbeitslohn nunmehr bei der Veranlagung des Arbeitnehmers erfaßt werden.

EStG § 40 Abs. 3 Satz 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Der Kläger war als Angestellter der Firma B-GmbH (GmbH) nichtselbständig tätig. Die Arbeitgeberin gewährte dem Kläger nach Verkaufswettbewerben in den Streitjahren 1980 und 1981 je eine Reise. Im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung erhob das Betriebstätten-Finanzamt aufgrund eines diesbezüglichen Pauschalierungsantrags von der Arbeitgeberin mit Nachforderungsbescheid vom 16. April 1985 den auf den Wert der Reisen entfallenden Lohnsteuerbetrag, hob diesen Bescheid jedoch auf den Einspruch der GmbH insoweit wieder auf. Nunmehr ergingen Prüfungsmitteilungen an das Wohnsitz-Finanzamt der Kläger, den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -), der daraufhin mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheiden den Wert der Reisen als Arbeitslohn erfaßte.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger vorab geltend, das Gericht der angefochtenen Entscheidung sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).Das Zulassungsbegehren stützen die Kläger auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache:

Die angefochtene Entscheidung sei insofern in sich widersprüchlich, als das FG einerseits ausführe, daß die Steuerschuld für nachzuversteuernde Bezüge des Arbeitnehmers aus der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer bereits dann ausscheide, wenn ein Antrag nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt sei, andererseits aber feststelle, daß die Unternehmenssteuer eigener Art erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides entstehe. Jedenfalls weiche die Entscheidung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) ab. Denn das FG nehme den Eintritt der auflösenden Bedingung für den Übergang der Steuerschuld dann an, wenn es nicht zur Bestandskraft des Bescheides komme, während der BFH den Eintritt der auflösenden Bedingung nur dann annehme, wenn der Arbeitgeber bis zur Bestandskraft des Bescheides seinen Pauschalierungsantrag zurücknehme, nicht jedoch, wenn das FA den Bescheid aufhebe.

Des weiteren gehe das FG davon aus, daß für den Übergang der Steuerschuld auf den Arbeitgeber auch die Entrichtung der pauschalen Steuer notwendig sei. Auch dies lasse sich nicht aus dem erwähnten BFH-Urteil entnehmen. Wenn man der Auffassung des FG folgen wollte, dann hätte der Arbeitnehmer unter Umständen das Liquiditätsrisiko seines Arbeitgebers zu tragen, obwohl die Steuerschuld bereits befreiend übergegangen sei.

Die Feststellung, daß die unternehmensbezogene Steuer bereits durch den Erlaß eines Pauschalierungsbescheides entstanden sei und lediglich durch den Eintritt der Bedingung - Rücknahme der Übernahmeerklärung - aufgelöst werden könne, habe grundsätzliche Bedeutung für die Rechtssicherheit, da anderenfalls der Arbeitnehmer noch nach Jahren mit einer Nachveranlagung rechnen müsse für Steuern, auf deren Sachverhaltsermittlung er keinen Einfluß habe, sowie deswegen, weil anderenfalls der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber das Liquiditäts- und Bonitätsrisiko übernehmen müßte. Es bestehe ein Interesse des Rechtsverkehrs an der Feststellung, daß nur die Rücknahme der Pauschalierungserklärung zum Bedingungseintritt führe.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Es führt aus, dem angeführten BFH-Urteil sei nicht zu entnehmen, daß die auflösende Bedingung nur dann eintrete, wenn der Arbeitgeber bis zur Bestandskraft des Pauschalierungsbescheides seinen Pauschalierungsantrag zurücknehme. Vielmehr sei dies nur eine Möglichkeit des Eintritts der auflösenden Bedingung. Des weiteren gehe das FG in seinen Urteilsgründen nicht davon aus, daß für den Übergang der Steuerschuld auf den Arbeitgeber auch die Entrichtung der pauschalen Lohnsteuer notwendig sei. Die Rechtssache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung. Insbesondere lasse die Rechtsprechung des BFH keinen Zweifel daran, daß die pauschale Lohnsteuer erst im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Pauschalierungsbescheides als Unternehmenssteuer beim Arbeitgeber entstehe.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ohne Zulassung statthaften Revision vorlagen. Dies unterstellt, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig und könnte auch nicht in eine zulassungsfreie Revision umgedeutet werden (BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679). Im übrigen wird auf § 105 Abs. 1 Satz 4 FGO hingewiesen, wonach es der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter nicht bedarf.

2. Jedenfalls ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.

a) Eine Divergenz liegt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor, wenn das FG dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem - ebenfalls tragenden - abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung des BFH abweicht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. März 1989 II B 170/88, BFH/NV 1990, 376, und vom 16. Januar 1990 VII B 116/89, BFH/NV 1990, 716).

Im BFH-Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 wird ausgeführt, daß durch den im Pauschalierungsverfahren ergehenden Bescheid die Steuerschuld in der Person des Arbeitgebers auflösend bedingt entstehe und daß der Arbeitgeber durch die Rücknahme des Pauschalierungsantrags die Schuldnerschaft des Arbeitnehmers wieder aufleben lassen könne. Dagegen ist dieser Entscheidung zu der hier streitigen Rechtsfrage, welche Auswirkung die Aufhebung eines Pauschalierungsbescheides auf die einkommensteuerrechtlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers hat, nichts zu entnehmen.

b) Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (BFH-Beschluß vom 6. Februar 1990 VII B 148/89, BFH/NV 1990, 747) bzw. wenn die betreffende Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (BFH-Beschluß vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344).

Das ist hier der Fall. Bereits das BFH-Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 ging von der - dort allerdings nicht entscheidungserheblichen - Vorstellung aus, daß die auflösend bedingt entstandene eigene Steuerschuld des Arbeitgebers vom Bestehenbleiben des die Steuerschuld begründenden Pauschalierungsbescheides abhänge. Diesem Verständnis entspricht es, daß bei einem auf den Einspruch des Arbeitgebers erfolgten Wegfall des Pauschalierungsbescheides auch die Abgeltungswirkung des § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG entfällt, da ein "pauschal besteuerter Arbeitslohn" nicht mehr vorhanden ist. Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt (Wagner, Die Pauschalierung der Lohn- und Lohnkirchensteuer, Diss., Der Rechts- und Steuerdienst, Heft 66, S. 95 m.w.N.; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40 Rdnr. A 13 und D 6).