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  BFH-Urteil vom 18.12.1990 (X R 151/88) BStBl. 1991 II S. 354

Werden unbare Altenteilsleistungen (hier: Aufwendungen für Verpflegung) mit den Werten der SachBezV abgezogen, ist für ein Altenteilerehepaar der um 80 v.H. erhöhte Wert des § 1 Abs. 2 SachBezV (in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung) anzusetzen (Anschluß an Urteil des Senats vom 21. Juni 1989 X R 13/85, BFHE 157, 165, BStBl II 1989, 786).

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1, SachBezV 1980 bis 1982 § 1 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1989, 54)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) übernahm durch notariellen Vertrag vom 12. Mai 1975 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Fuhrunternehmen seines Vaters. In dem Übergabevertrag verpflichtete er sich zur "lebenslänglichen unentgeltlichen Verpflegung am gemeinschaftlichen Tisch des Übernehmers, wobei auf das Alter und den Gesundheitszustand des Übergebers Rücksicht zu nehmen ist". Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) war in dieser Weise das Altenteilsrecht der Eltern des Klägers geregelt. Diese wurden im 4-Personen-Haushalt der Kläger verpflegt.

Im Anschluß an eine Außenprüfung schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den im Streitjahr 1982 als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) abziehbaren Wert der Verpflegung "in Anlehnung" an die Sachbezugsverordnung (SachBezV) auf 56 v.H. von 4.980 DM (= 2.788,80 DM) für den ersten Altenteilsberechtigten und auf 80 v.H. hiervon (= 2.231,04 DM) für dessen Ehegatten; die Abzugsbeträge für die Streitjahre 1980 und 1981 wurden nach demselben Schema ermittelt. Der erstgenannte Vomhundertsatz wurde in den Einspruchsentscheidungen für die Jahre 1981 und 1982 auf 54 v.H. berichtigt; das FA ermittelte den Wert der unbaren Altenteilsleistungen wie folgt:

(1980) 56 v.H. von 4.200 DM zuzüglich 80 v.H. hiervon = 4.233 DM

(1981) 54 v.H. von 4.560 DM zuzüglich 80 v.H. hiervon = 4.432 DM

(1982) 54 v.H. von 4.980 DM zuzüglich 80 v.H. hiervon = 4.841 DM.

Mit der Klage wendeten sich die Kläger u.a. gegen die Kürzung des für den zweiten Berechtigten anzusetzenden Wertes auf 80 v.H. und beantragten Erhöhung der Sonderausgaben um 470 DM (1980), 492 DM (1981) und 557 DM (1982).

Das FG hat der Klage in diesem - im Revisionsverfahren einzig noch streitigen - Punkte stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 54.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt u.a. vor:

Das FG habe gegen Schätzungsgrundsätze verstoßen und den Sachverhalt nicht ausreichend gewürdigt. Bei dem Haushalt handele es sich um einen durch die ländliche Umgebung geprägten Haushalt. Das Preisniveau sei durch die Lage im Randgebiet zur (ehemaligen) DDR bestimmt. Der anläßlich der Vermögensübernahme übertragene landwirtschaftliche Betrieb werde weiter bewirtschaftet; die dabei erzeugten Lebensmittel (Fleisch, Obst, Kartoffeln und Gemüse) würden im Haushalt mitverwendet.

Das FA beantragt, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie tragen u.a. vor: Die Schätzwerte der SachBezV seien allenfalls ein Indiz für die Höhe des tatsächlich anzusetzenden Wertes. Nach der SachBezV sei eine Vervielfältigung auf 180 v.H. nur möglich, wenn ein Ehegatte nicht bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sei. Derjenige, der einen eigenen Rechtsanspruch habe, könne einen Sachbezugswert von 100 v.H. beanspruchen. Jeder der Kläger habe hier einen Rechtsanspruch gegen die Altenteilsverpflichteten gehabt. Diese Überlegung finde auch in der Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover vom 25. Januar 1988 (S 2230 - 4 - StH 222/S 2230 - 12 StO 222) einen Niederschlag. In dieser Verfügung sei die Vollbeköstigung eines Altenteilerehepaares mit dem doppelten Betrag (200 v.H.) angesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur hinsichtlich des Jahres 1982 teilweise begründet.

1. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 23. Mai 1989 X R 34/86 (BFHE 157, 161, BStBl II 1989, 784) entschieden: Als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) abziehbare unbare Altenteilsleistungen sind mit ihrem tatsächlichen Wert zu bewerten. Für den Nachweis ihrer Höhe gelten die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze. Wird ein Einzelnachweis nicht geführt, so ist die Höhe der Aufwendungen in der Regel zu schätzen. Die Leitwerte der SachBezV 1978 ff. sind ein geeigneter Schätzungsmaßstab, wobei Ausnahmen mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zuzulassen sind, wenn die Anwendung der SachBezV aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zu einer offensichtlich unrichtigen Besteuerung führt. Der Senat ist davon ausgegangen, daß die statistischen Erhebungen, auf denen die Werte der SachBezV fußen, ein in einem breiten Normalbereich liegendes Verbrauchsverhalten abdecken; insoweit sind einzelfallbezogene Erörterungen über hiervon abweichende Sachverhalte nicht zulässig. Wegen der Begründung im Einzelfall wird auf das genannte Urteil Bezug genommen.

Anhaltspunkte dafür, daß die Anwendung der amtlichen Sachbezugswerte als Schätzungsmaßstab hier zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, sind im Streitfall nicht ersichtlich.

Nach dem Senatsurteil vom 21. Juni 1989 X R 13/85 (BFHE 157, 165, BStBl II 1989, 786) sind die Altenteilsleistungen nach den - ungekürzten - Werten der SachBezV in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung zu berechnen. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Abschn. 87 Abs. 4 Satz 7 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990).

2. Bereits aus diesem Grunde ist die Revision betreffend die Streitjahre 1980 und 1981 unbegründet. Der nach der SachBezV 1980 (BGBl I 1979, 2174, BStBl I 1980, 13) abziehbare Betrag beläuft sich auf 4.898 DM - (405 x 12 x 56 v.H.) + 80 v.H. x (405 x 12 x 56 v.H.) -. Auf der Grundlage der SachBezV 1981 (BGBl I 1980, 2245, BStBl I 1981, 10) errechnet sich der im Streitjahr 1981 insgesamt abziehbare Wert mit 4.957 DM - (425 x 12 x 54 v.H.) + 80 v.H. x (425 x 12 x 54 v.H.) -. Beide Beträge übersteigen die vom FG antragsgemäß angesetzten Werte. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.

3. Im Streitjahr 1982 ist nach der SachBezV 1982 (BGBl I 1981, 1380, BStBl I 1981, 896) der Betrag von 5.248 DM - (450 x 12 x 54 v.H.) + 80 v.H. x (450 x 12 x 54 v.H.) - abziehbar. Ein weitergehender Anspruch steht den Klägern nicht zu. Da das FG den Klägern einen höheren Abzugsbetrag zuerkannt hat, war sein Urteil insoweit aufzuheben.

a) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 157, 165, BStBl II 1989, 786 die unbaren Aufwendungen für den Ehegatten des Altenteilers für die Neuberechnung der Steuer mit 80 v.H. angesetzt. Dies war insofern keine tragende Erwägung, als im entschiedenen Fall die Einkommensteuer ohnehin auf 0 DM festzusetzen war. Indes hält der Senat an dieser Berechnungsweise fest: Die Zurechnung eines Kostenanteils von 180 v.H. für die Referenzgruppe "Ehepaar ohne Kind" ist in den Berechnungsgrundlagen der SachBezV angelegt; eine abweichende Ermittlung dieses Gesamtbetrages würde die Systematik der SachBezV durchbrechen und die Ableitung und rechnerische Nachvollziehbarkeit der Eckwerte aufheben.

b) Die Eckwerte der SachBezV gründen auf Durchschnittswerten, die in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1973 des Statistischen Bundesamtes für Arbeiterhaushalte ermittelt worden sind (BRDrucks 509/77, S. 6). Die hierbei praktizierte Verbrauchsrechnungsmethode ermittelt den Lebensbedarf anhand "laufender Wirtschaftsrechnungen" privater Haushalte sowie anhand von Einkommens- und Verbrauchsstichproben (vgl. Gesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte vom 11. Januar 1961, BGBl I 1961, 18, i.V.m. der hierzu ergangenen Durchführungs-Verordnung vom 18. Mai 1977, BGBl I 1977, 737; Statistisches Jahrbuch 1988 für die Bundesrepublik, S. 458 ff.; Euler, Ergebnis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1983, Wirtschaft und Statistik 1987, 499). Die nach diesem "Statistikmodell" ermittelten Verbrauchsverhältnisse werden mittels "Verbrauchseinheitenrechnung" den einzelnen Mitgliedern der betreffenden Referenzgruppe zugerechnet (vgl. Diedrich, Unterhaltsberechnung nach Quoten und Tabellen - Zur Geschichte und Methode der Konkretisierung unterhaltsrechtlicher Generalklauseln, 1986, S. 84 ff., 89 f.). Die EVS ist als Statistik zur Erfassung allgemeiner Lebens- und Verbrauchsdaten allgemein anerkannt. Dies findet seinen Ausdruck u.a. darin, daß die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder ein hiernach ermitteltes Bedarfsbemessungssystem als geeignete Grundlage für die Bemessung der Regelsätze nach § 22 des Sozialhilfegesetzes angesehen hat (vgl. die Gutachtliche Äußerung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Neues Bedarfsbemessungssystem für die Regelsätze in der Sozialhilfe: Ableitung der Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige, 1989, S. 6, 9, 29 ff., 47).

Entsprechend ist der Verordnungsgeber bei Erlaß der SachBezV vorgegangen: Statistische Grundlage für die Festsetzung der Eckwerte waren die in der EVS 1973 ermittelten und auf die Lebensverhältnisse des Jahres 1978 hochgerechneten Ausgaben- bzw. Verbrauchsverhältnisse eines Arbeiterhaushalts (Ehepaar ohne Kind). Der für diese Bedarfs- und Verbrauchsgemeinschaft als "idealtypisch" ermittelte Gesamtbetrag wird mit 180 Punkten bewertet, von denen als Verbrauchseinheiten 100 Punkte der ersten und 80 Punkte der zweiten Person zugerechnet werden (BTDrucks 509/77, S. 6). Auf die Frage, ob diese Aufteilung auf die Mitglieder der Verbrauchsgemeinschaft dem Stand der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis entspricht, kommt es hier nicht an, da jedenfalls der in die SachBezV übernommene Eckwert als absolute Zahl eine rechtlich vertretbare Schätzung enthält.