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  BFH-Beschluß vom 8.8.1991 (VI B 109/90) BStBl. 1991 II S. 929

Zum maßgeblichen Stichtag für die Bewertung des geldwerten Vorteils aus der Option auf im Inland nicht börsennotierte Aktien.

EStG 1984 § 19a Abs. 6 Satz 5.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurden im Streitjahr 1984 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dem Ehemann wurde als Arbeitnehmer der A-GmbH im Jahre 1979 eine Option zum Bezug von Aktien der A-Incorporated - der Muttergesellschaft des Arbeitgebers des Antragstellers - eingeräumt. Am 2. Januar 1984 erwarb der Antragsteller in Ausübung der Option 2.000 Aktien. Der Unterschied zwischen dem Optionspreis und dem gemeinen Wert am 2. Januar 1984 zum damaligen Umrechnungskurs betrug 154.857 DM.

Die Antragsteller vertraten in der Einkommensteuererklärung die Auffassung, der vorstehend bezeichnete Unterschiedsbetrag von 154.857 DM sei nicht zu erfassen, da nach der Bewertungsvorschrift des § 19a Abs. 6 (jetzt Abs. 8) Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1984 nicht der Tag der Überlassung, sondern der Tag der Beschlußfassung über die Überlassung maßgebend sei. An dem zuletzt genannten Tag habe der Optionspreis mit dem gemeinen Wert übereingestimmt. Deshalb sei ein über dem Optionspreis liegender geldwerter Vorteil nicht angefallen.

Dem folgte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) - auch auf den Einspruch hin - nicht. Hierüber ist im Hauptsacheverfahren noch nicht rechtskräftig entschieden.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1984 in Höhe des Steuermehrbetrages, der auf die 154.857 DM entfällt, auszusetzen und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Bei der gebotenen summarischen Beurteilung des Sachverhalts beständen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids.

Überlasse der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in Ausübung eines Ankaufsrechts Aktien zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden festen Preis, so stelle der darin liegende geldwerte Vorteil zum Zeitpunkt der Ausübung der Option (§ 11 Abs. 1 EStG) Arbeitslohn dar. Dessen Höhe richte sich im Streitfall nach der ab dem Veranlagungszeitraum 1984 geltenden Vorschrift des § 19a EStG (vgl. § 52 Abs. 21 b EStG 1983), und zwar nach dessen Abs. 6, obwohl die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 19a Abs. 1 EStG nicht vorlägen.

Heranzuziehen sei auch § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG, denn es habe sich um "eigene Aktien" i.S. dieser Vorschrift gehandelt, da Incorporated und GmbH im Verhältnis von Konzernobergesellschaft zu Konzernuntergesellschaft ständen, bei denen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) vorlägen. Gleichwohl sei für die Bewertung nicht der Tag der Beschlußfassung über die Überlassung maßgebend, da § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG nur auf solche Aktien Anwendung fände, die an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen seien. Denn in § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG sei auf die Sätze 2 bis 4 des § 19a Abs. 6 EStG Bezug genommen. Da bei den streitigen Aktien die genannten zusätzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten, seien im Streitfall nicht die Vorschriften der Sätze 2 bis 5 des § 19a Abs. 6 EStG maßgebend, sondern dessen Satz 1.

Mit der Beschwerde verfolgen die Beschwerdeführer das Aussetzungsbegehren weiter.

Sie tragen vor, das FG habe zu Recht dargelegt, daß sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG erfüllt seien. Dagegen sei dem FG nicht darin zu folgen, daß zusätzlich die Voraussetzungen des § 19a Abs. 6 Satz 2 bis 4 EStG vorliegen müßten. Diese Vorschriften regelten lediglich die Wertansätze von solchen Vermögensbeteiligungen, die an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen seien. Daß die Voraussetzungen der Sätze 2 bis 4 bei Anwendung des Satzes 5 von § 19a Abs. 6 EStG ebenfalls vorliegen müßten, sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle Satz 5 die alleinige Rechtsgrundlage für die Bewertung der Aktien dar.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die gebotene summarische Prüfung des Streitfalles ergibt, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht bestehen. Des weiteren sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Vollziehung des Bescheides für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

1. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob den Bewertungsvorschriften des § 19a Abs. 6 EStG - wie allgemein angenommen wird (Abschn. 77 Abs. 15 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990; Altehöfer in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 19a Anm. 68; Giloy in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 19 Rdnr. B 719; Knepper in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, § 19a Rdnr. A 20, D 1, 3; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, C § 19a Rdnr. 8; Klöckner NWB-Fach 6 S. 2558) -, nicht nur bei Ermittlung der Steuerbefreiung des § 19a Abs. 1 EStG Bedeutung zukommt. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob § 19a Abs. 6 EStG nur zum Zuge kommt, wenn es sich bei den Vermögensbeteiligungen um solche des § 19a Abs. 3 Nrn. 1-8 EStG handelt und ob hierunter auch geldwerte Vorteile fallen, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines Aktienbezugsrechts stehen. Die angesprochene Frage kann ebenso dahinstehen, wie die weitere, ob unter "eigenen" Aktien i.S. von § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG nur solche des Arbeitgebers und nicht auch einer Konzernobergesellschaft zu verstehen sind (so Barein in Littmann/Bitz/ Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 19a Rn. 61 unter Berufung auf BFH-Urteil vom 11. Juli 1986 VI R 163/82, BFHE 147, 165, BStBl II 1987, 300; Knepper, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht - ZGR - 1985, 419, 438, 441; Abschn. 77 Abs. 21 Sätze 2 und 3 LStR 1990; a.A. Klöckner, NWB-Fach 6, S. 2555 ff., 2558; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 23. Juli 1984 IV B 6 - S 2342 - 40/84, BStBl I 1984, 416 unter Abschn. III.).

2. Geht man nämlich mit den Beteiligten davon aus, daß § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG auch auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar ist, so ist die Vorschrift jedenfalls dahingehend zu verstehen, daß sie nur für an einer deutschen Börse notierte bzw. in den geregelten Freiverkehr einbezogene Aktien gilt. Dies folgt aus der gegenseitigen Verweisung in den Sätzen 2 und 5 des § 19a Abs. 6 EStG. Sofern die Voraussetzungen für die Maßgeblichkeit des Tages der Beschlußfassung nur aus den in § 19a Abs. 6 Satz 5 EStG selbst geregelten Tatbestandsmerkmalen hätte entnommen werden sollen, hätten sich in Satz 2 die Worte "vorbehaltlich des Satzes 5" erübrigt und es wäre auch unverständlich, warum der Gesetzgeber in Satz 5 nicht lediglich vom Tag der Überlassung, sondern der "Überlassung im Sinne der Sätze 2 bis 4" ausgegangen ist. Auch wenn sich das vom Gesetzgeber Gewollte einem unbefangenen Leser nicht ohne weiteres auf Anhieb erschließt, bestehen jedenfalls keine ernstlichen Zweifel, daß mit den gegenseitigen Verweisungen in den Sätzen 2 und 5 des § 19a Abs. 6 EStG beabsichtigt ist, die Maßgeblichkeit des Tages der Beschlußfassung auch davon abhängig zu machen, daß die betreffenden Aktien an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen bzw. in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind.