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  BFH-Beschluß vom 23.1.1991 (I E 3/90) BStBl. 1991 II S. 528

In einem Rechtsstreit um den Erlaß von Körperschaftsteuer, Ergänzungsabgabe und Aussetzungszinsen aus Billigkeitsgründen bemißt sich der Streitwert nach dem Gesamtbetrag, dessen Erlaß begehrt wird.

GKG §§ 11 Abs. 2, 13 Abs. 1, 22 Abs. 1.

Sachverhalt

I.

Streitig ist der einer Kostenrechnung zugrunde liegende Streitwert.

Die Klägerin und Erinnerungsführerin (Klägerin) beantragte im Klageverfahren, das zuständige Finanzamt (FA) zu verpflichten, Körperschaftsteuer, Ergänzungsabgabe und Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt 643.878 DM aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Die Klage wurde als unzulässig verworfen. Im anschließenden Revisionsverfahren beantragte die Klägerin Zurückverweisung an das Finanzgericht (FG) mit dem Ziel einer Sachentscheidung. Die Revision wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) als unbegründet zurückgewiesen (Beschluß vom 18. Juli 1990 I R 97/87 ).

Mit Kostenrechnung vom 24. Oktober 1990 (KostL 1680/90) setzte die Kostenstelle des BFH die Gerichtskosten aus dem Revisionsverfahren auf der Grundlage eines Streitwerts von 643.878 DM an.

Mit der Erinnerung wendet sich die Kostenschuldnerin gegen die Höhe des Streitwerts. Sie macht sinngemäß geltend, daß im Revisionsverfahren nur der Erlaß von Körperschaftsteuer streitig gewesen sei. Die Aussetzungszinsen in Höhe von 203.906 DM und die Ergänzungsabgabe in Höhe von 12.814 DM seien Nebenabgaben. Sie dürften in den Streitwert nicht einbezogen werden. Das FG habe dementsprechend die Gerichtskosten nur auf der Grundlage eines Streitwerts von 427.158 DM berechnet.

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte Erinnerung (§ 1 Abs. 1 Buchst. c, § 5 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist unbegründet. Der Kostenrechnung ist zutreffend ein Streitwert von 643.878 DM zugrunde gelegt worden.

1. Die Gerichtsgebühren richten sich - soweit nichts anderes bestimmt ist - nach dem Streitwert (§ 11 Abs. 2 GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert grundsätzlich "nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache" zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 GKG). In Erlaßsachen ist für die Bemessung des Streitwerts nach ständiger Rechtsprechung des BFH und nach überwiegender Auffassung im Schrifttum regelmäßig der Betrag maßgebend, dessen Erlaß begehrt wird (BFH-Urteil vom 16. Juli 1965 III 232/62 U, BFHE 83, 282; Beschluß vom 11. Juni 1987 III R 92/85, nicht veröffentlicht - NV -; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 135 Rz. 30 "Erlaß"; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., vor § 135 Anm. II, 4 b, gg; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., Vor § 135 FGO, Tz. 103 "Erlaß"; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rz. 10424). Für das Revisionsverfahren bestimmt § 14 Abs. 1 GKG ergänzend, daß sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers bestimmt.

2. Die Klägerin hat im Revisionsverfahren die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache mit dem Ziel eines Sachurteils beantragt. Dieser Antrag entspricht dem in erster Instanz gestellten Antrag, das FA zu verpflichten, Abgaben im Gesamtbetrag von 643.878 DM zu erlassen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV 204/64, BFHE 99, 4, BStBl II 1970, 493).

Da die Klägerin den Erlaß von Körperschaftsteuer, Ergänzungsabgabe und Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt 643.878 DM begehrt, ist der Streitwert in Höhe dieses Betrages anzusetzen.

3. Aus § 22 GKG ergibt sich nichts anderes. Nach § 22 Abs. 1 GKG wird bei Handlungen, die außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betreffen, der Wert der Nebenforderung nicht berücksichtigt.

Soweit Zinsen Gegenstand eines Verfahrens vor den FG sind, kommt es sonach darauf an, ob die Zinsen neben einer Hauptforderung "als Nebenforderung" angefochten werden. Nebenforderungen sind dadurch gekennzeichnet, daß ihr Bestehen durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt ist und daß sie infolgedessen dem Grunde und der Höhe nach von einer Hauptforderung abhängig sind (Beermann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a.a.O., Rz. 10390/6; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 4 Anm. C III a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl., § 4 Anm. 3; Drischler/Oestreich/Henn/Haupt, Gerichtskostengesetz, Kommentar, VIII Streitwert, Stichwort: Zinsen).

Im Streitfall ist der Erlaß der Ergänzungsabgabe und der Aussetzungszinsen nicht "als Nebenforderung" neben dem Erlaß von Körperschaftsteuer geltend gemacht worden. Zwischen den drei Erlaßbegehren der Klägerin besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Ein Erlaß der Körperschaftsteuer würde nicht zwingend den Erlaß der Ergänzungsabgabe oder der Aussetzungszinsen nach sich ziehen. Der Streitfall unterscheidet sich insofern von einer Anfechtungsklage, deren Erfolg ohne weiteres etwa festgesetzten Aussetzungszinsen die rechtliche Grundlage entziehen würde (§ 237 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Sind jedoch Steuern, Ergänzungsabgabe oder Aussetzungszinsen in gesonderten Bescheiden festgesetzt, so braucht der Erlaß einer dieser Abgaben aus Billigkeitsgründen den rechtlichen Bestand der übrigen Abgabeforderungen nicht zu beeinflussen.

Die gerichtlichen Handlungen der Revisionsinstanz in bezug auf den Erlaß von Ergänzungsabgabe und von Aussetzungszinsen betreffen somit nicht ein Begehren der Klägerin "als Nebenforderung" i.S. des § 22 Abs. 1 GKG. Sie betreffen vielmehr gleichrangige "Hauptforderungen", die bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen waren.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GKG).