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  BFH-Urteil vom 24.1.1991 (V R 19/87) BStBl. 1991 II S. 539

Übernimmt es jemand, gegen Entgelt dafür einzustehen, daß sich für den Vertragspartner die Gefahr des Zinsanstiegs während eines nicht sicher einschätzbaren Zeitraums nicht verwirklicht, führt er eine steuerfreie Leistung durch Übernahme von Sicherheiten im Sinne von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 aus. Die Steuerbefreiung ist unabhängig davon, ob außerdem ein Dritter abgesichert wird (Fortführung der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989 V R 125/84, BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401).

UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. g.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die Vermögensanlagen betreut, verpflichtete sich gegenüber der K in einem "Garantievertrag über Eigenkapital" vom 18. Dezember 1981 für den Fall und in Höhe nicht vollständiger Zeichnung und Einzahlung des Eigenkapitals der K (von 33 Mio DM für die Durchführung eines größeren Bauvorhabens) bis zum 31. Dezember 1981, ein Ersatzdarlehen zu geben oder die nicht gezeichneten Beträge selbst aufzubringen. Entsprechend dem Verlangen der Geschäftsbank der K, die das geplante Bauvorhaben finanzierte, sollten die Erklärungen der Klägerin auch zugunsten der Bank und der beitretenden Gesellschafter wirken. Als Honorar für die übernommene Garantie waren 3 v.H. des Gesamtbetrages vereinbart worden. Umsatzsteuer war nicht gesondert ausgewiesen worden.

In einem "Zinsgarantievertrag" - ebenfalls vom 18. Dezember 1981 - verpflichtete sich die Klägerin, der K Zinsen zu erstatten, falls die während der Bauzeit anfallenden Zinsen einen Höchstbetrag von 2.285.400 DM überstiegen. Dafür war ein sofort fälliges Honorar von 328.000 DM einschließlich einer etwaigen Mehrwertsteuer vereinbart worden.

Die Klägerin beurteilte die bezeichneten Leistungen (Entgelte: 492.035,54 DM) nach § 4 Nr. 8 Buchst. g des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) als steuerfrei. Dem folgte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht. Er setzte nach Zurückweisung des Einspruchs in dem angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid vom 16. Juni 1986, den die Beteiligten zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens erklärt haben, ... DM Umsatzsteuer fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin Herabsetzung der Umsatzsteuer für 1981 begehrt hatte, teilweise statt. Es beurteilte die Eigenkapitalbeschaffungsgarantie als eine bürgschaftsähnliche nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 steuerfreie Leistung, denn in dieses Garantieversprechen seien Dritte (die Kommanditisten und die Bank der K) durch einen Vertrag zugunsten Dritter derart einbezogen worden, daß sie daraus eigene Rechte ableiten könnten.

Dagegen schütze - so führte das FG weiter aus - die Zinshöchstbetragsgarantie unmittelbar ausschließlich den Bauherrn. Ihr fehle deshalb die bei einer ähnlichen Sicherheit i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 notwendige Sicherung eines Dritten. Andere Steuerbefreiungsvorschriften seien nicht erfüllt.

Mit der Revision wenden sich die Klägerin und das FA gegen die Vorentscheidung, soweit sie jeweils durch sie beschwert worden sind.

Die Klägerin rügt Verletzung von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 und führt dazu aus, die in der Vorschrift bezeichnete Übernahme einer bürgschaftsähnlichen Sicherheit setze nicht die Abhängigkeit von einer Hauptschuld und damit auch nicht die Sicherheit für einen Dritten voraus. Sie begehrt sinngemäß, die Umsätze aus dem Zinsgarantievertrag als steuerfrei zu beurteilen.

Das FA ist der Revision der Klägerin entgegengetreten und begehrt seinerseits, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980, soweit das FG die Übernahme der Eigenkapitalbeschaffungsgarantie als steuerfreie Leistung beurteilt hat. Das FG, so führt das FA dazu aus, habe zu Unrecht angenommen, daß die Klägerin mit der Übernahme dieser Garantie einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der finanzierenden Bank, eingegangen sei.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision der Klägerin und des FA wird das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Revision der Klägerin

Zu Unrecht hat das FG die Zinsgarantie nicht als steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 beurteilt. Die Steuerbefreiung für die Übernahme einer bürgschaftsähnlichen Sicherheit gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 ist - entgegen der Ansicht des FG - nicht davon abhängig, daß die Garantie außer dem Leistungsempfänger auch einem Dritten Ansprüche gegen den Garantiegeber einräumt.

a) Der Senat hat durch Urteil vom 14. Dezember 1989 V R 125/84 (BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401) zu § 4 Nr. 8 UStG 1973 begründet, daß die Abgabe eines selbständigen Garantieversprechens als Übernahme einer der Bürgschaft ähnlichen Sicherheit zu beurteilen ist und daß dafür nicht vorausgesetzt wird, daß sich der Garantiegeber auch einem anderen Gläubiger als dem Garantieempfänger gegenüber verpflichtet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Begründung auf die bezeichnete Entscheidung Bezug genommen.

Der Senat hält an dieser Auffassung auch für § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 fest. Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit § 4 Nr. 8 UStG 1973 überein. Außer der Ausdehnung der Steuerbefreiung auf die Vermittlung der bezeichneten Umsätze hat sich an dem sachlichen Inhalt der Steuerbefreiung nichts geändert (vgl. Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes vom 15. März 1978, BRDrucks 145/78 zu § 4 Nr. 8; BTDrucks 8/1.779, der unverändert vom Finanzausschuß des Bundestages übernommen worden ist; vgl. auch Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestages vom 8. Mai 1979, BTDrucks 8/2.827).

Die Beurteilung des Senats von Umsätzen durch Übernahme von Bürgschaften und ähnlichen Sicherheiten gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 i. d. F. vom 1. Januar 1980 bis einschließlich 30. Juni 1990 widerspricht auch nicht der Regelung in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem; einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) vom 17. Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 145 vom 13. Juni 1977, 1). Danach sind steuerfrei "... die Übernahme von ... Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien". Die Richtlinienbestimmung setzt für die Übernahme von Garantien somit nicht voraus, daß sie rechtlich wie eine Bürgschaft gestaltet sind. Aus diesem Grund ist der Wortlaut des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 mit Wirkung zum 1. Juli 1990 durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. c des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 30. März 1990 (BGBl I 1990, 597, BStBl I 1990, 213) neu gefaßt worden (vgl. Begründung der Gesetzesänderung, BTDrucks 11/6.174 zu II Art. 1 Nr. 2, S. 6). Es ist klargestellt worden, daß die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 nunmehr für die Übernahme von Bürgschaften und anderen (nicht mehr ähnlichen) Sicherheiten gewährt wird.

b) Das von der Klägerin abgegebene Versprechen, falls die Zinsen für Kredite zur Finanzierung des Bauvorhabens der K einen bestimmten Betrag während der Bauzeit übersteigen würden, selbst für den darüber hinausgehenden Zinsbetrag einzustehen, enthält ein selbständiges Garantieversprechen (sog. Zinshöchstbetragsgarantie). Die Klägerin hat es übernommen dafür einzustehen, daß sich für den Garantienehmer die Gefahr eines Zinsanstiegs während eines wirtschaftlich nicht sicher einschätzbaren Zeitraums nicht verwirklichte. Wirtschaftlich sicherte sie den Garantienehmer ähnlich wie durch Eingehung einer Bürgschaft. Die Steuerbefreiung der Übernahme der Garantie ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs unabhängig davon, ob ein Dritter in die Vertragsbeziehungen einbezogen worden ist oder nicht (vgl. dazu auch Philipowski, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1990, 183).

2. Die Revision des FA

Das FG hat die Übernahme der Garantie für die Beschaffung des Eigenkapitals der K im Ergebnis zutreffend als nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 steuerfreie Leistung beurteilt.

Das Versprechen der Klägerin, Eigenkapital der K vollständig zu plazieren und, falls dies nicht gelinge, fehlendes Kapital selbst zu zeichnen oder als Darlehen zur Verfügung zu stellen, enthält die Übernahme eines selbständigen Garantieversprechens (sog. Eigenkapitalübernahmegarantie). Dafür ist maßgebend, daß die Klägerin für den unbestimmten Erfolg der vollständigen Zeichnung des Gesellschaftskapitals durch Anleger eingetreten ist. Damit wollte die Klägerin für einen über die vertragsgemäße Erfüllung der Plazierung von Kapitalanteilen der K durch eigene Tätigkeit hinausgehenden Erfolg einstehen; denn sie konnte z.B. die Bemühungen Dritter, die Gesellschaftsanteile der K an Kapitalanleger zu vermitteln, nicht beeinflussen.

Die Übernahme dieser Garantie verschaffte dem Garantienehmer Sicherheit, die wirtschaftlich der durch Bürgschaft übernommenen Sicherheit ähnlich ist. Dafür ist unerheblich, ob zugleich Dritte aus der Garantieübernahme Rechte durch Vertrag zugunsten Dritter ableiten konnten (vgl. Urteil in BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401, unter 2.).

3. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang die vom FA zum Abzug zugelassenen Vorsteuerbeträge mit der steuerfreien Umsatztätigkeit der Klägerin zusammenhängen. Diese Feststellungen sind nachzuholen.