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BFH-Urteil vom 26.4.1991 (III R 48/89) BStBl. 1991 II S. 716

1. Ein Entlassungsgeld nach § 9 des Wehrsoldgesetzes, das einem Wehrpflichtigen am letzten Tag seines Grundwehrdienstes ausgezahlt worden ist, gehört - wie der Wehrsold - zu den Bezügen i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Eltern, die ihrem Sohn nach der Entlassung Unterhalt leisten, müssen sich diesen Betrag mindernd anrechnen lassen.

2. Da das Entlassungsgeld - als Überbrückungshilfe - auf die Zeit nach Beendigung des Grundwehrdienstes entfällt, unterbleibt die Anrechnung jedoch, wenn die Eltern nur während der Dauer des Wehrdienstes Unterhalt geleistet haben.

EStG 1987 § 33a Abs. 1 und Abs. 4; Wehrsoldgesetz § 9.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der geschiedene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aus seiner Ehe ist der im Mai 1966 geborene Sohn T hervorgegangen, der im Streitjahr 1987 in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni seinen Wehrdienst ableistete. Während dieser Zeit unterstützte ihn der Kläger mit insgesamt 1.200 DM.

Der Sohn des Klägers hatte im ersten Halbjahr 1987 folgende eigene Bezüge:

Wehrsold                                                     2.072,90 DM

  

Sachbezüge:

Gemeinschaftsunterkunft                                 580,80 DM

Verpflegung                                                  1.603,80 DM

                                                                    -----------------

                                                                   4.257,50 DM.

Außerdem erhielt der Sohn anläßlich seiner Entlassung aus der Bundeswehr am 30. Juni 1987 gemäß § 9 des Wehrsoldgesetzes ein Entlassungsgeld in Höhe von 1.110 DM.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1987 machte der Kläger die Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Unterhaltsleistungen wegen der Höhe der eigenen Bezüge des Sohnes, zu denen auch das Entlassungsgeld zu rechnen sei, nicht als außergewöhnliche Belastung an. Ein Kinderfreibetrag wurde dem Kläger nicht gewährt, weil durch die Ableistung des Grundwehrdienstes die Berufsausbildung nicht unterbrochen worden war.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Unter den Begriff der Einkünfte i. S. des § 33a Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG) fielen alle durch § 2 Abs. 1 und 2 EStG erfaßten Einkünfte. Bezüge i. S. der Vorschrift seien demgegenüber alle Einnahmen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt würden, insbesondere also steuerfreie Einnahmen.

Entgegen der Ansicht des Klägers gehörten grundsätzlich nicht nur der Wehrsold (einschließlich der Sachbezüge und des Weihnachtsgeldes), sondern auch das bei Beendigung des Grundwehrdienstes gezahlte Entlassungsgeld zu den bei der Berechnung des Unterhaltsfreibetrages zu berücksichtigenden Bezügen eines Wehrpflichtigen. Das Entlassungsgeld sei ebenso wie der Wehrsold und das Weihnachtsgeld nach § 3 Nr. 5 EStG steuerfrei und zur Bestreitung des Unterhalts des Wehrpflichtigen (zumindest) geeignet.

Im Streitfall habe das Entlassungsgeld bei der Berechnung des Unterhaltsfreibetrags aber außer Ansatz zu bleiben. Denn da der Kläger seinen Sohn nur in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1987 unterstützt habe, komme hier die Kürzungsvorschrift des § 33a Abs. 4 EStG zur Anwendung, nach der eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person, die auf Kalendermonate außerhalb der Unterstützungs- oder Ausbildungszeit entfallen, nicht anzurechnen sind. "Entfallen" bedeute dabei soviel wie wirtschaftliche Zurechnung, ohne daß es auf den Zufluß ankomme. Da das Entlassungsgeld, das der Sohn des Klägers am 30. Juni 1987 erhalten habe, auf Kalendermonate außerhalb des Unterstützungszeitraums entfalle, müsse es nach der gesetzlichen Regelung außer Ansatz bleiben. Zwar sei das Entlassungsgeld nach § 9 des Wehrsoldgesetzes - hinsichtlich seiner Höhe - dienstzeitbezogen; es werde aber "als notwendige Überbrückungshilfe für die Zeit nach Beendigung der Dienstzeit" gezahlt (Hinweis auf die Begründung des Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes, BTDrucks VI/1.432, S. 3 unter II zu Nr. 4). Deshalb sei das Entlassungsgeld im Streitfall wirtschaftlich der Zeit nach dem 30. Juni 1987 zuzurechnen.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt. Es macht im einzelnen geltend:

Zu Unrecht habe das FG aus der Tatsache, daß das Entlassungsgeld seiner Zweckbestimmung nach als Überbrückungshilfe gezahlt werde, geschlossen, daß dieses Geld nicht auf die Unterstützungsmonate entfalle. Im Streitfall sei das Entlassungsgeld nämlich noch im Unterstützungszeitraum zugeflossen. Es habe damit unzweifelhaft dem Sohn zumindest im letzten Unterstützungsmonat zur Bestreitung seines Unterhalts zur Verfügung gestanden. Auch habe der Wehrpflichtige mit dem Zufluß bereits bei seinem Eintritt in die Bundeswehr sowohl bezüglich der Höhe als auch hinsichtlich des üblichen Zuflusses rechnen können. Unbeschadet der grundsätzlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmales "entfallen" i. S. des § 33a Abs. 4 EStG müßten zumindest die Kalendermonate ab Zufluß in die wirtschaftliche Zuordnung einbezogen werden, nicht zuletzt um zu verhindern, daß durch eine, ggf. auch willkürliche Zweckbestimmung von Unterhaltsgeldern die Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge eingeschränkt oder umgangen werde.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß das Entlassungsgeld des Sohnes des Klägers auf die Zeit nach der Beendigung des Grundwehrdienstes "entfällt" und deshalb gemäß § 33a Abs. 4 Satz 2 EStG außer Ansatz zu bleiben hat.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, und zwar im Kalenderjahr bis höchstens 4.500 DM, wenn die unterhaltene Person das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung ist, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 2 EStG). Die in § 33a Abs. 1 EStG bezeichneten Beträge ermäßigen sich für jeden Kalendermonat, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, um je 1/12 (§ 33a Abs. 4 Satz 1 EStG). Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person, die auf diese Kalendermonate entfallen, vermindern die nach § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG ermäßigten Höchstbeträge und Freibeträge nicht (§ 33a Abs. 4 Satz 2 EStG).

Zutreffend hat das FG zunächst angenommen, daß bei Unterhaltsleistungen an Wehrdienst leistende Kinder nicht nur der Wehrsold, sondern grundsätzlich auch das nach § 9 des Wehrsoldgesetzes zu zahlende Entlassungsgeld zu den Bezügen i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehört. Für das Entlassungsgeld kann insoweit nichts anderes gelten als für das einem Wehrpflichtigen gezahlte Weihnachtsgeld, das der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 31. Juli 1981 VI R 67/78 (BFHE 134, 273, BStBl II 1981, 805) zu den Bezügen i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gerechnet hat. Haben also Eltern eines wehrpflichtigen Kindes dieses auch noch nach Beendigung des Wehrdienstes unterstützt, so ist das Entlassungsgeld bei der Berechnung der Bezüge des Kindes zu berücksichtigen, wobei nur zweifelhaft sein kann, wie das Entlassungsgeld auf den Unterstützungszeitraum zu verteilen ist (vgl. zur Verteilung grundsätzlich auch Abschn. 99 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990).

Im Streitfall ist das Entlassungsgeld jedoch nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger seinen Sohn nur bis zum 30. Juni 1987 unterstützt hat, das Entlassungsgeld aber auf die Zeit danach entfällt.

Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß "entfallen" i. S. von § 33a Abs. 4 Satz 2 EStG nicht den Zuflußzeitpunkt meint, sondern die wirtschaftliche Zurechnung (Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 33a Tz. 8; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Rdnr. 386, wohl auch Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 53; a. A. offenbar Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. D 52). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Hätte der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Mittel abstellen wollen, so hätte er eine andere Formulierung verwandt (vgl. auch Richter, NWB Fach 3 S. 6.207).

Legt man das Tatbestandsmerkmal aber i. S. wirtschaftlicher Zurechnung aus, so bedeutet dies, daß nach § 33a Abs. 4 Satz 2 EStG nur solche (Einkünfte und) Bezüge anzurechnen sind, die für den Unterstützungs(Bedürftigkeits)zeitraum geleistet worden sind. Dabei kommt die besondere Bedeutung der zeitlichen Beziehung des Wortes "entfallen" insofern zum Ausdruck, als dieses Wort soviel bedeutet wie "anteilig zurechnen" (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.). Beispiele dafür bilden im Bereich der Einkünfte vor allem Zinseinnahmen, die im Kalenderjahr erst nach Ablauf des Unterstützungs-(Bedürftigkeits-)zeitraums, aber für Monate dieses Zeitraums zufließen, oder, bei den hier interessierenden Bezügen, etwa eine nach Ablauf des Unterstützungszeitraums erfolgte, aber für diese Monate geleistete Wehrsoldzahlung.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Vielmehr wird das Entlassungsgeld - unabhängig vom Zeitpunkt seiner Auszahlung - ausweislich der Gesetzesmaterialien, auf die das FG bereits hingewiesen hat, als Überbrückungshilfe für die Zeit nach Beendigung der Dienstzeit gewährt. Das Geld tritt damit, zumindest potentiell, an die Stelle von Einnahmen aus einer anderen Tätigkeit, die der ehemalige Wehrdienstleistende nach Beendigung seiner Dienstzeit an sich haben müßte und auch hätte, wenn er sich für diese Zeit rechtzeitig eine Erwerbsquelle hätte aufbauen können. Der Fall ist mithin nicht wesentlich anders zu beurteilen, als wenn der Sohn des Klägers nach seiner Entlassung eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit begonnen und hieraus im zweiten Halbjahr 1987 Einkünfte bezogen hätte, oder wenn er zu diesem Zeitpunkt geheiratet und dann Unterhalt von seiner Ehefrau bezogen hätte (vgl. hierzu Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O. Tz. 387). Daß der Sohn das Entlassungsgeld ohne Ableistung des Wehrdienstes nicht erhalten hätte, tritt gegenüber dem vom Gesetzgeber mit der Zahlung verfolgten Zweck, dem ehemaligen Wehrpflichtigen für die Übergangszeit wirtschaftlich in etwa abzusichern, in den Hintergrund.