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  BFH-Urteil vom 27.11.1991 (II R 100/87) BStBl. 1992 II S. 563

Wird das Grundstück (Gebäude) eines nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG begünstigten Rechtsträgers auch zu nichtsteuerbegünstigten Zwecken benutzt, ist die Grundsteuerbefreiung gemäß § 8 Abs. 2 GrStG nur zu gewähren, wenn die Nutzung für steuerbegünstigte Zwecke überwiegt; dabei scheiden Zeiten der Nichtnutzung (des Leerstehens) des Grundstücks (Gebäudes) für den zeitanteiligen Maßstab aus.

Handelt es sich um unterschiedliche Gebäudeteile, die jeweils teils zu begünstigten, teils zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt werden, ist bei der Gewichtung, ob die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen, neben der zeitlichen Abgrenzung auch der räumliche Umfang der unterschiedlichen Nutzung nach Maßgabe des Flächenanteils zu berücksichtigen.

GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Schützenverein, ist Eigentümer eines mit einer Schützenhalle bebauten Grundstücks. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat für dieses Grundstück auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 einen Einheitswert von 124.700 DM festgestellt und den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1974 in Höhe von 436,45 DM veranlagt.

Das FA behandelte den Kläger bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1983 mit Ausnahme des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ("Schützenfest, Tanz in den Mai etc.") nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als von der Körperschaftsteuer befreit, da der Kläger ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken i. S. der §§ 51 f. der Abgabenordnung (AO 1977) diene. Mit Bescheid vom 18. Mai 1984 hat das FA die Vermögensteuer 1982 mit 0 DM festgesetzt. Daraufhin beantragte der Kläger im Jahre 1984 die Aufhebung des Einheitswerts für sein Grundstück. Das FA sah darin gleichzeitig einen Antrag des Klägers auf Grundsteuerbefreiung für die Schützenhalle. Aufgrund des vom Kläger vorgelegten Veranstaltungsnachweises über die Nutzung der Halle in den Jahren 1980 bis 1982 versagte das FA die beantragte Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b des Grundsteuergesetzes (GrStG), da die Schützenhalle überwiegend geselligen Veranstaltungen und nicht gemeinnützigen Zwecken diene, und lehnte die beantragte Aufhebung des Einheitswerts ab.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) den Einheitswert für das Grundstück des Klägers nach § 24 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit Wirkung vom 1. Januar 1981 an aufgehoben, da der Einheitswert infolge von Befreiungsgründen der Besteuerung nicht mehr zugrunde zu legen sei. Für die Grundsteuer greife die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3 b i. V. m. § 8 GrStG ein, denn die Schützenhalle sei überwiegend zu gemeinnützigen Zwecken genutzt worden.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um die Frage der Steuerbefreiung für das Grundstück des Klägers beurteilen zu können.

1. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG ist der Einheitswert für das Grundstück des Klägers auf den 1. Januar 1981 nur aufzuheben, wenn der Einheitswert infolge von Befreiungsgründen der Besteuerung nicht mehr zugrunde gelegt wird. Das setzt voraus, daß die wirtschaftliche Einheit zu diesem Zeitpunkt unzweifelhaft von allen einheitswertabhängigen Steuern befreit ist (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 24 BewG Anm. 14).

Die Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um die Frage der Grundsteuerbefreiung des Grundstücks des Klägers überprüfen zu können. Das FG hat den Sachverhalt insoweit nicht ausreichend aufgeklärt (§ 76 Abs. 1 FGO).

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b GrStG ist von der Grundsteuer der Grundbesitz befreit, der von einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird. Da nach der Gesetzesüberschrift zu § 3 GrStG die Steuerbefreiung nur für den Grundbesitz bestimmter Rechtsträger gilt, sieht § 3 Abs. 1 letzter Satz GrStG folgerichtig vor, daß der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn für die begünstigten Zwecke benutzt, oder einem anderen nach § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein muß. Damit setzt die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b GrStG grundsätzlich voraus, daß der Eigentümer eine als gemeinnützig anzuerkennende Körperschaft ist (subjektive Voraussetzung), und daß der Grundbesitz zum begünstigten Zweck benutzt wird (objektive Voraussetzung).

a) Wie aus § 3 Abs. 1 letzter Satz GrStG zu folgern ist, greift die Befreiung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 b GrStG jedoch nach unbestrittener Auffassung auch dann ein, wenn die als gemeinnützig anzuerkennende Körperschaft den ihr gehörenden Grundbesitz nicht selbst nutzt, sondern ihn einer anderen nach § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG begünstigten Körperschaft usw. zur Nutzung für deren begünstigte Zwecke überläßt; dabei ist es unerheblich, ob der Grundbesitz unentgeltlich oder aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses gegen Entgelt überlassen wird (vgl. Grundsteuer-Richtlinien 1978 - GrStR 1978 - i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. Dezember 1978, BStBl I 1978, 553, Abschn. 6 Abs. 2 Satz 2; Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 3 Anm. 43), sofern er nur unmittelbar für den steuerbegünstigten Zweck benutzt wird (§ 7 GrStG). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es deshalb im Streitfall entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang auch die anderen Hallenbenutzer zu dem in § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG genannten Personenkreis zählen.

Von dieser Rechtslage ist zwar auch die Vorinstanz ausgegangen. Doch fehlen in dem angegriffenen Urteil hinreichende Feststellungen, inwieweit der Kläger die Schützenhalle an gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG begünstigte und an nichtbegünstigte Personen überlassen hat und ob die Schützenhalle - bei Überlassung an steuerbegünstigte Personen - für steuerbegünstigte (z. B. gemeinnützige) oder nichtbegünstigte Zwecke benutzt wurde. Denn auch soweit die Vorinstanz auf die vom Kläger vorgelegte Aufstellung über die "Hallenvermietung" in den Jahren 1980 bis 1982 hingewiesen hat, ergibt sich daraus nicht, welche der in der Aufstellung genannten Benutzer als gemeinnützig anerkannt werden können und welcher Art die Nutzung im Einzelfall war.

b) Für die Steuerbefreiung der Schützenhalle ist es nicht erforderlich, daß die Halle ausschließlich vom Kläger oder anderen unter § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG fallenden Personen für begünstigte Zwecke benutzt wird. Wird aber, wovon die Beteiligten im Streitfall übereinstimmend ausgehen, das Grundstück auch zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt, so ist nach Maßgabe des § 8 GrStG zu prüfen, welche Nutzung überwiegt. Dabei scheiden, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, Zeiten des Leerstehens, in denen die Halle nicht genutzt wird, für den zeitanteiligen Maßstab aus (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. April 1985 VI R 68/82, BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467).

Handelt es sich - wie im Streitfall - um unterschiedliche Gebäudeteile, die jeweils teils zu begünstigten, teils zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt werden, ist bei der Gewichtung, ob die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen, neben der zeitlichen Abgrenzung auch der räumliche Umfang der unterschiedlichen Nutzung nach Maßgabe des Flächenanteils zu berücksichtigen. Auch insoweit fehlen in dem angegriffenen Urteil ausreichende Feststellungen zum Umfang der Nutzung, die eine revisionsrechtliche Überprüfung ermöglichen.

Die Vorinstanz hat zwar ausgeführt, daß von den "rd. 60 Veranstaltungen" die gemeinnützigen überwögen, da die Halle zu eigenen Vereinszwecken rd. 20mal, zu fremden gemeinnützigen Zwecken ebenfalls rd. 20mal genutzt worden sei. Doch wird dies, worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat, durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Denn soweit sich das FG in seiner Entscheidung auf den vom Kläger dem FA vorgelegten Veranstaltungsnachweis für die Jahre 1980 bis 1982 bezieht, läßt dieser nicht nur - wie oben dargelegt - offen, welche der dort aufgeführten Benutzer zu dem nach § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG genannten Personenkreis gehören; offen bleibt auch, ob und welche Teile der Schützenhalle (großer Hallenraum, Teilhalle, Anbau und Speiseraum) nach der vom Kläger vorgelegten Aufstellung gemäß § 7 GrStG unmittelbar zu gemeinnützigen Zwecken i. S. der §§ 52 und 53 AO 1977 oder zu nichtgemeinnützigen Zwecken i. S. des § 64 AO 1977 (z. B. zu geselligen Veranstaltungen) benutzt worden sind.

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Tatbestand des angegriffenen Urteils bietet keine geeignete Grundlage für die rechtliche Beurteilung. Die Sache ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO) ermitteln müssen, in welchem räumlichen und zeitlichen Umfang nach Maßgabe der Verhältnisse des Vorjahres die Schützenhalle vom Kläger oder anderen unter § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 GrStG fallenden Personen zum Stichtag 1. Januar 1982 zu steuerbegünstigten und nichtbegünstigten Zwecken genutzt wurde.