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  BFH-Urteil vom 16.1.1991 (II R 78/88) BStBl. 1991 II S. 376

Für die Anforderungen an die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Steuervergünstigung nach § 21 Abs. 1 GrEStG BW (= § 5 Abs. 1 GrEStG 1940/1983) bei Übergang eines Grundstücks von Miteigentümern auf eine Gesamthand gelten die zu Absatz 2 der Vorschrift (Übergang vom Alleineigentümer auf eine Gesamthand) entwickelten Grundsätze entsprechend.

GrEStG BW § 21 Abs. 1 (= § 5 Abs. 1 GrEStG 1940/1983).

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 19. August 1982 von den Eheleuten A gegründet. Diese waren Miteigentümer je zur Hälfte eines Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tag verpflichteten sie sich, das Grundstück auf die Klägerin zu übertragen.

Bereits am Tag der Gründung der Klägerin boten die Eheleute A der Firma B-AG den Abschluß eines Vertrages zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen an der Klägerin an. Nach dem Angebot sollte die AG durch Eintritt in die Klägerin 90 % der Beteiligung des Gesellschafters A, also 45 % des Gesellschaftsvermögens, und die gesamte Beteiligung von Frau A, insgesamt also 95 % des Gesellschaftsvermögens, erwerben. Als Gegenleistung sollte die AG 1.093.500 DM entrichten und eingetragene Grundpfandrechte, die in Höhe von 1,5 Mio DM valutiert waren, übernehmen. Darüber hinaus sollte einer Weiterübertragung von Gesellschaftsanteilen jedweder Stückelung schon im voraus zugestimmt werden. Dieses Angebot nahm die AG am 2. Dezember 1982 an.

Den Sinn und Zweck der gewählten Vertragsgestaltung erläuterten die Eheleute A wie folgt. "Wir hatten ursprünglich die Absicht, das Gesamtgrundstück zu veräußern, und zwar um den Erlös aus dem Verkauf für die Finanzierung unseres Neubaus zu verwenden. Unsere diesbezüglichen Bemühungen haben allerdings nicht zum Erfolg geführt. Die Firma B-AG interessierte sich nur für die Übernahme eines wesentlichen Teils des Objekts, und zwar in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie legte aus Verwaltungsgründen Wert darauf, daß wir zumindest mit einem kleinen Gesellschaftsanteil in der Gesellschaft verbleiben. Aufgrund dessen wurde am 19. August 1982 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet als Voraussetzung für die Übernahme von BGB-Gesellschaftsanteilen durch die B-AG."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte die Grundstückseinbringung zunächst antragsgemäß durch Bescheid vom 7. September 1982 nach § 21 Abs. 1 des damals geltenden baden-württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Grunderwerbsteuer frei. Nachdem das FA danach die geschilderten Gesamtumstände erfuhr, setzte es mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 9. Dezember 1983 Grunderwerbsteuer in Höhe von 176.295 DM fest. Dabei nahm es lediglich einen Anteil von 5 % nach § 21 Abs. 1 GrEStG von der Besteuerung aus.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung in vollem Umfang nach § 21 Abs. 1 GrEStG vorlägen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die grundstückseinbringenden Eheleute A hätten entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung ihre Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 24. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429) führe dies zur Versagung der Steuervergünstigung nach § 21 Abs. 1 GrEStG. Dieser Rechtsprechung schließe sich das FG an.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 21 Abs. 1 GrEStG. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Grundstückseinbringung von der Grunderwerbsteuer zu befreien.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das FG dahin erkannt, daß der Grundstückserwerb der Klägerin nicht über den vom FA angenommenen Umfang hinaus grunderwerbsteuerfrei ist.

1. Nach § 21 Abs. 1 GrEStG (= § 5 Abs. 1 GrEStG 1940/1983) wird die Steuer beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. Für die Auslegung dieser Vorschrift gelten die zu ihrem Absatz 2 (Einbringung durch einen Alleineigentümer) entwickelten Grundsätze entsprechend.

2. Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks aufgrund des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts wirtschaftlich insoweit zu keiner Veränderung führt, als der veräußernde Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung auch am Grundstück(swert) beteiligt bleibt. Das Gesetz berücksichtigt damit erklärtermaßen (vgl. Gesetzesbegründung, RStBl 1940, 387, 398) wirtschaftliche Gesichtspunkte. Trotz des Rechtsträgerwechsels unterbleibt eine Besteuerung insoweit, als sich die uneingeschränkte Berechtigung des bisherigen (Mit-)Eigentümers am Grundstück in Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen fortsetzt; denn Eigentümer des Gesamthandsvermögens sind die einzelnen Gesellschafter, wenn auch mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam in gesamthänderischer Verbundenheit. Die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen treffen gleichermaßen - wenn auch nur anteilig - den Gesamthandsberechtigten. Sinn und Zweck der Steuervergünstigung verlangen daher, daß sich das bisherige Miteigentum auch tatsächlich in der geschilderten Weise am Gesamthandseigentum fortsetzt (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429).