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  BFH-Urteil vom 25.7.1991 (XI R 2/86) BStBl. 1992 II S. 37

Die Erklärung, einen geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, unterliegt nicht dem Vertretungszwang.

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO §§ 68, 123.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1983 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 11.472,21 DM geltend, den sie aus Einnahmen für Dezember 1983 in Höhe von 660 DM sowie Werbungskosten für Schuldzinsen und Notarkosten in Höhe von 2.132 DM und eine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 10.000 DM errechneten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging bei der Veranlagung von einem unentgeltlichen Erwerb der Kläger aus.

Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 6. April 1984 blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 1984).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 42 AO 1977.

Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die nicht vertretenen Kläger haben keinen Antrag gestellt. Sie haben den Änderungsbescheid vom 27. Februar 1991, in dem die Höhe des Kinderfreibetrags für vorläufig erklärt wird, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Kläger waren berechtigt, den Änderungsbescheid vom 27. Februar 1991 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, auch ohne gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten gewesen zu sein.

Die gesetzliche Normierung des Vertretungszwangs für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hat grundsätzlich zur Folge, daß den Beteiligten die Postulationsfähigkeit fehlt. Nach der Rechtsprechung ist ausnahmsweise eine Vertretung nicht geboten, wenn die Prozeßhandlung zu einer Beendigung des Verfahrens führt (BFH-Beschlüsse vom 13. März 1979 VII K 2/79, BFHE 127, 309, BStBl II 1979, 431; vom 17. Juli 1979 VII B 20/77, BFHE 128, 327, BStBl II 1979, 707; vom 17. Februar 1981 VII R 14/80, BFHE 132, 400, BStBl II 1981, 395; vom 17. September 1982 VI R 62/82, BFHE 136, 448, BStBl II 1983, 25), wenn weitere Handlungen eines Beteiligten nicht erforderlich sind (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1978 VII R 17/77, BFHE 126, 506, BStBl II 1979, 265) oder wenn eine Erklärung auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden kann (BFH-Beschluß vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439; zu Ausnahmen vom Vertretungszwang im Bereich der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit vgl. Günther, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1988, 1039, m. w. N.).

Eine weitere Ausnahme ist für die Erklärung nach §§ 68, 123 FGO zuzulassen. § 68 FGO dient in erster Linie dem Schutz des Klägers, daneben auch der Beschleunigung des Verfahrens. Durch eine Änderung (oder Ersetzung) des angefochtenen Bescheids soll das FA den laufenden Prozeß nicht gegen den Willen des Klägers beenden können, so daß dieser gezwungen wäre, ein neues Verfahren zu beginnen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl. - Stand November 1990 -, § 68 FGO Tz. 1; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 68 Rdnr. 1). Wie die ausdrückliche Erwähnung des § 68 FGO in § 123 Satz 2 FGO zeigt, genießt der Kläger diesen Schutz auch im Revisionsverfahren.

Gegenüber dieser Regelung hat Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG zurückzutreten; dieser soll die auf mangelnder Sachkenntnis der Beteiligten beruhende Überlastung des BFH beseitigen; er dient insoweit auch deren Schutz (vgl. Bericht des Rechtsausschusses vom 16. Mai 1975, BTDrucks 7/3654, S. 4). Dieser gesetzgeberische Zweck verlangt nicht, auch die Erklärung nach §§ 68, 123 FGO dem Vertretungszwang zu unterstellen. Diese Erklärung erfordert keine besondere Sachkenntnis, die im Interesse der Rechtspflege und zum Schutze der Beteiligten eine Vertretung zwingend geboten erscheinen läßt. Wie gerade der Streitfall zeigt, dient die abgegebene Erklärung der Prozeßökonomie, indem ein weiteres Verfahren vermieden wird, sowie der reibungslosen Abwicklung des anhängigen Verfahrens und damit auch der Entlastung des BFH; sie entspricht ferner dem schutzwürdigen Interesse der Kläger an einer alsbaldigen Sachentscheidung. Diese Überlegungen gelten insbesondere für den Fall, daß - wie hier - der geänderte Bescheid Klage- und Revisionsbegehren überhaupt nicht berührt.