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  BFH-Urteil vom 25.9.1991 (I R 130/90) BStBl. 1992 II S. 172

Bei Anwendung der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV ist die Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs nach § 50 a EStG (hier: Aufsichtsratsteuer) dann nicht um die vom ausländischen Unternehmer geschuldete Umsatzsteuer zu erhöhen, wenn diese bei ihm gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1980 nicht erhoben wird.

EStG § 8, § 50 a; UStG 1980 § 19 Abs. 1; UStDV 1980 § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 1, § 57 Abs. 3; DBA-Schweiz Art. 16.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Inland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von ....

Zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Klägerin waren drei in der Schweiz ansässige Personen bestellt. Diese erfüllten hinsichtlich ihrer von der Klägerin bezogenen Aufsichtsratsvergütung die Voraussetzungen der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Einen Abzug der Umsatzsteuer nach §§ 51 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980 wegen der Aufsichtsratstätigkeit nahm die Klägerin nicht vor, da sie insoweit die sog. Nullregelung des § 52 Abs. 2 UStDV 1980 anwendete.

Die Aufsichtsratsteuer gemäß § 50 a Abs. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) meldete die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an, ohne die Vergütung um eine von den Aufsichtsräten geschuldete Umsatzsteuer zu erhöhen.

Das FA vertrat infolge des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 21. Januar 1982 IV B 4 - S 2303 - 1/82 (Der Betrieb - DB - 1982, 303) die Auffassung, daß für die Bemessung der Aufsichtsratsteuer der Vergütung die Umsatzsteuer hinzuzurechnen sei, und nahm deshalb die Klägerin für zu wenig einbehaltene Abzugsteuer von 5.183 DM in Haftung. Der Einspruch blieb dem Grunde nach erfolglos. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 50 a Abs. 2 und 3 EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung nicht.

Nach § 50 a Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 EStG unterliegt dem Steuerabzug der volle Betrag der Aufsichtsratsvergütung ohne jeden Abzug, wenn er dem Gläubiger zugeflossen ist. Bei Anwendung der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV 1980 wird der ausländische Unternehmer - im Streitfall der jeweilige ausländische Aufsichtsrat - von seiner Umsatzsteuerschuld befreit. Die Einnahme i. S. des § 8 Abs. 1 EStG liegt somit - wie der Senat in den Urteilen vom 30. Mai 1990 I R 57/89 (BFHE 161, 97, BStBl II 1990, 967) und I R 6/88 (BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235) erkannt hat - in der Befreiung von einer Verbindlichkeit und ist gemäß § 8 Abs. 2 EStG in Höhe der vom ausländischen Unternehmer geschuldeten Umsatzsteuer anzusetzen. Dies gilt gleichermaßen für die Bemessung der Aufsichtsratsteuer gemäß § 50 a Abs. 1, Abs. 3 EStG (ebenso Abschn. 227 c Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1984 bis 1990). Der Zeitpunkt des Zuflusses fällt mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der Aufsichtsratsvergütung zusammen. Dies hat das FG verkannt.

Insbesondere ist die Tätigkeit der schweizerischen Aufsichtsräte für die Klägerin als sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerbar. Aufsichtsratsmitglieder werden als Unternehmer tätig (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810, und vom 2. Oktober 1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42). Dies gilt nicht nur für Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, sondern ebenfalls für Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH. Durch die Regelung des Leistungsorts für Aufsichtsratsmitglieder mit Wirkung vom 1. Januar 1985 in § 3 a Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 UStG 1980 hat der Gesetzgeber indirekt die Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern bestätigt (Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 1 und 2 Rz. 124, Stichwort Aufsichtsratsmitglieder).

Ebenso führten die Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin ihre Umsätze im Erhebungsgebiet aus. Dies folgt zumindest aus § 3 a Abs. 5 UStG 1980 i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 2 UStDV 1980, weil die Leistung an einen im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer (die Klägerin) erbracht und dort genutzt oder ausgewertet wurde (Giesberts, a. a. O., § 3 a Rz. 244).

2. Indes war die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil es - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - nicht festgestellt hat, ob die Aufsichtsräte der Klägerin als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1980 zu behandeln sind und ob sie nicht auf die Anwendung dieser Regelung verzichtet haben. Bei ausländischen Unternehmern kommt ein Verzicht insbesondere auch dann in Betracht, wenn sie die Vergütung von Vorsteuern gemäß §§ 59 ff. UStDV beantragten (§ 61 Abs. 1 Satz 4 UStDV 1980). Sollte das FG jene beiden Voraussetzungen feststellen, dann hätte das FA die Bemessungsgrundlage der Aufsichtsratsteuer zu Unrecht um die Umsatzsteuer erhöht (vgl. auch BFH-Urteil vom 8. Mai 1991 I R 14/90, nicht veröffentlicht - n. v. -). Die Anwendung der Nullregelung befreite in diesem Fall die Aufsichtsräte nicht von einer Umsatzsteuerverbindlichkeit, da bei Kleinunternehmern i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1980 die geschuldete Umsatzsteuer nicht zu erheben ist. § 53 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1980, wonach § 19 UStG nicht anzuwenden ist, schließt diese Vorschrift nur für das Abzugsverfahren (vgl. den Wortlaut des § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG 1980), nicht aber für die endgültige Besteuerung der Umsätze des ausländischen Unternehmers aus. Dies folgt aus § 53 Abs. 1 Satz 3 UStDV 1980, wonach das FA "zur Vereinfachung des Abzugsverfahrens" den Leistungsempfänger von der Verpflichtung befreien kann, die Steuer einzubehalten und abzuführen, soweit zu erwarten ist, daß der nicht im Erhebungsgebiet ansässige Unternehmer "aufgrund des Umsatzfreibetrages von 20.000 DM (§ 19 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes)" keine Umsatzsteuer zu entrichten hat. Die Vergünstigungen des § 19 UStG können ansonsten von nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Aufsichtsratsmitgliedern nur im Wege der Veranlagung geltend gemacht werden (Abschn. 238 Abs. 10 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1988). Die im Abzugsverfahren einbehaltene und abgeführte Steuer wird dabei angerechnet. Umsätze, für die die Nullregelung angewendet wurde, sind jedoch bei der Berechnung des zu erstattenden Steuerbetrages gemäß § 57 Abs. 3 Satz 1 UStDV 1980 nicht zu berücksichtigen. Das Aufsichtsratsmitglied erhält insoweit bei Anwendung der Nullregelung auch keinen anderen geldwerten Vorteil i. S. des § 8 EStG in Form eines Anspruchs auf Erstattung einbehaltener Steuer.

Sollten allerdings die Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin nicht als Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1980 anzusehen sein, so wird das FG zu prüfen haben, ob die vereinbarte Aufsichtsratsvergütung "brutto" oder "netto" geschuldet, d. h. ob die Umsatzsteuer in dieser Vergütung enthalten ist oder nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidung in BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235.

Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971/30. November 1978 - DBA-Schweiz - (BGBl II 1972, 1022, und 1980, 751) steht der vorstehenden rechtlichen Würdigung nicht entgegen. Nach Art. 16 DBA-Schweiz können die Aufsichtsratsvergütungen der in der Schweiz ansässigen Aufsichtsräte in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, wenn sie von einer "in der Bundesrepublik" ansässigen Gesellschaft bezogen werden. Die Befreiung von seiner Umsatzsteuerverbindlichkeit, die das in der Schweiz ansässige Aufsichtsratsmitglied erfährt, ist insoweit als Bezug oder Vergütung i. S. des Art. 16 DBA-Schweiz anzusehen (vgl. BFH in BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235).