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  BFH-Urteil vom 6.12.1991 (III R 108/90) BStBl. 1992 II S. 452

1. Es wird auch dann ein neues Wirtschaftsgut i. S. von § 19 BerlinFG hergestellt, wenn ein im Betrieb des Investors bereits vorhandenes Wirtschaftsgut unter Verwendung neu angeschaffter Gegenstände so tiefgreifend umgestaltet wird, daß die neuen Teile dem Gesamtgebilde das Gepräge geben und der Teilwert der verwendeten Altteile 10 v. H. des Teilwerts des hergestellten neuartigen Wirtschaftsguts nicht überschreitet (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Die Höchstgrenze für den Teilwert des hergestellten neuartigen Wirtschaftsguts bilden in einem solchen Fall die Anschaffungskosten der verwendeten Neuteile vermehrt um den Teilwert der im Betrieb bereits vorhanden gewesenen Altteile einschließlich der Montagekosten (im Anschluß an BFH-Entscheidung vom 4. August 1983 III R 21/80, BFHE 141, 200, BStBl II 1984, 631).

BerlinFG § 19.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, betreibt im Westteil Berlins eine Druckerei. Dort setzte sie sechs mit jeweils zwei Druckwalzen ausgestattete sog. Hochdruck-Rotationsmaschinen (Wood-Albert-Rotationsmaschinen) ein, die sie in den Jahren 1965 bis 1971 mit einem Gesamtaufwand von über 27,5 Mio DM angeschafft hatte. Die Druckmaschinen waren in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1981 auf 0 DM abgeschrieben.

In den Streitjahren (1980 bis 1982) baute die Klägerin die sechs vorhandenen Hochdruck-Rotationsmaschinen mit einem Aufwand von rd. 5,7 Mio DM für die Anwendung des "direkten Offsetverfahrens" (Dilitho- oder Direktlithoverfahren) um. Neben vielfältigen Detailänderungen wurden bei allen sechs Maschinen die vorhandenen Farbwerke durch Feuchtwerke ergänzt. Die Reibzylinder wurden mit einem wasserabweisenden Bezug ummantelt, und die Druckeinheiten wurden mit Feuchtwasserbehältern, Feuchtzusatzdosieranlagen und einer Wasserkühlung versehen. Auch die bestehenden Auftrags- und Vorriebwalzen wurden mit Gummibezügen ummantelt und die vorhandenen bleiernen Druckplatten durch Aluminiumoffsetplatten ersetzt. Durch die Umbaumaßnahmen wurde die Produktionsgeschwindigkeit wesentlich erhöht. Es wurde mit den nach wie vor mit nur zwei Druckwalzen ausgestatteten, umgebauten Maschinen eine ähnlich hohe Druckqualität erreicht, wie sie sonst nur durch mit drei Druckwalzen ausgestattete Offsetdruckmaschinen erreicht wird.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte die von der Klägerin begehrte Zulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für die beim Umbau angefallenen Aufwendungen zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluß an eine Überprüfung des Zulageantrages 1981 änderte das FA die entsprechenden Bescheide und forderte die ausgezahlte Zulage zurück. Nach Ansicht des FA macht der Teilwert der beim Umbau verwendeten alten Teile der Hochdruck-Rotationsmaschinen mehr als 10 v. H. des Teilwertes der umgerüsteten Maschinen aus.

Dagegen wendet sich die Klägerin. Sie trägt vor, die alten Maschinen hätten einen positiven Teilwert nicht mehr gehabt. Ohne den Umbau hätte sogar eine Rückstellung für die Abrißkosten in der Bilanz gebildet werden müssen.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Es kam nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Anhörung des technischen Leiters der Klägerin zu dem Ergebnis, daß die Klägerin durch die Umrüstung der vorhandenen Druckmaschinen völlig andere neue Wirtschaftsgüter geschaffen hat. Durch den Einbau der ursprünglich nicht vorhandenen Feuchtwerke und durch die sonstigen Veränderungen seien grundlegend neue, nunmehr zum Offsetdruck geeignete Druckmaschinen entstanden.

Weiter habe der Teilwert der beim Umbau verwendeten alten Teile (d. h. der alten Druckmaschinen) weniger als 10 v. H. des Teilwertes der umgebauten neuen Maschinen betragen. Der Teilwert der umgebauten Maschinen orientiere sich an den Anschaffungskosten für sechs neue Offsetdruckmaschinen (ca. 90 Mio DM) und könne mit 50 Mio DM angesetzt werden. Somit hätten Altteile im Wert von rd. 5 Mio DM zulageunschädlich Verwendung finden können. Selbst wenn man gemäß Abschn. 52 Abs. 3 Nr. 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) den Teilwert der alten Teile mit 15 v. H. des ursprünglichen Anschaffungswertes der alten Maschinen (rd. 27,5 Mio DM) ansetze, bleibe man unter 5 Mio DM. Der tatsächliche Teilwert der alten Maschinen sei jedoch noch erheblich niedriger gewesen, da für die alten Maschinen nach übereinstimmender Einschätzung aller Verfahrensbeteiligten ohne Umbau überhaupt keine Verwendung mehr gewesen wäre.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß durch die Umbauten neuartige Maschinen (ein aliud) hergestellt worden sind. Die Feststellungen der Vorinstanz reichen indes nicht aus, den Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Maschinenteile abschließend der Höhe nach zu beurteilen.

Die Gewährung einer Berlin-Zulage für bewegliche Wirtschaftsgüter hat nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BerlinFG 1982 u. a. zur Voraussetzung, daß der Investor ein neues abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens selbst herstellt oder anschafft.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Wirtschaftsgut neu, wenn es bei seiner Inbetriebnahme noch ungebraucht ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1979 III R 71/78, BFHE 127, 117, BStBl II 1979, 287). Die Herstellung eines Wirtschaftsguts ist dementsprechend grundsätzlich nur zulagebegünstigt, wenn hierbei ausschließlich neue Teile verwendet werden. Wird ein neu angeschafftes Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen mit einem in seinem Betrieb bereits vorhandenen - gebrauchten - Wirtschaftsgut fest verbunden, so führt dieser Vorgang im Regelfall nicht zur Herstellung eines nach § 19 BerlinFG begünstigten "neuen" beweglichen Wirtschaftsguts (vgl. BFH-Entscheidung vom 20. März 1981 III R 114/80, BFHE 134, 75, BStBl II 1981, 785).

Ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung des BFH jedoch auch bei der Verwendung von gebrauchten Teilen die Herstellung eines i. S. des § 19 BerlinFG neuen Wirtschaftsguts angenommen werden. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Investor eine gebrauchte Sache durch Verwirklichung einer neuen Idee zu einem andersartigen Wirtschaftsgut umgestaltet (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1975 VIII R 38/73, BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96). Zum anderen bejaht der erkennende Senat die Herstellung eines begünstigten neuartigen Wirtschaftsguts (aliud) dann, wenn eine bereits vorhandene und gebrauchte bewegliche Sache unter Verwendung neu angeschaffter Teile so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert wird, daß die neuen Teile dem Gesamtbild das Gepräge geben. Weitere Voraussetzung für die Zulagebegünstigung ist in diesem Fall jedoch, daß die verwendeten Altteile bedeutungs- und wertmäßig untergeordnet erscheinen (vgl. BFH-Entscheidung vom 28. September 1990 III R 77/89, BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361). Von einer wertmäßigen Unterordnung ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dann auszugehen, wenn der Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Wirtschaftsgüter 10 v. H. des Teilwertes der hergestellten neuartigen Wirtschaftsgüter nicht überschreitet (vgl. BFH-Entscheidung vom 8. Februar 1980 III R 79/78, BFHE 130, 102, BStBl II 1980, 341).

2. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, sie habe durch die Umbauten eine "neue Idee" verwirklicht und bereits dadurch ein i. S. des § 19 BerlinFG "neues" Wirtschaftsgut geschaffen (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96, und in BFHE 130, 102, BStBl II 1980, 341, unter 4.). Die Annahme einer "neuen Idee" scheitert im Streitfall schon daran, daß die Klägerin aus den Maschinen keinen andersartigen Gegenstand, sondern wiederum Druckmaschinen hergestellt hat. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß nunmehr andere Druckplatten verwendet und die Maschinen nicht mehr zum Hochdruck, sondern zum Offsetdruck eingesetzt werden (vgl. BFH-Entscheidung vom 4. August 1983 III R 21/80, BFHE 141, 200, BStBl II 1984, 631, unter 3.).

3. Der erkennende Senat teilt jedoch die Ansicht der Vorinstanz, daß die Klägerin durch die Umbauten neuartige Wirtschaftsgüter (ein aliud) hergestellt hat.

Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG führten der Einbau der Feuchtwerke und die sonstigen Veränderungen zu einem Qualitätssprung, der ein modernes, kostengünstiges und schnelles Drucken erst ermöglicht. So erlaubt das geänderte Druckverfahren verbesserte Möglichkeiten im Layout und einen kostengünstigen Farbdruck für wichtige Anzeigenkunden, wie er sonst nur auf neuen Offsetmaschinen möglich ist. Zwar wurde das äußere Erscheinungsbild der mit zwei Druckwalzen ausgestatteten Druckmaschinen durch den Anbau der Feuchtwerke etc. nur geringfügig verändert. Ihr neues Gepräge erhielten die Maschinen jedoch durch die neuen Einsatzmöglichkeiten. Die Umstellung vom Hochdruck auf das Offset- oder Flachdruckverfahren hat zu einer Wesensänderung geführt, durch welche die vorhandenen Maschinen so weitgehend verändert wurden, daß von neuartigen Wirtschaftsgütern ausgegangen werden muß. Die Beurteilung durch das FG, daß die Umbauten über eine bloße - nach § 19 BerlinFG von vornherein nicht begünstigte - Modernisierung der Maschinen hinausgegangen sind, verstößt jedenfalls nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

4. Fehlende Feststellungen der Vorinstanz zur genauen Höhe des Teilwertes der von der Klägerin beim Umbau der Druckmaschinen verwendeten Altteile erlauben es dem erkennenden Senat jedoch nicht, abschließend zu der Frage Stellung zu nehmen, ob dieser Teilwert weniger als 10 v. H. des Gesamtteilwertes der hergestellten neuartigen Offsetdruckmaschinen betragen hat (vgl. BFHE 130, 102, BStBl II 1980, 341).

a) Das FG ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die in den alten Hochdruckmaschinen vorhandene Möglichkeit des Umbaus zu neuartigen Offsetmaschinen nicht zu einer Erhöhung des Teilwertes der verwendeten Altteile geführt hat. Dies ergibt sich bereits aus der Erwägung, daß es sich bei der Idee, Hochdruck- zu Offsetdruckmaschinen umzubauen, nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG nicht um eine allgemein bekannte - marktgängige - Idee der Umrüstung gehandelt hat, sondern um spezielles Wissen der Klägerin (sog. Know-how). Beim Steuerpflichtigen vorhandenes und eingesetztes Know-how findet als immaterieller Wert bei der Bestimmung des Teilwertes nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFHE 141, 200, BStBl II 1984, 631) aber keine Berücksichtigung.

b) Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz kann im Streitfall jedoch nicht von einem Teilwert der hergestellten neuartigen Wirtschaftsgüter von rd. 50 Mio DM ausgegangen werden. Die Höchstgrenze für den Teilwert der hergestellten Wirtschaftsgüter bildet in Fällen, in denen nicht nur die verwendeten Neuteile, sondern auch die Altteile vom Investor angeschafft worden sind, die Summe sämtlicher Anschaffungskosten einschließlich der Montagekosten (vgl. Urteil in BFHE 141, 200, BStBl II 1984, 631). In Fällen, in denen wie im Streitfall die verwendeten Altteile im Betrieb bereits vorhanden waren, ergibt sich der Teilwert der hergestellten Maschinen aus der Summe der Anschaffungskosten für die Neuteile und dem Teilwert für die im Betrieb bereits vorhandenen Altteile einschließlich der Montagekosten. Dabei entspricht der Teilwert der verwendeten, bereits im Besitz befindlichen Altteile nicht unbedingt deren Bilanzwert. Diese Beurteilung beruht entscheidend auf der Überlegung, daß es widersprüchlich wäre, einerseits bei der Berechnung der 10-v. H.-Grenze auf den Teilwert der verwendeten Altteile abzustellen, andererseits aber den Gesamtwert der erstellten neuen Anlage nur nach den Anschaffungskosten der verwendeten Neuteile - also ohne den Teilwert der Altteile - zu bestimmen. Eine solche Vorgehensweise würde zu einer Verzerrung der wertmäßigen Verhältnisse der Altteile zum Gesamtwert führen. Der Teilwert der hergestellten Wirtschaftsgüter errechnet sich somit aus den Anschaffungskosten für die Neuteile (im Streitfall 5.755.833 DM) einschließlich dem Teilwert der verwendeten Altteile und der Montagekosten. Entsprechend ist ein Wirtschaftsgut i. S. des § 19 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG "neu", wenn der Teilwert der verwendeten Altteile nicht mehr als 10 v. H. des auf diese Weise berechneten Teilwertes des hergestellten Wirtschaftsguts beträgt.

5. Die Vorinstanz ist bei der Entscheidung z. T. von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil ist daher aufzuheben. Da der Senat die Feststellungen zum Wert der von der Klägerin verwendeten Altteile nicht selbst treffen kann, war die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird den Teilwert der Altteile festzustellen und sodann mit dem Wert der umgebauten Maschinen unter dem Gesichtspunkt der 10-v. H.-Grenze (vgl. BFHE 130, 102, BStBl II 1980, 341) zu vergleichen haben.