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  BFH-Urteil vom 10.10.1991 (XI R 31/90) BStBl. 1992 II S. 197

Die Berücksichtigung eines nach § 10 d EStG rückzutragenden Verlustes läßt sich nicht durch die Änderung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids erreichen.

EStG § 10 d, § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. c, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 42 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Jahre 1981 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; ein Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren wurde durchgeführt. 1983 erzielte der Kläger neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nach Ergehen eines Schätzungsbescheids reichte der Kläger am 6. März 1986 für 1983 eine Einkommensteuererklärung beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ein. Unter Berücksichtigung eines Verlustes aus Gewerbebetrieb in Höhe von 68.101 DM ermittelte das FA einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von 40.731 DM und setzte die Einkommensteuer auf 0 DM fest. Am 21. August 1986 beantragte der Kläger einen Verlustrücktrag in Höhe von 40.731 DM auf das Jahr 1981. Mit Bescheid vom 27. August 1986 lehnte das FA eine Änderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids 1981 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hob das Finanzgericht (FG) im Urteil vom 24. November 1988 den Ablehnungsbescheid auf und verpflichtete das FA, für 1981 einen geänderten Lohnsteuer-Jahersausgleichsbescheid zu erlassen und dabei den begehrten Verlustrücktrag zu berücksichtigen. In der Begründung führte es aus, daß nach § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) für vorangegangene Veranlagungszeiträume erlassene Steuerbescheide insoweit geändert werden könnten, als in den Folgejahren ein rücktragsfähiger Verlust eintrete. Zu den zu ändernden Steuerbescheiden zählten auch Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheide.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Ein Verlustabzug nach § 10 d EStG könne nur im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung für das Jahr erfolgen, in dem der Verlust abgezogen werden solle. Ein solcher Antrag sei gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 EStG für den zweiten vorausgegangenen Veranlagungszeitraum bis zum Ablauf des diesem folgenden vierten Kalenderjahres zu stellen. Werde ein Arbeitnehmer nicht bereits aus anderen Gründen zur Einkommensteuer veranlagt, müsse er die Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. c EStG beantragen. Einen derartigen Antrag habe der Kläger innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist nicht gestellt. Über den Antrag auf Änderung des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1981 könne er die Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes aus dem Jahre 1983 nicht erreichen, da im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich nur über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erstattungsanspruchs entschieden werde, nicht aber - wie in einem Einkommensteuerbescheid - über den gesamten Einkommensteueranspruch. Das FA beruft sich insoweit auf den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84 (BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207) und das Urteil des BFH vom 29. September 1988 IV R 217/85 (BFHE 155, 94, BStBl II 1989, 196).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Eine Änderung des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1981 unter Berücksichtigung des beantragten Verlustrücktrags aus 1983 ist nicht möglich. Nach § 10 d EStG in der für 1983 gültigen Fassung (EStG 1981 vom 6. Dezember 1981, BGBl I 1981, 1249, BStBl I 1981, 666, geändert durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) sind Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von insgesamt 5 Mio. DM wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen. Sind für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume bereits Steuerbescheide erlassen worden, so sind sie insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren ist. Das gilt auch dann, wenn die Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Verjährungsfristen enden insoweit nicht, bevor die Verjährungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem Verluste nicht ausgeglichen werden. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. c EStG wird eine Einkommensteuerveranlagung, wenn keine anderen Gründe sie erforderlich machen, auf Antrag durchgeführt, wenn Verlustabzüge nach § 10 d EStG berücksichtigt werden sollen. Der Antrag auf Berücksichtigung eines Verlustabzugs im zweiten vorangegangenen Veranlagungszeitraum ist nach § 46 Abs. 2 Satz 3 EStG bis zum Ablauf des diesem folgenden vierten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.

Da der Kläger den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung für 1981 erst nach dem 31. Dezember 1985 abgegeben hat, kann der Verlust nicht mehr in einem Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr berücksichtigt werden. Auch eine Änderung des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 kommt nicht in Betracht. Wird ein Arbeitnehmer nicht aus anderen Gründen zur Einkommensteuer veranlagt, muß er zur Durchführung eines Verlustabzugs aus einem Folgejahr nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. c EStG innerhalb der besonderen Ausschlußfrist des § 46 Abs. 2 Satz 3 EStG die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen. Dieses Verfahren ist nicht nur durch die genannten Vorschriften zwingend vorgeschrieben, sondern auch sachlich begründet. Der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich ist kein Steuerbescheid i. S. von § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG. In ihm wird, wie sich aus § 42 Abs. 4 EStG ergibt, lediglich über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erstattungsanspruchs hinsichtlich der einbehaltenen Lohnsteuer entschieden, nicht aber - wie im Einkommensteuerbescheid - über die Steuerschuld des Steuerpflichtigen. Die Bescheide über Einkommensteuer und Lohnsteuer-Jahresausgleich haben unterschiedliche Regelungsinhalte und beinhalten unterschiedliche Feststellungen. Die Abgrenzungskriterien sind im Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207, und im Urteil in BFHE 155, 94, BStBl II 1989, 196 ausführlich dargestellt. Die Rechtsauffassung, daß der Verlustabzug nicht im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren durchführbar ist, wird auch in der Literatur einhellig vertreten (vgl. von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Anm. A 190 zu § 10 d; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., Anm. 24 c zu § 46, und Heinicke, ebenda, Anm. 6 zu § 10 d; Orth in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Anm. 131 zu § 10 d EStG).

Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren Verluste aus anderen Einkunftsarten nicht berücksichtigt werden und aus diesem Grunde ein Arbeitnehmer - abweichend von anderen Steuerpflichtigen - ggf. gehalten ist, sowohl einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich zu stellen als auch eine Einkommensteuererklärung abzugeben, bestehen nicht, da dies durch die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens sachlich gerechtfertigt ist (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 1974 1 BvR 318/74, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1974, 498).

Da die Vorinstanz einen anderen Rechtsstandpunkt eingenommen hat, waren das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.