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  BFH-Urteil vom 27.3.1991 (VI R 52/88) BStBl. 1991 II S. 637

Aufwendungen für eine Dissertation können nur dann Werbungskosten sein, wenn die Doktorarbeit als solche Gegenstand eines Dienstverhältnisses ist. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn das Promotionsvorhaben lediglich Voraussetzung für die Einstellung als nicht vollbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter ist und Entgelt nur für die Erbringung anderweitiger wissenschaftlicher Dienstleistungen gewährt wird.

EStG 1982 § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1, HmbHG § 23, § 24 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Er schloß einen Arbeitsvertrag mit der Universität der Freien und Hansestadt Hamburg, wonach er für drei Jahre als "nicht voll beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter (§ 24 Abs. 4 des Hamburgischen Hochschulgesetzes - HmbHG -)" eingestellt wurde. In der zugrunde liegenden Stellenausschreibung war u.a. der Nachweis eines Promotionsvorhabens verlangt worden. In dem Arbeitsvertrag war festgelegt, daß Gegenstand des Arbeitsverhältnisses "wissenschaftliche Dienstleistungen gemäß § 23 HmbHG" sind, daß das Arbeitsverhältnis zugleich der Förderung der Promotion des Arbeitnehmers dient, daß bei vorzeitigem Abschluß der Promotion das Dienstverhältnis endet und daß eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund insbesondere in Betracht kommt, wenn das Promotionsverfahren abgebrochen wird.

Der Kläger, der aufgrund des Arbeitsvertrages noch im Streitjahr bei der Universität tätig war, machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich Aufwendungen für seine Promotion als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den begehrten Abzug. Das FA berücksichtigte jedoch Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes 1982 (EStG) in Höhe von 900 DM. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Gegen das Urteil legte der Kläger Revision ein. Er rügt sinngemäß die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Er bringt hierzu vor:

Seine Promotionsaufwendungen stellten Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar. Er habe die Einnahmen aus dem Dienstverhältnis mit der Universität nur durch Inkaufnahme der streitbefangenen Promotionskosten erzielen können. Ohne diese Aufwendungen wären keine Einnahmen entstanden.

Das Urteil des FG stehe auch im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. August 1987 VI R 60/84 (BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780). Danach könnten Aufwendungen anläßlich einer Promotion Werbungskosten sein, wenn das Promotionsstudium Gegenstand des Dienstverhältnisses sei. Dieser Sachverhalt liege im Streitfall vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid dahin abzuändern, daß die Promotionskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat zu Recht die vom Kläger geltend gemachten Kosten für seine Promotion als Aufwendungen für die allgemeine Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG angesehen, die -wie geschehen- nur als Sonderausgaben im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abgesetzt werden können.

1. Kosten der Promotion werden vom BFH in ständiger typisierender Rechtsprechung als Berufsausbildungskosten und nicht als Werbungskosten in Form von Berufsfortbildungskosten beurteilt (vgl. insbesondere Urteile des BFH vom 7. August 1967 VI R 88/66, BFHE 90, 26, BStBl III 1967, 777, und vom 7. August 1967 VI R 63/67, BFHE 90, 34, BStBl III 1967, 779 und die dort erwähnte Rechtsprechung). In diesen Entscheidungen hat der BFH die Doktorprüfung gewissermaßen als Abschluß der akademischen Ausbildung betrachtet. Da die Kosten für das Studium an einer Universität nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich Aufwendungen für die Berufsausbildung und damit Kosten der allgemeinen Lebensführung darstellen und nicht der Fortbildung in einem ausgeübten Beruf dienen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94 und die dort erwähnte Rechtsprechung), gehören auch Aufwendungen für eine Promotion zu den nach § 12 Nr. 1 EStG grundsätzlich nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung, die nur im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. EStG als Sonderausgaben berücksichtigt werden können.

An diesen Grundsätzen hat der BFH trotz der in der Literatur und der Rechtsprechung der FG erhobenen Kritik (vgl. die bei v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 346 Fußnote 155 erwähnte Literatur und Rechtsprechung) festgehalten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. April 1972 VI R 58/69, BFHE 105, 274, BStBl II 1972, 643; vom 31. Januar 1975 VI R 42/74, BFHE 115, 55, BStBl II 1975, 421, und in BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780).

Der Streitfall bietet keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Der Senat ist weiterhin der Ansicht, der Doktorand erbringt mit seiner Dissertation den Nachweis, daß er in seinem Studienfach wissenschaftlich arbeiten kann. Die Doktorarbeit dokumentiert mithin die durch das Studium erworbene Qualifikation des Akademikers, und der Doktortitel weist ihn nach außen als solchen aus (vgl. v. Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rdnr. B 347).

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das FG im Streitfall die Promotionskosten des Klägers ohne Rechtsverstoß als Aufwendungen für dessen Berufsausbildung angesehen.

2. Wie der Senat im Urteil in BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780 ausgeführt hat, können Ausgaben anläßlich einer Promotion allerdings Werbungskosten sein, wenn das Promotionsstudium als solches Gegenstand eines Dienstverhältnisses ist. Ein solcher Fall sei nicht anders zu beurteilen, als wenn Gegenstand der Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses die Durchführung eines Fach- oder Hochschulstudiums sei. Die durch das Studium veranlaßten Ausgaben seien ihrem Wesen nach zwar auch dort Berufsausbildungskosten. Diese Beurteilung werde jedoch durch den Umstand überlagert, daß die Aufwendungen durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer veranlaßt und deshalb nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen seien (vgl. BFH-Urteile vom 28. September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87, und VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89). Dieser Gesichtspunkt greift nach dem Urteil des Senats in BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780 in gleicher Weise ein, wenn sich die Dienstverpflichtung auf die Erlangung der Doktorwürde bezieht. Hier wie dort werden Aufwendungen, die üblicherweise zu den Kosten der privaten Lebensführung zählen, aufgrund eines Dienstverhältnisses zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erbracht. An diesen Grundsätzen wird ebenfalls festgehalten.

3. Der Senat folgt jedoch dem FG in der Auffassung, daß die hier streitbefangenen Aufwendungen des Klägers für seine Promotion nicht durch die Erzielung der Einkünfte aus seinem Dienstverhältnis bei der Freien und Hansestadt Hamburg veranlaßt waren. Denn das Anfertigen der Dissertation selbst war nicht Gegenstand der dienstlichen Aufgaben, für deren Verrichtung der Kläger besoldet wurde. Das Promotionsvorhaben war zwar Voraussetzung für die Einstellung des Klägers als nicht vollbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter i.S. des § 24 Abs. 4 HmbHG i.d.F. des Gesetzes vom 2. Juli 1981 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1981, 161). Nach dem Arbeitsvertrag sollte das auf drei Jahre befristete Arbeitsverhältnis früher enden, wenn die Promotion vor Ablauf der im Vertrag vorgesehenen Dienstzeit von drei Jahren abgeschlossen wurde. Ein wichtiger Grund für die Aufhebung des Dienstverhältnisses war es, wenn das Promotionsvorhaben abgebrochen wurde. Das Dienstverhältnis sollte auch der Förderung der Promotion des Arbeitnehmers nach § 24 Abs. 4 HmbHG dienen. Danach sollten wissenschaftliche Mitarbeiter, die die Promotion oder eine vergleichbare Qualifikation anstrebten, nur mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit des öffentlichen Dienstes beschäftigt werden und dadurch "außerhalb der Dienstaufgaben" Gelegenheit zur wissenschaftlichen Weiterbildung, insbesondere zur Anfertigung einer Dissertation, erhalten.

Diese Gründe für das Eingehen und vorzeitige Auflösen des Dienstverhältnisses und der Umstand, daß das Arbeitsverhältnis zugleich der Förderung der Promotion des Arbeitnehmers nach § 24 Abs. 4 HmbHG dienen sollte, haben indes die Promotion selbst nicht zu einer Dienstverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis gemacht, für die der Kläger besoldet wurde. Denn Gegenstand dieser Verpflichtung waren nach dem Arbeitsvertrag die "wissenschaftlichen Dienstleistungen gemäß § 23 HmbHG". Hierzu gehörte jedoch nicht die Promotion. Nach § 23 Abs. 2 HmbHG umfaßten die wissenschaftlichen Dienstleistungen vielmehr die Pflicht, u.a. den Studenten Fachwissen und praktische Fertigkeiten unter der Verantwortung eines Professors oder Hochschulassistenten zu vermitteln und sie in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zu unterweisen, soweit dies zur Gewährleistung des erforderlichen Lehrangebots notwendig war. Da der Kläger ausschließlich wegen dieser wissenschaftlichen Dienstleistungen und nicht wegen der Anfertigung seiner Dissertation von der Universität angestellt und besoldet wurde, sind die Promotionskosten im Streitfall nicht zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erbracht und daher nicht als Werbungskosten abziehbar (ebenso Urteil des Niedersächsischen FG vom 1. September 1988 VI 61/87, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 342).