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  BFH-Beschluß vom 12.4.1991 (III R 203/90) BStBl. 1991 II S. 640

Eine Verfügung des Senatsvorsitzenden, die einem Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nur für einen kürzeren als den beantragten Zeitraum stattgibt, wird auch dann wirksam, wenn die Mitteilung darüber dem Prozeßbevollmächtigten erst nach dem neuen Fristende zugeht. Es ist Sache des Prozeßbevollmächtigten, sich rechtzeitig nach der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag zu erkundigen.

FGO § 120 Abs. 1; ZPO § 329 Abs. 2.

Sachverhalt

Mit ihrer Klage machten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) geltend, daß der in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr gewährte Kinderfreibetrag aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig sei. Außerdem forderte die Klägerin die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, weil sie keinen Einspruch eingelegt habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 31. August 1990 zugestellt. Die Kläger legten gegen das Urteil sowohl Nichtzulassungsbeschwerde als auch Revision ein. Die Nichtzulassungsbeschwerde stützten sie auf grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und einen Verfahrensmangel. Die Revision begründeten sie nicht. Sie beantragten in der Revisionsschrift vom 27. September 1990 vielmehr, die Frist zur Revisionsbegründung bis zum 15. Februar 1991 zu verlängern.

Durch Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 5. November 1990 wurde die Begründungsfrist für die Revision nur bis zum 14. Dezember 1990 verlängert. Die Mitteilung der Geschäftsstelle des erkennenden Senats über die Fristverlängerung durch den Vorsitzenden wurde lt. Absendevermerk am 8. November 1990 an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger abgesandt.

Mit Schreiben vom 7. Januar 1991 teilte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit, daß die Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist noch ausstehe. Daraufhin teilte der Vorsitzende dem Prozeßbevollmächtigten mit, daß er die Revisionsbegründungsfrist mit Verfügung vom 5. November 1990 bis zum 14. Dezember 1990 verlängert habe. Die Verfügung sei am 8. November 1990 abgesandt worden. Dieses Schreiben wurde dem Prozeßbevollmächtigten lt. Postzustellungsurkunde am 18. Januar 1991 zugestellt. Mit Schreiben vom 22. Januar 1991, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 28. Januar 1991, machte der Prozeßbevollmächtigte geltend, daß er die Verfügung vom 5. November 1990 nicht erhalten habe. Gleichzeitig beantragte er, die Frist zur Revisionsbegründung nunmehr bis zum 28. Februar 1991 zu verlängern. Die Revisionsbegründung ging am 14. Februar 1991 beim BFH ein.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden. Im Streitfall hat der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist zur Revisionsbegründung auf den innerhalb der Begründungsfrist gestellten Antrag der Kläger nur bis zum 14. Dezember 1990 verlängert. Bis zu diesem Zeitpunkt ist weder eine Revisionsbegründung noch ein weiterer Antrag der Kläger auf Verlängerung der Begründungsfrist eingegangen. Die Revision der Kläger genügt daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revision.

a) Dabei kann offen bleiben, ob das Fristende für die Einreichung der Revisionsbegründung am 14. Dezember 1990 bereits dadurch wirksam geworden ist, daß die Mitteilung über die Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 5. November 1990 über die Fristverlängerung am 8. November 1990 an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger abgesandt worden ist. Dafür spricht, daß die Verfügung des Vorsitzenden nach § 155 FGO i.V.m. § 329 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) keiner Zustellung bedarf, da sie keine neue Frist in Lauf setzt, sondern lediglich die bereits laufende Frist zu einem anderen Zeitpunkt enden läßt. Es genügt daher eine formlose Mitteilung. Nach allgemeiner Meinung im finanzprozeßrechtlichen ebenso wie im verwaltungsprozeßrechtlichen und im zivilprozeßrechtlichen Schrifttum tritt die Wirksamkeit der Fristverlängerung und damit des neuen Fristendes nicht erst mit dem Zugang dieser formlosen Mitteilung, sondern bereits mit der Verfügung des Senatsvorsitzenden ein (vgl. für das finanzprozeßrechtliche Schrifttum: Offerhaus in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 FGO Tz. 44; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 120 FGO Tz. 43; für das verwaltungsprozeßrechtliche Schrifttum: Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., § 139 Tz. 14; Eyermann/ Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, § 139 Tz. 17; für das zivilprozeßrechtliche Schrifttum: Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 224 Anm. 3 B; Schumann in Stein/Jonas, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 224 Tz. 10).

Daraus könnte geschlossen werden, daß es für die Wirksamkeit der Fristverlängerung nur auf die Absendung der Mitteilung (vgl. dazu Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 31. Januar 1952 IV ZR 104/51, BGHZ 4, 389) und nicht auf deren Zugang ankommt. Die Frage braucht aber nicht entschieden zu werden, obwohl der Prozeßbevollmächtigte der Kläger vorträgt, daß ihm die am 8. November 1990 abgesandte Mitteilung über das neue Fristende nicht zugegangen sei.

b) Selbst wenn nämlich der Zugang der Mitteilung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verlängerungsverfügung wäre, hat die Berufungsbegründungsfrist am 14. Dezember 1990 geendet. Denn der Inhalt der Verlängerungsverfügung ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger jedenfalls mit dem am 18. Januar 1991 zugestellten Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 14. Januar 1991 mitgeteilt worden. Spätestens mit der Zustellung dieses Schreibens ist dann also die Verlängerungsverfügung rückwirkend wirksam geworden.

Die Kläger können sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß die in der Verfügung verlängerte Revisionsbegründungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ist nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO eine Ermessensentscheidung des Senatsvorsitzenden. Die Kläger konnten daher nicht einmal darauf vertrauen, daß ihrem innerhalb der ursprünglichen Revisionsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Fristverlängerung überhaupt entsprochen wurde (vgl. Beschlüsse des BFH vom 20. Juni 1968 II R 8/68, BFHE 93, 30, BStBl II 1968, 659, und vom 13. Oktober 1972 I R 99/72, BFHE 107, 107). Um so weniger konnten sich die Kläger darauf verlassen, daß die von ihnen beantragte Fristverlängerung in voller Länge bewilligt wurde. Es war daher ihre Sache, sich rechtzeitig nach der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag zu erkundigen. Das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 7. Januar 1991 kam dafür zu spät. Die ursprüngliche Revisionsbegründungsfrist war bereits am 2. November 1990 abgelaufen.

c) Der mit Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 22. Januar 1991 gestellte Antrag auf weitere Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. Februar 1991 vermag an dem Fristablauf am 14. Dezember 1990 nichts zu ändern. Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO kann die Frist für die Revisionsbegründung nur auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag verlängert werden. Der Antrag vom 22. Januar 1991 ist erst nach Ablauf der verlängerten Revisionsbegründungsfrist gestellt worden.

d) Mit ihrer Behauptung, die Mitteilung über die Fristverlängerung nur bis zum 14. Dezember 1990 sei bei ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht eingegangen, konnten die Kläger lediglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, um die Rechtsfolgen der Fristversäumung zu vermeiden. Der Senat kann offenlassen, ob das Schreiben vom 22. Januar 1991 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgelegt werden kann. Denn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen im Streitfall nicht vor.

Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mußte sich spätestens mit der am 18. Januar 1991 erfolgten Zustellung des Schreibens des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 14. Januar 1991 klar darüber werden, daß die Revisionsbegründungsfrist versäumt worden war. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte es danach nicht nur gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Wochen eines entsprechenden Antrags bedurft. Vielmehr war innerhalb dieser Zweiwochenfrist auch die Nachholung der versäumten Rechtshandlung erforderlich (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Der im Streitfall lediglich gestellte Antrag auf weitere Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist war keine Nachholung der versäumten Rechtshandlung. Die Kläger mußten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die Revisionsbegründung einreichen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264). Das ist nicht geschehen. Die Kläger haben die Revisionsbegründung aber erst am 14. Februar 1991 beim BFH eingereicht.