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  BFH-Urteil vom 11.1.1991 (III R 104/87) BStBl. 1991 II S. 501

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG ist auf die Tarifermäßigung bei der Einkommensteuer auch die auf steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlte Berlinzulage anzurechnen.

BerlinFG a.F. §§ 21 Abs. 1 Satz 3 und 4, 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind seit dem Streitjahr (1978) verheiratet. Sie haben ihren Wohnsitz in Berlin (West). Die Klägerin ist Bürovorsteherin in der ....praxis des Klägers. Im Streitjahr erhielt die Klägerin einen Jahresarbeitslohn. Darüber hinaus bekam sie für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfreie Zuschläge nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Auf den Arbeitslohn einschließlich der Zuschläge erhielt die Klägerin Berlinzulage nach § 28 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung auch die Zuschläge der Steuerpflicht. Der gegen die Steuerfestsetzung eingelegte Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA nunmehr von der Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausging. In dem entsprechenden Änderungsbescheid vom 12. Dezember 1983 berechnete es die Tarifermäßigung gemäß § 21 Abs. 1 i.V.m. § 23 Nr. 4 a BerlinFG mit 6.888 DM. Von diesem Betrag zog es die an die Klägerin ausgezahlte Berlinzulage in vollem Umfang (5.172 DM), also einschließlich der auf die steuerfreien Bezüge entfallenden Zulage ab, und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest.

Gegen diesen Änderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. April 1984 erhoben die Kläger Klage. Während der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) einigten sich die Beteiligten über alle Streitpunkte bis auf die Höhe der zu verrechnenden Berlinzulage. Daraufhin erklärte der Vertreter des FA, "daß er hiermit drei Änderungsbescheide hinsichtlich der Pkw-Kosten erläßt, die rechnerisch noch ausgeformt werden müssen, wobei 10 % der Pkw-Kosten für den Privatanteil berücksichtigt werden sowie für 1978 außerdem noch ein Berlin-Zulagebetrag von 20 DM weniger angesetzt wird". Anschließend erklärten die Kläger diese Änderungsbescheide gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. In der Folgezeit verschickte das FA eine "Mitteilung über Einkommensteuer 1978". Es handelte sich dabei um den Ausdruck eines Steuerbescheids, bei dem die Rechtsbehelfsbelehrung durchgestrichen worden war.

Die Klage, bei der es somit nur noch um die Höhe der Anrechnung ausgezahlter Berlinzulage auf die Berlinermäßigung ging, wies das FG ab. Es vertrat die Ansicht, aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 3 BerlinFG ergebe sich, daß die insgesamt gezahlte Berlinzulage bei der Tarifermäßigung in Abzug zu bringen sei. Dem Gesetzgeber sei es allein darauf angekommen, Berlinermäßigung auf Arbeitnehmereinkünfte nur zu gewähren, soweit sie die Berlinzulage übersteigt. Diese Zielvorgabe werde durch die gesetzliche Regelung erreicht. Eine planwidrige Unvollkommenheit des Gesetzes sei nicht festzustellen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie sind der Ansicht, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer sei auf die Tarifermäßigung allein die Berlinzulage anzurechnen, die auf steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit entfällt. Soweit die Berlinzulage auf die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfalle, dürfe eine Verrechnung nicht vorgenommen werden.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteueränderungsbescheid vom 17. Februar 1987 dahin abzuändern, daß auf die Tarifermäßigung lediglich die Berlinzulage angerechnet wird, die auf steuerpflichtigen Arbeitslohn der Klägerin entfällt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanz hat es zutreffend abgelehnt, die Tarifermäßigung lediglich um die Berlinzulage zu kürzen, die auf steuerpflichtigen Arbeitslohn der Klägerin entfiel.

1. Der Senat geht dabei davon aus, daß der ursprüngliche mit der Klage angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. April 1984 Verfahrensgegenstand ist.

Zwar spricht vieles dafür, daß die Beteiligten und auch die Vorinstanz angenommen haben, durch die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 17. Februar 1987 sei ein neuer Einkommensteueränderungsbescheid 1978 erlassen worden. Das ergibt sich aus der protokollierten Formulierung "Der Beklagtenvertreter erklärt, daß er hiermit drei Änderungsbescheide hinsichtlich der Pkw-Kosten erläßt, ....". Ferner bekommt nur so der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gemäß § 68 FGO gestellte Antrag der Kläger einen Sinn. Darüber hinaus hat das FA später auch nicht einen förmlichen Änderungsbescheid erlassen. Das rechnerische Ergebnis der Änderung übermittelte es vielmehr durch eine sog. Mitteilung, in der die Rechtsbehelfsbelehrung durchgestrichen war.

Es kann offenbleiben, ob der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG unmittelbar einen neuen Einkommensteueränderungsbescheid erlassen wollte. Ein solcher Bescheid hätte keine Wirkung entfaltet. Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) müssen Steuerbescheide u.a. die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen, d.h., der Steuerbescheid muß die Steuerart angeben und den genauen Betrag der Steuer auswerfen, der gefordert wird (s. von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 157 AO 1977 Rdnr. 6). Diesen Anforderungen wird die Erklärung des Vertreters des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerecht, da sie die notwendigen Steuerberechnungen lediglich zusagt. Die Verletzung des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 führt zur inhaltlichen Unbestimmtheit des Steuerbescheids i.S. des § 119 Abs. 1 AO 1977, mit der Folge der Nichtigkeit (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. August 1985 I R 309/82, BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 119 Anm. 2, S. 344; von Wallis, a.a.O., § 157 AO 1977 Rdnr. 6).

Selbst wenn also die Erklärung des Vertreters des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG als Steuerbescheid zu deuten wäre, so wäre dieser Bescheid wegen Nichtigkeit nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Der ursprüngliche Steueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. April 1984 wäre folglich auch in diesem Fall Verfahrensgegenstand geblieben (vgl. BFH-Urteile vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514, und vom 8. Oktober 1975 II R 129/70, BFHE 117, 390 unter I., BStBl II 1976, 195). Streitig ist in bezug auf diesen Bescheid nur noch, in welchem Umfang die Berlinzulage auf die Tarifermäßigung anzurechnen ist. Bezüglich der übrigen im Klageverfahren streitigen Punkte ist die Erklärung des Vertreters des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG als bindende Zusage zu werten, einen entsprechenden Änderungsbescheid zu erlassen (s. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 1/80, BFHE 151, 118 unter 3., BStBl II 1988, 121).

2. Die Tarifermäßigung ist im Streitfall um die volle Berlinzulage zu kürzen.

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG ist die Ermäßigung der Einkommensteuer, die auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 23 Nr. 4 Buchst. a BerlinFG entfällt, durch die für den Veranlagungszeitraum gezahlten Zulagen nach § 28 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BerlinFG abgegolten, soweit sie diese nicht übersteigt (s. auch § 25 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BerlinFG). Zulagen zum Arbeitslohn, von dem die Lohnsteuer nach § 40a EStG mit einem Pauschsteuersatz erhoben worden ist, bleiben außer Betracht (§ 21 Abs. 1 Satz 4 BerlinFG). Die in dieser Regelung zum Ausdruck gebrachte sog. Abgeltungsklausel umfaßt dabei alle im Veranlagungszeitraum gezahlten Zulagen und nicht nur - wie die Kläger meinen - die aufgrund steuerpflichtiger Einnahmen gezahlten Zulagen. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG sowie der Gesetzessystematik.

a) Der Wortlaut dieser Vorschrift knüpft allein an einen betragsmäßig festgeschriebenen Rechnungsposten an und nimmt grundsätzlich keine inhaltlichen Differenzierungen vor. § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG schreibt vor, daß die Ermäßigung der Einkommensteuer "durch die für den Veranlagungszeitraum gezahlten Zulagen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 bis 3 abgegolten" ist. Die gezahlten Zulagen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BerlinFG sind genau bestimmbare Größen. Sie bemessen sich nach dem Arbeitslohn (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BerlinFG), der, wie § 28 Abs. 2 Satz 3 BerlinFG ausdrücklich bestimmt, auch die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit umfaßt.

b) Die volle Anrechnung der Berlinzulage auf die Ermäßigung der Einkommensteuer entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Die heute geltende Arbeitnehmerzulage des § 28 BerlinFG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Berlinhilfegesetzes und anderer Vorschriften vom 23. Juni 1970 (BGBl I 1970, 826) geschaffen und trat an die Stelle der bis dahin zweigleisigen steuerlichen Förderung von Berliner Arbeitnehmern. Anstelle der bisherigen Steuerpräferenz von 30 v.H. und der degressiv gestaffelten Arbeitnehmerzulage von maximal 5 v.H. des Bruttolohns wurde eine einheitliche Arbeitnehmerzulage in Höhe von 8 v.H. des Bruttolohns eingeführt die auf die bei der Einkommensteuer weiterhin bestehende Steuerermäßigung von 30 v.H. anzurechnen ist (s. BTDrucks VI/614, S. 12). Mit dieser Gesetzesänderung verfolgte der Gesetzgeber das Anliegen, einerseits die Gewährung der Berlinzulage als Mindestvergünstigung sicherzustellen und andererseits eine Doppelvergünstigung auszuschließen. Durch die volle Anrechnung der Berlinzulage auf die Ermäßigung der Einkommensteuer wird gewährleistet, daß die Berlinzulage ungekürzt dem Arbeitnehmer verbleibt, ohne daß eine Doppelvergünstigung möglich ist.

c) Zuzugeben ist den Klägern, daß die Anrechnung der Zulage, soweit sie auf die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfällt, zur Abgeltung der Steuerermäßigung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG vorgenommen wird, obgleich keine Doppelvergünstigung im eigentlichen Sinne in Betracht kommt. Eine solche Doppelvergünstigung kann nämlich nur dann vorliegen, wenn die Bemessungsgrundlage der Zulage gleichzeitig Berechnungsgrundlage der Steuerermäßigung ist. Dies ist aber bei steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht der Fall. Diese Zuschläge gehen zwar gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 BerlinFG in die Bemessungsgrundlage der Arbeitnehmerzulage ein, werden aber bei der Berechnung der 30 %igen Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nicht berücksichtigt. Steuerfreie Einnahmen sind bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, das die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet (§ 2 Abs. 5 und § 32 Abs. 1 Satz 1 EStG), unbeachtet zu lassen.

Dennoch kann aus diesem Umstand nicht - wie die Kläger meinen - eine planwidrige Unvollkommenheit des Gesetzes abgeleitet werden. Aus der Gesetzessystematik des § 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 BerlinFG läßt sich entnehmen, welche Zulagen auf die Ermäßigung der Einkommensteuer angerechnet werden sollen und welche nicht. Nach der Grundsatzregelung in § 21 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG, wonach die gezahlten Zulagen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BerlinFG anzurechnen sind, bestimmt § 21 Abs. 1 Satz 4 BerlinFG, welche Zulagen im Rahmen der Abgeltungsklausel außer Betracht bleiben. Es ist für den erkennenden Senat kein Grund ersichtlich, warum es der Gesetzgeber übersehen haben sollte, in die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 1 Satz 4 BerlinFG auch die Berlinzulage, die auf Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfällt, aufzunehmen. Der Gesetzgeber wollte vielmehr eine Steuerermäßigung für den steuerpflichtigen Lohn auch insoweit ausschließen, als der Steuerpflichtige Berlinzulage für steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten hat. Dies gründet sich auf der Überlegung, daß bei steuerfreien Zuschlägen i.S. des § 3b EStG bereits eine Doppelbegünstigung darin besteht, daß sie von Gesetzes wegen steuerfrei sind und darauf Berlinzulage gewährt wird. Durch die Anrechnung der Berlinzulage, soweit sie auf steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfällt, auf die Tarifermäßigung wird diese Doppelbegünstigung abgemildert. Es steht letztlich im Ermessen des Gesetzgebers, in welchem Umfang und auf welche Weise er eine Förderung verwirklichen will.