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  BFH-Urteil vom 16.1.1991 (II R 149/88) BStBl. 1991 II S. 535

1. Die Grundsteuerbefreiung von Grundbesitz, der für Zwecke eines Krankenhauses benutzt wird, setzt zwar voraus, daß der Grundbesitz ausschließlich demjenigen zuzurechnen ist, der ihn benutzt, er muß ihn aber nicht ausschließlich selbst benutzen.

2. Eine Vermietung oder Verpachtung des Grundbesitzes steht der Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG grundsätzlich entgegen. Das gilt in Ausnahmefällen dann nicht, wenn Teile des Grundbesitzes an einen Dritten vermietet oder verpachtet sind und von diesem in einer Art und Weise benutzt werden, die für die Erfüllung des auf dem Grundbesitz von dem Zurechnungsträger selbst verfolgten begünstigten Zwecks unentbehrlich ist.

3. Werden Räume eines Krankenhauses als Praxisräume an selbständig tätige Fachärzte vermietet, die allein für die medizinische Betreuung der in dem Krankenhaus untergebrachten Patienten verantwortlich sind und in den Praxisräumen diese Patienten behandeln, so sind auch die diesen Räumen zuzurechnenden Grundstücksteile grundsteuerfrei, auch wenn die Fachärzte darin ambulante Patienten behandeln. Etwas anderes gilt für die an selbständige Unternehmer für den Betrieb einer Apotheke oder einer Cafeteria in einem Krankenhaus vermieteten Räume jedenfalls dann, wenn diese Betriebe auch von Kunden besucht werden, die mit dem Krankenhaus sonst nichts zu tun haben.

GrStG § 4 Nr. 6, § 8 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer des Grundstücks A. Auf dem Grundstück befindet sich die A-Klinik, die der Kläger eingerichtet hat und betreibt.

Die Klinik beschäftigt keine angestellten Ärzte. Der Kläger hat jedoch mehrere Facharztpraxen mit einer Nutzfläche von 2.271 qm in der Klinik vermietet (Anteil an der Gesamtnutzfläche ca. 18 v.H.). Die Facharztpraxen sind "Funktionsräume" der Klinik; es sind keine weiteren entsprechenden Räume in der Klinik vorhanden. Die Fachärzte allein sind für die medizinische Betreuung der stationären Patienten der Klinik und ihrer eigenen ambulanten Patienten verantwortlich. Sie haben im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit für die Aufrechterhaltung des Klinikbetriebes entsprechend dem Organisationsplan der Klinik zu sorgen; u.a. bestehen für die Gewährleistung des Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienstes Anwesenheitspflichten, um die ständige Betreuung der Patienten sicherzustellen. Das Inventar der Facharztpraxen gehört grundsätzlich den Fachärzten. Sie arbeiten auf eigene Rechnung und eigenes Risiko.

Bei der Aufnahme eines Patienten in die Klinik werden zwei Verträge geschlossen; ein Vertrag für die ärztliche Versorgung, für die allein der Facharzt verantwortlich ist, und ein Vertrag mit der Klinik für die stationäre Aufnahme. Dementsprechend werden auch zwei Rechnungen erteilt. Der einzelne Facharzt hat einen bestimmten Vomhundertsatz des von ihm in Rechnung gestellten Honorars an die Klinik abzuführen.

Im Gebäude der Klinik befindet sich eine Apotheke mit einer Nutzfläche von 117 qm, die der Kläger an einen selbständigen Apotheker verpachtet hat. Die Apotheke versorgt die Patienten der Klinik, ambulante Patienten und Laufkundschaft mit Medikamenten.

Darüber hinaus hat der Kläger eine Cafeteria mit einer Nutzfläche von 124 qm an einen selbständigen Unternehmer verpachtet. Sie wird von den stationären Patienten, vom Krankenhauspersonal, von ambulanten Patienten und auch von fremden Dritten benutzt, die im Nahbereich der Klinik wohnen und mit der Klinik sonst nichts zu tun haben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfaßte zunächst durch Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1982 das gesamte Grundstück und rechnete es dem Kläger zu. Gegen den auf dieser Grundlage ergangenen Grundsteuermeßbescheid hatte der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG) begehrte. Während des Klageverfahrens hat das FA einen geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1982 erteilt, mit dem es nur noch den auf die Facharztpraxen, die Apotheke und die Cafeteria entfallenden Teil des Grundstücks erfaßt hat. Den auf dieser Grundlage geänderten Grundsteuermeßbescheid vom 6. Januar 1988 hat der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gemacht und beantragt, auch den auf die Facharztpraxen, die Apotheke und die Cafeteria entfallenden Teil des Grundstücks gemäß § 4 Nr. 6 GrStG von der Grundsteuer auszunehmen. Auf die Facharztpraxen sei § 8 Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr. 6 GrStG anzuwenden, denn sie dienten sowohl der ambulanten als auch der stationären Untersuchung der Patienten. Ohne die Facharztpraxen sei die stationäre Versorgung der Patienten nicht möglich, da entsprechende Untersuchungs- und Warteräume in der Klinik nicht vorhanden seien. Auch auf die Apotheke sei § 8 Abs. 2 GrStG anzuwenden, weil sie auch der Versorgung der Patienten der Klinik diene. Ebenfalls in den begünstigten Zweck einzubeziehen sei die verpachtete Cafeteria.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der auf die Facharztpraxen, die Apotheke und die Cafeteria entfallende Teil des Grundstücks sei vom FA zutreffend als der Grundsteuer unterliegend beurteilt worden, weil diese Bereiche der Klinik nicht ausschließlich i.S. des § 4 Nr. 6 GrStG vom Kläger benutzt würden. Die mittelbare Nutzung durch Vermietung oder Verpachtung erfülle die persönliche Voraussetzung der ausschließlichen Eigennutzung nicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 6, § 8 Abs. 2 GrStG und beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grundsteuermeßbescheid vom 6. Januar 1988 auf den 1. Januar 1982 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als er Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG für die den Facharztpraxen zuzurechnenden Flächen begehrt. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

1. Die Auslegung des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG durch das FG, daß der für Zwecke eines Krankenhauses benutzte Grundbesitz (§ 4 Nr. 6 Satz 1 GrStG) nur von der Grundsteuer befreit sei, wenn er ausschließlich von demjenigen benutzt wird, dem er zuzurechnen ist, ist unzutreffend. Sie beachtet nicht, daß das Adverb "ausschließlich" in § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG nicht als Attribut zu "benutzen", sondern zu dem erst am Satzende stehenden Verb "zurechnen" verwendet wird, denn die Vorschrift lautet (in dem hier maßgebenden Teil), "der Grundbesitz muß ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, oder .... zuzurechnen sein". Danach muß der Grundbesitz zwar ausschließlich demjenigen zuzurechnen sein, der ihn benutzt, er muß ihn aber nicht ausschließlich selbst benutzen; eine Mitbenutzung durch Dritte steht der Steuerbefreiung grundsätzlich nicht entgegen.

Für eine Auslegung des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG - im Sinne des FG (und des FA) - gegen seinen Wortlaut besteht kein Anlaß. Der Senat setzt sich mit diesem Verständnis des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG nicht in Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Februar 1987 II R 216/84 (BFHE 149, 262, BStBl II 1987, 451) und vom 9. Dezember 1987 II R 223/83 (BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298). Zu beurteilen war in diesen Entscheidungen jeweils, ob der Eigentümer auch derjenige war, der den Grundbesitz für die Zwecke des Krankenhauses benutzte. Im erstgenannten Urteil hat der BFH dies bejaht, weil das Krankenhaus durch eine vom Grundstückseigentümer mit seiner Ehefrau und seinen Töchtern gebildeten atypischen stillen Gesellschaft betrieben worden ist, die als solche nicht nach außen aufgetreten ist; im Urteil in BFHE 152, 149 waren Grundstückseigentümer und Betreiber des Krankenhauses dagegen nicht identisch.

2. Der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 GrStG steht allerdings regelmäßig eine Vermietung oder Verpachtung des Grundbesitzes entgegen; dies gilt auch dann, wenn der Mieter oder der Pächter auf dem Grundbesitz eine Krankenanstalt betreibt, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 Satz 1 GrStG erfüllt, weil der Grundbesitz nicht durch denjenigen - unmittelbar - für den steuerbegünstigten Zweck, den Betrieb der Krankenanstalt, benutzt wird, dem der Grundbesitz zugerechnet wird (§ 4 Nr. 6 Satz 2, § 7 GrStG; vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1957 III 17/57 S, BFHE 64, 492, BStBl III 1957, 183, und vom 29. März 1968 III 213/64, BFHE 92, 288, BStBl II 1968, 499). Wie der erkennende Senat im Urteil in BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298 ausgeführt hat, setzt die Vorschrift Identität zwischen dem Zurechnungsträger und dem Betreiber der Krankenanstalt voraus. Der BFH hat es aber in den Urteilen in BFHE 64, 492, BStBl III 1957, 183, und BFHE 92, 288, BStBl II 1968, 499 in Ausnahmefällen für gerechtfertigt gehalten, Grundsteuerbefreiung insoweit zu gewähren, als Teile des Grundbesitzes an einen Dritten vermietet oder verpachtet sind und von diesem in einer Art und Weise benutzt werden, die für die Erfüllung des auf dem Grundbesitz von dem Zurechnungsträger selbst verfolgten begünstigten Zwecks unentbehrlich ist.

Bezogen auf den Streitfall trifft dies für die vom Kläger an die Fachärzte vermieteten Praxisräume zu; insoweit ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Untersuchung und Behandlung der in der Klinik aufgenommenen Patienten in diesen Räumen ist für den Betrieb der Klinik durch den Kläger unentbehrlich; die unmittelbare Benutzung des Grundbesitzes durch den Kläger für den nach § 4 Nr. 6 GrStG begünstigten Zweck wird insoweit nicht unterbrochen. Dies zeigt sich insbesondere auch an der engen personellen und sachlichen Einbindung der Ärzte in die Organisation der Klinik. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß in den genannten Räumen auch in der Klinik nicht untergebrachte Patienten behandelt werden, denn auch die ambulante Versorgung von Patienten gehört - wenn auch nur in einem gewissen Rahmen - zu den Aufgaben, die mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbunden sind. Es erscheint dem Senat nicht als sachdienlich, insoweit danach zu differenzieren, ob dabei auch ärztliche Tätigkeiten ausgeübt werden, die üblicherweise von niedergelassenen Ärzten erbracht werden; auf § 8 Abs. 2 GrStG braucht deshalb nicht zurückgegriffen zu werden.

Im Ergebnis zu Recht hat das FG dagegen die Steuerbefreiung für die der Apotheke und der Cafeteria zuzurechnenden Flächen des Grundbesitzes abgelehnt; insoweit ist die Revision unbegründet (§ 126 Abs. 4 FGO). Eine der Benutzung der Praxisräume vergleichbare Beziehung zum Betrieb der Klinik des Klägers besteht hinsichtlich dieser Räume nicht. Zwar erscheint es als denkbar, insbesondere die dem Betrieb einer Krankenhausapotheke gewidmeten Räume nach den oben angestellten Erwägungen auch dann in die Steuerbegünstigung des § 4 Nr. 6 GrStG einzubeziehen, wenn sie verpachtet sind. Im Streitfall kommt dies jedoch nicht in Betracht, weil nach den Feststellungen des FG, die durch zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht angefochten sind (§ 118 Abs. 2 FGO), die Apotheke nicht als typische Krankenhausapotheke, sondern wie jede andere, insbesondere der Laufkundschaft offene Apotheke betrieben wird. Aus den gleichen Überlegungen scheiden im Streitfall auch die der Cafeteria dienenden Räume aus der Steuervergünstigung aus, denn sie wird nach den Feststellungen des FG auch von Personen besucht, die mit der Klinik des Klägers sonst nichts zu tun haben. Offenlassen kann der Senat daher, ob die Verpachtung einer Cafeteria stets der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 i.V.m. § 8 Abs. 1 GrStG entgegensteht.

3. Die Sache ist spruchreif. Der Grundsteuermeßbetrag zum 1. Januar 1982 wird wie folgt .... festgesetzt:

Anteil des Einheitswerts, der gemäß Änderungsbescheid vom 6. Januar 1988 auf die nicht steuerbefreiten Grundstücksteile (Apotheke und Cafeteria) entfällt: (abgerundet) .... DM mal Steuermeßzahl 3,5 v.T. = .... DM.