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  BFH-Urteil vom 4.7.1991 (IV K 1/90) BStBl. 1991 II S. 813

Eine Restitutionsklage gegen ein Urteil des Bundesfinanzhofs, mit der geltend gemacht wird, das Urteil weiche von anderen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ab, ist als unzulässig zu verwerfen. Zuständig für diese Entscheidung ist der Bundesfinanzhof.

FGO § 134; ZPO § 580 Nr. 7.

Sachverhalt

Im Revisionsverfahren war u.a. streitig, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) im Anschluß an eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1973 den Einkommensteuerbescheid 1974 gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) ändern durfte. Der erkennende Senat bejahte dies im Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 25/88 (BFHE 159, 37, BStBl II 1990, 373) und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 580 Nr. 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gestützte Restitutionsklage. Mit der Klage wird geltend gemacht, der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 30. September 1980 VIII R 58/80 (BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245) entschieden, ein Steuerbescheid über eine vor dem 1. Januar 1977 entstandene Steuer dürfe nach Eintritt der Verjährung nicht gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 geändert werden. Der Kläger beruft sich ferner auf das BFH-Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 17/88 (BFHE 160, 425, BStBl II 1990, 770).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 25/88 aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Niedersächsische Finanzgericht (FG) zu verweisen.

Das FA ist der Klage entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

1. Der erkennende Senat ist sachlich zur Entscheidung über die Restitutionsklage berufen. Grundsätzlich ist allerdings ein Revisionsgericht in den Fällen des § 580 Nr. 7 ZPO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zuständig. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 584 Abs. 1 ZPO, die nach § 134 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt. Die Rechtsprechung hat jedoch eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts bei einer Restitutionsklage angenommen, wenn nach der Verwerfung einer Revision die dieser Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Revisionsgerichts angefochten wurden (vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119; vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710, und vom 10. Februar 1987 VIII K 2/86, BFH/NV 1988, 34). Daran anknüpfend hat der II. Senat des BFH im Urteil vom 17. Juli 1985 II K 1/84 (BFH/NV 1986, 164) die Zuständigkeit des Revisionsgerichts auch in den Fällen des § 580 Nr. 6 ZPO angenommen, wenn mit der Restitutionsklage keine tatsächlichen Feststellungen angefochten werden, sondern vielmehr ausschließlich geltend gemacht wird, das Revisionsgericht habe sich zur Begründung seiner Entscheidung auf ein Urteil gestützt, dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht gefolgt sei. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es in Fällen dieser Art im Restitutionsverfahren keiner weiteren Feststellungen durch die Tatsacheninstanz bedarf. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und ist der Auffassung, daß sie auch für den Streitfall bedeutsam ist. Im Streitfall wird mit der Restitutionsklage geltend gemacht, bei Beachtung der Rechtsgrundsätze der BFH-Urteile in BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245, und BFHE 160, 425, BStBl II 1990, 770 habe die Revision des Klägers nicht zurückgewiesen werden dürfen. Zur Prüfung, ob dies zutrifft, bedarf es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen des FG.

2. Offenbleiben kann, ob die Restitutionsklage fristgerecht (vgl. § 134 FGO i.V.m. § 586 ZPO) erhoben worden ist. Denn die Restitutionsklage ist unzulässig, weil der Kläger keinen zugelassenen Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet hat (vgl. Urteil in BFH/NV 1986, 164).

Nach § 580 Nr. 7 a ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. In derselben Sache ist ein Urteil nur ergangen, wenn die Rechtskraft dieses Urteils sich auf die Beteiligten des Rechtsstreits erstreckt, um dessen Wiederaufnahme es geht (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 580 Rdnr. 22; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 580 Anm. 4 B; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 134 FGO Tz. 12; FG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 1979 XI 447/78 Inv, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 505). Bei einem zwischen anderen Beteiligten ergangenen Urteil ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Nach § 110 Abs. 1 FGO binden nämlich rechtskräftige Urteile nur die Beteiligten - das sind nach § 57 FGO der Kläger, der Beklagte, der Beigeladene und die dem Verfahren beigetretene Behörde (§§ 61 und 122 Abs. 2 FGO) - sowie deren Rechtsnachfolger und in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter so weit, als über den Streitgegenstand entschieden wurde. Das bedeutet, daß es für einen bestimmten Urteilsspruch keine über den konkreten Einzelfall hinausreichende rechtliche Bindung des Richters oder der Finanzbehörden gibt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 110 Rz. 8). Schon deshalb kann ein in einer anderen Sache ergangenes Urteil auch keine Urkunde i.S. des § 580 Nr. 7 b ZPO sein.

Im Streitfall ist offensichtlich, daß die vom Kläger bezeichneten BFH-Urteile nicht in diesem Sinne in Sachen des Klägers ergangen sind; der Kläger hat solches auch nicht behauptet. Ein Restitutionsgrund i.S. des § 580 ZPO ist somit nicht vorgetragen.