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  BFH-Beschluß vom 18.7.1991 (V B 42/91) BStBl. 1991 II S. 888

Der über die Umsatzsteuerbarkeit seiner Leistung geführte Rechtsstreit des Unternehmers berührt nicht die rechtlichen Interessen des Leistungsempfängers, der den Vorsteuerabzug beansprucht. Die Ablehnung der Beiladung dieses Unternehmers gemäß § 60 Abs. 1 FGO ist nicht ermessensfehlerhaft.

FGO § 60 Abs. 1, § 110 Abs. 1; AO 1977 § 174 Abs. 5; UStG 1973/1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin erhielt von der Beschwerdeführerin den Auftrag, deren Büroräume in Moskau auszubauen und einzurichten sowie für die dortige Wohnung eines Mitarbeiters der Beschwerdeführerin eine Kücheneinrichtung zu liefern und einzubauen. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1979 behandelte die Klägerin die Umsätze als steuerfreie Ausfuhrlieferungen. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahre 1980 den Standpunkt, die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen greife nicht ein, weil die Beschwerdeführerin keine ausländische Abnehmerin sei. Die Klägerin erteilte daraufhin der Beschwerdeführerin am 25. September 1981 eine geänderte Rechnung, in der sie Umsatzsteuer in Höhe von 41.501,93 DM gesondert auswies. Über die Nachforderung dieses Betrages ist vor dem Oberlandesgericht (OLG) ein Rechtsstreit anhängig zwischen der Klägerin und der Beschwerdeführerin, die die Auffassung vertritt, Umsatzsteuer sei nicht entstanden, da eine (nichtsteuerbare) Lieferung im Ausland vorliege.

Gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1979 vom 17. Oktober 1985 hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, nachdem sie sich den Standpunkt der Beschwerdeführerin zur Nichtsteuerbarkeit der Lieferungen zu eigen gemacht hat. Die Beschwerdeführerin beantragte, zu diesem Rechtsstreit beigeladen zu werden. Das Finanzgericht (FG) lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin nach den Steuergesetzen (§ 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) seien nicht berührt. Der Beschwerdeführerin stehe der Vorsteuerabzug zu, weil ihr von einem anderen Unternehmer - der Klägerin - Umsatzsteuer für Lieferungen gesondert in Rechnung gestellt worden sei. Diese Voraussetzung für den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 bleibe - jedenfalls bis zu einer evtl. Berichtigung der Rechnung durch die Klägerin - erhalten, selbst wenn das Gericht zu der Auffassung käme, daß die Leistung der Klägerin nicht der Umsatzsteuer unterläge. Das Interesse der Beschwerdeführerin an einem Obsiegen im Zivilrechtsstreit mit der Klägerin rechtfertige keine Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 FGO.

Mit der Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin, den Beschluß des FG aufzuheben und sie - die Beschwerdeführerin - zu dem Rechtsstreit beizuladen.

Die Klägerin erklärt, daß sie keine Einwendungen gegen die Beiladung erhebe. Das FA hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden. Das FG hat die Beiladung der Beschwerdeführerin ermessensfehlerfrei abgelehnt, da rechtliche Interessen der Beschwerdeführerin nach den Steuergesetzen nicht berührt werden.

Es kann offenbleiben, ob die Ansicht des FG zutrifft, der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers hänge nicht davon ab, daß die Lieferung oder sonstige Leistung für sein Unternehmen im Erhebungsgebiet ausgeführt worden ist (a.A. Abschn. 192 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1988); der Senat hat bisher nur entschieden, daß der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht die Steuerpflicht der bezogenen Leistung voraussetzt (Urteil vom 29. Oktober 1987 V R 154/83, BFHE 152, 161, BStBl II 1988, 508). Denn die Entscheidung des FG über die Steuerschuld der Klägerin berührt rechtliche Interessen der Beschwerdeführerin deshalb nicht, weil sich aus dieser Entscheidung keine rechtlichen Folgerungen für den Vorsteuerabzug der Beschwerdeführerin ergeben.

a) Nach dem Umsatzsteuergesetz sind die Umsatzsteuerschuld des Leistenden und der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht materiell i.S. einer gegenseitigen Abhängigkeit miteinander verknüpft. Zwar ist die materiell-rechtliche Regelung der Steuerschuld des leistenden Unternehmers und der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers von dem systematischen Ausgangspunkt her erfolgt, in der Unternehmerkette sollten sich Steuer und Vorsteuer betragsmäßig gegeneinander aufheben. Dennoch müssen die Steuerschuld des Leistenden und der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers jeweils getrennt in deren Steuerschuldverhältnissen nach eigenen Grundsätzen geprüft werden (BFH-Urteil vom 2. November 1989 V R 56/84, BFHE 159, 266, BStBl II 1990, 253, unter II.1.c), wobei sich nur ein Teil der Merkmale der gesetzlichen Tatbestände überschneiden (Unternehmereigenschaft des Leistenden, Ausführung einer Leistung - nach Auffassung der Finanzverwaltung auch: - im Erhebungsgebiet).

b) Die Abgabenordnung (AO 1977) ermöglicht es in § 174 Abs. 5, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 4 dieser Vorschrift steuerrechtliche Folgerungen für den Leistungsempfänger zu ziehen, wenn dieser zum Rechtsstreit des leistenden Unternehmers beigeladen wird und dessen Unternehmereigenschaft infrage steht (BFH-Beschluß vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 AO 1977 ist jedoch nur zulässig, wenn das FA sie beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239).

c) Da eine Bindungswirkung der Entscheidung des FG über die Steuerschuld der Klägerin weder in dem materiellen Steuergesetz noch in der AO 1977 bestimmt ist, verbleibt es bei der in § 110 Abs. 1 FGO geregelten persönlichen Rechtskraftwirkung, nach der rechtskräftige Urteile (u.a.) nur die Beteiligten binden, und zwar im Verhältnis zueinander. Das beklagte FA oder ggf. ein für die Beschwerdeführerin zuständiges anderes FA wäre demnach im Verhältnis zur Beschwerdeführerin ebensowenig an die Entscheidung des FG gebunden wie die Beschwerdeführerin im Verhältnis zum FA.

d) Der Umstand, daß das für die Veranlagung der Beschwerdeführerin zuständige FA auf der Grundlage einer ihm mitgeteilten Entscheidung des FG die Veranlagung der Beschwerdeführerin ändern könnte, ist tatsächlicher Natur. Hierdurch werden die rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin nach den Steuergesetzen nicht berührt.