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  BFH-Urteil vom 8.11.1991 (VI R 191/87) BStBl. 1992 II S. 204

Führt ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit dem eigenen PKW durch und erstattet ihm der Arbeitgeber neben den Kilometerpauschsätzen die gesamten Beiträge für die Fahrzeug-Vollversicherung, so stellt dies auch insoweit steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, als die Versicherungsprämien auf Privatfahrten und auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen (Anschluß an das Senatsurteil vom 21. Juni 1991 VI R 178/88, BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814).

EStG 1980 § 19 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1988, 122)

Sachverhalt

Die Außendienstmitarbeiter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) benutzten in den Streitjahren 1980 und 1981 für Dienstfahrten das eigene Kfz. Sie waren durch die Klägerin angewiesen, eine Fahrzeug-Vollversicherung abzuschließen. Die Versicherungsprämien erstattete ihnen die Klägerin steuerfrei. Daneben zahlte die Klägerin als Fahrtkostenersatz - ebenfalls steuerfrei - ein monatliches Fixum sowie eine Kilometerpauschale zwischen 0,15 DM und 0,19 DM.

Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) fest, daß die Summe der Erstattungen für Dienstfahrten - bei Umrechnung auf die gefahrenen Kilometer - die Kilometerpauschale von 0,36 DM nach Abschn. 25 Abs. 8 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1981 überstieg. Das FA sah die über die Pauschale hinausgehenden Beträge als Arbeitslohn an und forderte die darauf entfallende Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer von der Klägerin durch Haftungsbescheid nach. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 122). Es führte aus, die erstatteten Versicherungsprämien seien nicht als Arbeitslohn zu beurteilen. Der Arbeitgeber sei arbeitsrechtlich zum Ersatz des Unfallschadens verpflichtet, den ein Arbeitnehmer auf einer dienstlichen Fahrt mit dem eigenen PKW erleide. Indem die Klägerin ihre Außendienstmitarbeiter zum Abschluß einer Vollkaskoversicherung verpflichte und ihnen die Beiträge hierfür erstatte, vermeide sie, bei Dienstreiseunfällen von den Arbeitnehmern in Anspruch genommen zu werden. Zwar decke die Versicherung zwangsläufig auch die bei Privatfahrten entstandenen Unfallschäden ab, da es eine auf berufliche Unfälle beschränkte Vollkaskoversicherung nicht gebe. Die Klägerin zahle die Beiträge aber nicht als zusätzliche Entlohnung, sondern um sich vor Ansprüchen der Arbeitnehmer zu schützen; sie handele somit aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse.

Mit der - vom FG zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es meint, die Erstattung der Versicherungsbeiträge sei Arbeitslohn, weil sie durch das Dienstverhältnis veranlaßt sei.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Senat hat sich bereits in den Urteilen vom 21. Juni 1991 VI R 178/88 (BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814) und 27. Juni 1991 VI R 3/87 (BFHE 164, 553) mit den lohnsteuerrechtlichen Auswirkungen von Fahrzeug-Vollversicherungen befaßt.

Im Fall in BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814 hatte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern für Aufwendungen bei Dienstreisen die dafür in den LStR vorgesehenen Kilometerpauschalen steuerfrei gezahlt. Daneben hatte er ihnen noch die Prämien für die von ihnen selbst abgeschlossenen Fahrzeug-Vollversicherungen insoweit erstattet, als die Prämienanteile auf die Dienstreisekilometer entfielen. Nach seiner bisherigen Rechtsprechung, an der der Senat festhält, sind durch die Kilometerpauschalen auch die Kosten für eine Fahrzeug-Vollversicherung abgegolten. Da der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern diese Kosten im Wege der Zahlung der Kilometerpauschsätze bereits steuerfrei erstattet hatte, konnte die nochmalige Erstattung dieser Kosten durch Einzelabrechnung nur als Lohnzuwendung qualifiziert werden. Dabei hatte der Senat keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob Reisekostenvergütungen als steuerbarer Arbeitslohn anzusehen sind oder ob der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) konstitutiver oder nur deklaratorischer Charakter beizumessen ist (vgl. dazu Thomas, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1991, 1369; v. Bornhaupt, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1990, 46).

Im Urteilsfall in BFHE 164, 553 hatte der Arbeitgeber für die Dienstreisen, die seine Arbeitnehmer mit ihrem eigenen Kfz unternahmen, eine betriebliche Dienstreise-Kaskoversicherung abgeschlossen. Die Prämienzahlung durch den Arbeitgeber sah der Senat nicht als eine Lohnzuwendung an die Arbeitnehmer an, da der Arbeitgeber die Dienstreise-Kaskoversicherung im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse vereinbart hatte. Dieser Urteilsfall wies insoweit eine Parallele zu dem Fall in BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814 auf, als der Arbeitgeber auch hier den Arbeitnehmern die mit den Dienstreisen erwachsenen Kfz-Kosten in Höhe der Kilometerpauschsätze der LStR steuerfrei erstattet hatte. Da der Arbeitgeber bereits durch Abschluß der Dienstreise-Kaskoversicherung Kosten getragen hatte, die durch Kilometerpauschsätze als abgegolten gelten, erschien es dem Senat gerechtfertigt, die Kilometerpauschsätze um die auf die einzelnen Dienstreisekilometer entfallenden anteiligen Kosten der Dienstreise-Kaskoversicherung hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer zu kürzen, die selbst keine Fahrzeug-Vollversicherung abgeschlossen hatten. Hierdurch kam es in beiden Urteilsfällen in BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814, und BFHE 164, 553 zum gleichen steuerlichen Ergebnis, was dadurch gerechtfertigt ist, daß es keinen Unterschied machen kann, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die von diesem für die Fahrzeug-Vollversicherung aufgewendeten Prämien anteilig erstattet oder ob der Arbeitgeber selbst eine Dienstreise-Kaskoversicherung abschließt.

2. Im vorliegend zu entscheidenden Streitfall hatte die Klägerin ihren Arbeitnehmern sowohl die Kilometerpauschsätze für Dienstreisen als auch die gesamten Prämien für die von den Arbeitnehmern selbst abgeschlossenen Vollkasko-Versicherungen ohne Vornahme eines Lohnsteuerabzugs erstattet. Die Klägerin hatte ihren Arbeitnehmern damit - anders als im Urteilsfall BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814 - nicht nur die anteilig auf die Dienstreisen entfallenden Prämien zur Kaskoversicherung, sondern auch den Anteil der Prämien ersetzt, der auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie auf die Privatfahrten der Arbeitnehmer entfiel. Hier stellt sich die Erstattung der Versicherungsprämien in vollem Umfang als Lohnzuwendung dar:

a) Soweit Prämienteile auf die Dienstreisekilometer entfallen, erweist sich die Erstattung wie im Urteilsfall in BFHE 164, 548, BStBl II 1991, 814 neben den gewährten Kilometerpauschsätzen als nochmalige Erstattung derselben Kosten, die allein schon aus diesem Grunde als Lohnzuwendung zu qualifizieren ist.

b) Auch hinsichtlich des Anteils der Versicherungsprämien, der auf die Privatfahrten und die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfällt, ist die Erstattung als Lohnzuwendung zu werten. Dieser den Arbeitnehmern in Form des Versicherungsschutzes für private Fahrten zugewendete geldwerte Vorteil ist nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin getätigt worden. Die Klägerin war nämlich nicht gezwungen, diesen Risikobereich der Arbeitnehmer mitversichern zu lassen. Denn es besteht, wie der Urteilsfall in BFHE 164, 553 zeigt, für den Arbeitgeber die Möglichkeit, zur Absicherung allein des Risikos bei Dienstreisen eine Dienstreise-Kaskoversicherung abzuschließen.

3. Wenn auch die Erstattung der gesamten Kaskoprämien durch die Klägerin an ihre Arbeitnehmer als Lohnzuwendung zu qualifizieren ist, konnte die Klägerin gleichwohl insoweit von einem Lohnsteuerabzug absehen, als die Prämien anteilig auf die Fahrten der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfielen. Nach den in den Streitjahren geltenden LStR (Abschn. 24 Abs. 4 LStR 1978 bzw. Abschn. 24 Abs. 6 LStR 1981) war es dem Arbeitgeber erlaubt, dem Arbeitnehmer für die Benutzung des eigenen Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerfreien Kostenersatz bis zu den Pauschbeträgen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu leisten. Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob diese Art des steuerfreien Werbungskostenersatzes mit der Gesetzeslage in Einklang stand. Verfuhr ein Arbeitgeber entsprechend dieser Richtlinienregelung, so konnte er jedenfalls insoweit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben weder durch Haftungs- noch durch Pauschalierungsbescheid in Anspruch genommen werden.

4. Die Vorentscheidung entspricht nicht den vorstehenden Rechtsgrundsätzen; sie war daher aufzuheben. Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung die Anteile der Kaskoversicherungs-Prämien ermitteln müssen, die auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfielen. Diese Lohnzuwendung konnte die Klägerin ohne Lohnsteuerabzug vornehmen, so daß insoweit ihre Inanspruchnahme ausscheidet. Im übrigen erweist sich die Klage als unbegründet.