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  BFH-Urteil vom 27.2.1991 (XI R 14/87) BStBl. 1991 II S. 628

1. Kosten für den Abbruch eines Wirtschaftsguts, die in Zusammenhang mit der Veräußerung eines anderen Wirtschaftsguts anfallen, sind keine Veräußerungskosten.

2. Der Veräußerungspreis ist nur um den Buchwert des veräußerten, nicht um den des vom Veräußerer abgebrochenen Wirtschaftsguts zu mindern.

EStG § 6 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt einen Schlosserei- und Stahlbaubetrieb, den er im September 1979 in ein neu erschlossenes Gewerbegebiet verlegte. Mit notariellem Vertrag vom 9. November 1978 veräußerte er das Betriebsgrundstück an seine Ehefrau. Als Übergabezeitpunkt wurde der 2. Januar 1979 vereinbart. Das Grundstück war mit einem aus zwei Wohnungen, einem Büro und einem Ausstellungsraum bestehenden Gebäude sowie mehreren Werkstatthallen bebaut. Als Kaufpreis war für den mit Werkstatthallen bebauten Teil von 1.933 qm ein Betrag von 386.000 DM vereinbart, für den verbleibenden Teil von 440 qm - entsprechende Teilung war beantragt - ein Betrag von 630.000 DM. Der Kläger verpflichtete sich, bestimmte Gebäudeteile (insbesondere die Werkstatthallen II und III) bis zum 1. Oktober 1979 auf eigene Kosten zu entfernen. Die zu entfernenden Gebäudeteile durfte der Kläger bis zum 30. August 1979 gegen Miete weiterbenutzen. Auf dem Grundstücksteil von 440 qm errichtete die Ehefrau des Klägers in den Jahren 1979 und 1980 Eigentumswohnungen. Der Kläger nutzte die Werkstatthallen vertragsgemäß noch weiter und ließ sie nach der endgültigen Betriebsverlegung im September 1979 abreißen.

Den aus der Veräußerung entstandenen Gewinn zog der Kläger nach § 6b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der neuen Betriebsgebäude ab und minderte damit deren Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung (AfA); die Abbruchkosten setzte er als Betriebsausgaben an.

Bei einer 1982 durchgeführten Außenprüfung behandelten der Betriebsprüfer und ihm folgend der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Abbruchkosten als Veräußerungskosten; entsprechend wurden der Gewinn und die AfA-Bemessungsgrundlage für das neue Betriebsgebäude erhöht. Insgesamt ergab sich aufgrund der Außenprüfung ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte für 1979, in dessen Höhe gemäß § 10d EStG der Verlustrücktrag auf das Streitjahr 1978 durchgeführt wurde. Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1978 erhob der Kläger Einspruch mit dem Ziel, einen höheren Verlustrücktrag zu berücksichtigen, weil die Abbruchkosten laufende Betriebsausgaben darstellten.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger zusätzlich geltend, die weiter benutzten Werkstatthallen (Buchwert 31. Dezember 1978: 28.572,83 DM) hätten ebenfalls zu Lasten des laufenden Gewinns abgeschrieben werden müssen und nicht lediglich den nach § 6b EStG übertragenen Veräußerungsgewinn mindern dürfen. Die AfA-Bemessungsgrundlage für das neue Betriebsgebäude verringere sich entsprechend.

Die Abbruchkosten stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang. Er, der Kläger, habe, wie sich auch aus der Kaufpreisermittlung ergebe, das Vordergelände mit dem Wohn- und Geschäftshaus, das rückwärtige Gelände aber als unbebaut veräußert; schließlich sei für die darauf befindlichen Hallen ein Kaufpreis nicht vereinbart worden und er zu deren Abriß verpflichtet gewesen. Der Buchwert der Hallen sei erst im Zeitpunkt der Nutzungseinstellung und nicht zu Lasten des Veräußerungsgewinns abzuschreiben, weil er diese weitergenutzt habe und sie in seinem Eigentum verblieben seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Die Abbruchkosten in Höhe von 19.893,49 DM seien als Betriebsausgaben sofort absetzbar; die Buchverluste, die durch die Verpflichtung zum Abriß der Werkstatthallen entstanden seien, minderten dagegen nur den Veräußerungsgewinn.

Mit ihren Revisionen rügen der Kläger und das FA Verletzung materiellen Rechts.

Nach Auffassung des Klägers dürften sich die Restbuchwerte der Werkstatthallen nicht auf den Veräußerungsgewinn auswirken; der Kaufpreis sei ausschließlich für das unbebaute Grundstück gezahlt worden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerschuld auf 10.388 DM herabzusetzen, sowie - sinngemäß - die Revision des FA zurückzuweisen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Einkommensteuer auf 27.478 DM festzusetzen, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen, und trägt vor:

1. Da der Kläger sich im Kaufvertrag verpflichtet habe, die fraglichen Gebäude abzubrechen, ständen die Abbruchkosten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Veräußerung. Abfindungen an einen Pächter, um diesen zur vorzeitigen Aufgabe seines Pachtrechtes zu bewegen, seien mit diesem Fall nicht vergleichbar. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Abbruchkosten mit der Veräußerung sei wesentlich enger als der der Abstandszahlung an einen Dritten.

2. Das FG habe den Veräußerungsgewinn um 19 893 DM erhöht und den laufenden Gewinn entsprechend gemindert. Dagegen habe es nicht die Anschaffungskosten der Reinvestition um diesen Betrag gemindert und dadurch die AfA um 696 DM (3,5 v.H. von 19 893 DM) zu hoch angesetzt.

3. Der Kläger habe die auf dem Grundstück stehenden Gebäude auf seine Ehefrau übertragen und erst nach Übergabe abgebrochen. An diese Feststellungen sei die Revision gebunden.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist zu einem geringen Teil, die des Klägers in vollem Umfang begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Revision des FA

a) In Übereinstimmung mit der Auffassung des FG sind die Abbruchkosten nicht als Veräußerungskosten i.S. des § 6b Abs. 2 Satz 1 EStG zu beurteilen.

Veräußerungskosten sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Aufwendungen, die in unmittelbarer sachlicher Beziehung zu dem Veräußerungsgeschäft stehen (Urteile vom 27. Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100, und vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561; vgl. auch Abschn. 139 Abs. 13 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990). Dazu zählen alle durch die Veräußerung unmittelbar veranlaßten Kosten (z.B. Notariatskosten, Maklerprovisionen, Grundbuchgebühren, Reise-, Beratungs-, Gutachterkosten, Verkehrsteuern).

Abbruchkosten erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Sie stehen nicht mit der Veräußerung des veräußerten Wirtschaftsgutes in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang. Unmittelbar sind die Abbruchkosten vielmehr mit dem abgebrochenen Wirtschaftsgut verbunden. Zu dem veräußerten Wirtschaftsgut besteht nur ein mittelbarer Zusammenhang, indem der Abbruch der Gebäude die vertragsgemäße Veräußerung des Grundstückes ermöglichte. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, daß der Fall der Abbruchkosten mit dem der Zahlung einer Abfindung an einen weichenden Grundstückspächter vergleichbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1982 IV R 56/79, BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691). Auch in diesem Falle besteht zu der Veräußerung nur ein mittelbarer Zusammenhang. Unmittelbar hat die Abfindung den Zweck, den Abfindungsempfänger zur Aufgabe seiner Rechte zu bewegen.

b) Begründet ist die Revision des FA allerdings insofern, als das FG wegen des höheren Veräußerungsgewinns nicht die Bemessungsgrundlage für die Absetzungen auf das Reinvestitionsobjekt gekürzt hat (vgl. den Schriftsatz des FA vom 1. September 1987).

2. Revision des Klägers

Der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstückes durfte nicht um den Buchwert der Werkstatthallen gemindert werden. Nach § 6b Abs. 2 Satz 1 EStG ist von dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten der Buchwert des veräußerten Wirtschaftsguts abzusetzen. Die Werkstatthallen, die im Verhältnis zum Grund und Boden selbständige Wirtschaftsgüter sind, sind nicht veräußert worden. Sie waren weiterhin dem Kläger als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen.

Wirtschaftsgüter sind unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Eigentums demjenigen zuzurechnen, der über sie die tatsächliche Herrschaft in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, und BFH-Urteile vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133, und vom 8. März 1977 VIII R 180/74, BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629).

Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133). Sie ist erst recht erfüllt, wenn dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer überhaupt kein Herausgabeanspruch zusteht, weil der Nutzungsberechtigte berechtigt oder - wie im Streitfall - sogar verpflichtet ist, das entsprechende Wirtschaftsgut nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer zu beseitigen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 30. November 1933 III A 131/33, RStBl 1934, 166, und BFH-Urteile vom 30. April 1954 III 169/53 U, BFHE 58, 736, BStBl III 1954, 194, und vom 22. August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126). Bei Abbruch der Werkstatthallen war der Kläger berechtigt, den Restbuchwert als Aufwand abzuziehen. Auch hierbei handelte es sich nicht um Veräußerungskosten i.S. des § 6b Abs. 2 Satz 1 EStG.

In Zusammenhang mit der Neuberechnung der Steuer wird das FA zu berücksichtigen haben, daß die Absetzungen auf das Reinvestitionsobjekt wegen des höheren Veräußerungsgewinns zu kürzen sind.