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  BFH-Urteil vom 27.2.1991 (I R 66/89) BStBl. 1992 II S. 19

Werden neben dem Komplementär-Anteil auch sämtliche Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG mit dem Ziel der Anwachsung auf einen neuen Gesellschafter übertragen, so ist ein Anschaffungsgeschäft über Wertpapiere anzunehmen, das der Börsenumsatzsteuer unterliegt.

KVStG 1972 §§ 17 und 18.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Neben ihr bestand die X-GmbH & Co. KG. An beiden Gesellschaften waren als Kommanditisten A, B, C und D beteiligt. An der Klägerin waren als Kommanditisten zusätzlich E, F und G beteiligt. An beiden Gesellschaften war die Y-GmbH einzige persönlich haftende Gesellschafterin.

Um die Klägerin und die X-GmbH & Co. KG "zusammenzulegen", vereinbarten die Klägerin, die X-GmbH & Co. KG und die Kommanditisten beider Gesellschaften durch notariellen Vertrag vom 22. November 1982, daß die Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG ihre sämtlichen Gesellschaftsanteile an der X-GmbH & Co. KG mit Wirkung zum 1. Januar 1983 auf die Klägerin übertrugen. Als Entgelt sollte die Klägerin neue bzw. erhöhte Kommanditanteile den Kommanditisten gewähren. Die Y-GmbH sollte zum 31. Dezember 1982 aus der X-GmbH & Co. KG ausscheiden. Sie verkaufte und übertrug ihren Mitunternehmeranteil mit Wirkung zum 1. Januar 1983 auf die Klägerin. Als Entgelt erhielt sie eine erhöhte Festbeteiligung an der Klägerin. Damit übernahm die Klägerin das Handelsgeschäft der X-GmbH & Co. KG am 1. Januar 1983 im Wege der Anwachsung durch Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Übertragung der Kommanditanteile an der X-GmbH & Co. KG auf die Klägerin einen gemäß §§ 17, 18 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 börsenumsatzsteuerpflichtigen Rechtsvorgang. Er ermittelte den Wert der übertragenen Kommanditanteile nach dem Stuttgarter Verfahren mit 3.904.565 DM und setzte die Börsenumsatzsteuer durch Bescheid vom 3. März 1987 mit 9.761 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 17, 18 KVStG 1972.

Sie beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1989 4 K 282/87 sowie den Steuerbescheid vom 3. März 1987 und die Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 1987 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 17 Abs. 1 KVStG 1972 unterliegt der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere der Börsenumsatzsteuer, wenn das Geschäft im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen wird. Gemäß § 18 Abs. 1 KVStG 1972 sind Anschaffungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

Zu diesen Vorschriften hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß nach dem Gesellschafterbeschluß vom 22. November 1982 ein Teil der Kommanditisten der Klägerin sämtliche Kommanditanteile an der X-GmbH & Co. KG an die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 1983 veräußerte und übertrug. Zu dem gleichen Zeitpunkt veräußerte und übertrug auch die Y-GmbH ihren Komplementäranteil an der X-GmbH & Co. KG auf die Klägerin. Diese vereinigte damit alle Gesellschaftsanteile an der X-GmbH & Co. KG in ihrer Hand, weshalb ihr das Vermögen der X-GmbH & Co. KG anwuchs.

Durch den Gesellschafterbeschluß vom 22. November 1982 wurde der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 1 KVStG 1972 verwirklicht. Der Beschluß wurde im Inland gefaßt. Er ist grundsätzlich geeignet, Anschaffungsgeschäft i. S. des § 18 Abs. 1 KVStG 1972 zu sein (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. März 1977 II R 19-20/76, BFHE 122, 348, BStBl II 1977, 658; vom 13. Februar 1980 II R 12/78, BFHE 129, 513, BStBl II 1980, 236). Auch sind Kommanditanteile Dividendenwerte i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KVStG 1972 (vgl. BFH-Urteil vom 3. September 1975 II R 88/74, BFHE 117, 106, BStBl II 1976, 7).

2. Die Tatsache, daß die zu übertragenden Kommanditanteile zum Untergang durch Anwachsung bestimmt waren, steht der Besteuerung nicht entgegen.

a) Die Börsenumsatzsteuer knüpft in den §§ 17 ff. KVStG 1972 an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft an, durch das die Verpflichtung zur Übereignung von Wertpapieren begründet wird. Unter § 18 Abs. 1 KVStG 1972 fallen deshalb alle entgeltlichen Verträge, die die Verpflichtung begründen, das Eigentum an Wertpapieren an einen anderen zu übertragen. Für den Begriff des Anschaffungsgeschäftes ist es unerheblich, welchem Schicksal die Wertpapiere nach ihrer Übertragung auf den Erwerber unterliegen. Entscheidend ist deshalb auch im Streitfall nur, daß die Anwachsung des Vermögens der X-GmbH & Co. KG den vorherigen Erwerb aller Gesellschaftsanteile logisch voraussetzte. Die Anwachsung berührt ihrem Inhalt nach weder den Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes noch den Erwerb der Kommanditanteile als Gegenstand des Verpflichtungsgeschäftes. Im Gegenteil ist die Anwachsung ohne den vorherigen Erwerb der Kommanditanteile undenkbar. Sie schließt deshalb die Annahme eines Anschaffungsgeschäftes nicht aus.

b) Zwar läßt sich den §§ 17 und 18 KVStG 1972 entnehmen, daß bestimmte Fälle, die den Untergang des Wertpapiers zum Inhalt haben, nicht besteuert werden sollen. So entsteht keine Börsenumsatzsteuer, wenn der aus einem Wertpapier Verpflichtete die verbriefte Forderung erfüllt. In diesem Fall ist das Rechtsgeschäft nicht in erster Linie auf den Erwerb des Eigentums am Wertpapier, sondern auf die Tilgung der Schuld gerichtet (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 5. Oktober 1928 II A 403/28, RFHE 24, 140; vom 30. Oktober 1931 II 344/31, RStBl 1932, 745; vom 23. Mai 1933 II A 605/31, RStBl 1933, 916). Jedoch läßt sich diese Rechtsprechung auf den Streitfall nicht übertragen, weil der Gesellschafterbeschluß vom 22. November 1982 nicht in vergleichbarer Weise vorrangig auf die Tilgung einer Schuld gerichtet war. Durch ihn wurde nur die Verpflichtung zur Übertragung der Kommanditanteile begründet. Diese Übertragung war notwendig und deshalb auch gewollt, um die Rechtsfolgen der Anwachsung herbeizuführen.

c) Zwar entsteht auch dann keine Börsenumsatzsteuer, wenn Aktien gemäß § 237 des Aktiengesetzes (AktG) eingezogen werden (vgl. das zu § 227 des Handelsgesetzbuches - HGB - ergangene RFH-Urteil vom 17. November 1931 II A 363/31, RFHE 30, 104). Jedoch läßt sich auch diese Rechtsprechung auf den Streitfall nicht übertragen, weil als Folge der Einziehung von Aktien das Grundkapital um deren Gesamtnennbetrag herabgesetzt wird (§ 238 Satz 1 AktG). Die Rückgabe der Aktien dient deshalb dem alleinigen Zweck, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Sie werden nicht ihrem wirtschaftlichen Wert nach auf die Gesellschaft übertragen. Der Streitfall ist dagegen gerade in diesem Punkt anders gelagert. Mit dem Gesellschafterbeschluß vom 22. November 1982 wurde gerade der Zweck verfolgt, die Kommanditanteile an der X-GmbH & Co. KG auch ihrem wirtschaftlichen Wert nach auf die Klägerin zu übertragen.

d) Mit seiner Entscheidung weicht der erkennende Senat von dem Urteil des II. Senats des BFH in BFHE 129, 513, BStBl II 1980, 236 ab. Einer Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO bedarf es deshalb jedoch nicht, weil der erkennende Senat für Rechtsstreitigkeiten, die die Kapitalverkehrsteuern betreffen, heute allein zuständig ist.

3. Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht.