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  BFH-Urteil vom 31.7.1991 (I R 5/89) BStBl. 1992 II S. 264

1. Der Anspruch auf Investitionszulage gemäß § 4 b InZulG i. d. F. der Bekanntmachung vom 4. Juni 1982 (BGBl I 1982, 646, BStBl I 1982, 562) steht bei Betriebsaufspaltungen sowohl dem investierenden Besitzunternehmen als auch der die Investitionsgüter nutzenden Betriebsgesellschaft zu (Gesamtgläubigerschaft).

2. Macht die Betriebsgesellschaft den Anspruch geltend, so ist die Investitionszulage im verwendbaren Eigenkapital gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 (EK 02) zu erfassen.

InvZulG i. d. F. der Bekanntmachung vom 4. Juni 1982 § 4 b Abs. 1 und Abs. 6; KStG 1977 §§ 30 Abs. 2 Nrn. 2 und 4, 47.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Sie hat die für ihren Betrieb erforderlichen Anlagen von dem Besitzunternehmen A, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), gepachtet. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegen vor.

In den Jahren 1983 und 1984 erhielt die Klägerin auf ihren Antrag Investitionszulagen zur Förderung der Beschäftigung gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 4. Juni 1982 (BGBl I 1982, 646, BStBl I 1982, 562) - 1983: 6.357 DM; 1984: 252.262 DM -. Die begünstigten Investitionen wurden vom Besitzunternehmen auf eigene Rechnung in dessen an die Klägerin verpachteten Betriebsvermögen vorgenommen.

Im Jahr 1985 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. In der Schlußbesprechung wurde über alle anstehenden Fragen Übereinstimmung erzielt. Für die Klägerin nahmen an der Schlußbesprechung ihre Geschäftsführer und ihr Steuerberater teil. Die Steuerverwaltung war durch den Vorsteher des für das Besitzunternehmen zuständigen Finanzamts, einen Sachbearbeiter dieses Finanzamts sowie den Betriebsprüfungs-Sachgebietsleiter und den Prüfer vertreten.

Nach dem Prüfungsbericht wurden die Investitionszulagen 1982 in Höhe von 6.357 DM und 1983 in Höhe von 252.262 DM dem verwendbaren Eigenkapital gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977 (EK 04) zugerechnet. Bei Auswertung des Prüfungsberichts teilte das für die Veranlagung der Klägerin zuständige Finanzamt (der Beklagte und Revisionskläger - FA -) der Klägerin mit, daß ausschließlich die Klägerin Anspruch auf Investitionszulage gehabt habe. Deshalb seien die Investitionszulagen keine Einlagen des Besitzunternehmens in die Klägerin, sondern deren eigene steuerfreie Vermögensmehrungen. Die Investitionszulagen seien deshalb im verwendbaren Eigenkapital gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 (EK 02) zu gliedern.

2. Gegen die entsprechend berichtigten Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG 1977 erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, weil die Investitionszulage nicht der Klägerin, sondern der Besitzgesellschaft als der Investorin zustünde. In das Vermögen der Klägerin könne die Zulage nur im Wege einer Einlage gelangt sein. Sie sei deshalb im EK 04 zu gliedern.

3. Das FA rügt mit seiner Revision die unrichtige Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 30 KStG 1977.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Zuordnung der Investitionszulage 1983 in Höhe von 6.357 DM zum EK 02 auf den 31. Dezember 1983 und der Investitionszulage 1984 in Höhe von 252.262 DM zum EK 02 auf den 31. Dezember 1984 wendet.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die in den Jahren 1982 und 1983 an die Klägerin gewährten Investitionszulagen sind im verwendbaren Eigenkapital der Klägerin dem Betrag gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 ("sonstige Vermögensmehrungen, die nicht der Körperschaftsteuer unterliegen" = EK 02) zuzurechnen. Es handelt sich um Vermögensmehrungen der Klägerin aufgrund eigener Ansprüche.

2. Gemäß § 4 b Abs. 1 InvZulG steht der Anspruch auf Gewährung von Investitionszulage dem Steuerpflichtigen zu, der begünstigte Investitionen in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland vornimmt. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht zwar für die Auffassung des FG, daß der Anspruch auf Investitionszulage nur demjenigen zusteht, der für eigene Rechnung Investitionen tätigt.

Gleichwohl stand neben der investierenden Besitzgesellschaft auch der Klägerin ein Anspruch auf Investitionszulage zu. Gemäß § 4 b Abs. 6 InvZulG werden zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens und des Vergleichsvolumens dem nutzenden Unternehmen zugerechnet, wenn das die Nutzung überlassende Unternehmen an dem nutzenden Unternehmen unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 v. H. beteiligt ist (§ 4 b Abs. 6 Nr. 1 InvZulG). Das gleiche gilt, wenn an dem nutzenden und dem die Nutzung überlassenden Unternehmen dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 v. H. beteiligt sind (§ 4 b Abs. 6 Satz 2 InvZulG).

Diese "Konzernklausel" enthält nicht nur eine Berechnungsvorschrift für die Ermittlung des Begünstigungsvolumens und des Vergleichsvolumens. Sie gewährt dem nutzenden Unternehmen auch - neben dem investierenden Unternehmen - einen eigenen Anspruch auf Investitionszulage. Würde das Gesetz nur dem investierenden Besitzunternehmen einen Anspruch auf Investitionszulage gewähren, so wären Investitionen in Betriebsaufspaltungsfällen in aller Regel nicht zulageberechtigt. Das Besitzunternehmen besäße wegen der Sonderregelung des § 4 b Abs. 6 InvZulG kein Vergleichsvolumen, und das Betriebsunternehmen erhielte mangels eigener Investitionen ebenfalls keine Investitionszulage. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat deshalb aus der widersprüchlichen Fassung des Gesetzes gefolgert, daß sowohl das investierende Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen, dem die Investitionen zugerechnet werden, einen gemeinsamen Anspruch auf Investitionszulage (Gesamtgläubigerschaft i. S. des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) besitzen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242; Blümich/Dankmeyer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 4 b InvZulG Rz. 128 c). Dem gemeinsamen Anspruch entspricht auch ein gemeinsames Antragsrecht (BFH in BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen der Konzernklausel erfüllt. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, daß zwischen der Klägerin und dem investierenden Besitzunternehmen eine Betriebsaufspaltung bestand. Sie ist nur denkbar, wenn die das Besitzunternehmen beherrschenden Personen auch in der Klägerin als Betriebsgesellschaft ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen vermögen (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1987 VIII R 36/84, BFHE 150, 356, BStBl II 1987, 858). Das setzt eine der Konzernklausel des § 4 b Abs. 6 InvZulG entsprechende Beteiligung voraus. Es kann dabei dahinstehen, ob die Beteiligung der Gesellschafter des Besitzunternehmens an der Klägerin als eigene Beteiligung des Besitzunternehmens anzusehen ist (so Blümich/Dankmeyer, a. a. O., Rz. 132; vgl. § 4 b Abs. 6 Nr. 1 InvZulG), oder ob eine mehrheitliche Beteiligung der hinter beiden Unternehmen stehenden Personengruppe an beiden Unternehmen vorliegt (§ 4 b Abs. 6 Satz 2 InvZulG).

Da die Voraussetzungen des § 4 b Abs. 6 InvZulG im Streitfall vorliegen, ist auch ein eigener Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage anzunehmen (BFH in BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242). Die Klägerin hat diesen Anspruch auch aufgrund des ihr zustehenden Antragsrechts geltend gemacht. Sie hat damit die Investitionszulage aufgrund eigener Ansprüche als eigene Vermögensmehrung erhalten. Steuerfreie Vermögensmehrungen aufgrund eigener Ansprüche sind im verwendbaren Eigenkapital gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 zu gliedern.

Abweichend von der Auffassung des FG steht der Zurechnung der Investitionszulage im EK 02 nicht entgegen, daß die Ausschüttung dieser Vermögensmehrung an Gesellschafter der Klägerin die Herstellung der Ausschüttungsbelastung auslöst. Das KStG 1977 behandelt die Kapitalgesellschaft und den Anteilseigner als verschiedene Steuersubjekte. Es kennt keinen allgemeinen Rechtssatz dahin gehend, daß Steuerbefreiungen einer Kapitalgesellschaft sich auch auf den Anteilseigner erstrecken müssen, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Gewinn ausschüttet (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1990 I R 15/88, BFHE 162, 222, BStBl II 1991, 150, und vom 12. Dezember 1990 I R 43/89, BFHE 163, 162, BStBl II 1991, 427, 430 f.).

3. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Klage auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben begründet ist.

Eine Bindung der Steuerbehörden an die vom Prüfer vertretene Rechtsauffassung bestand weder aus dem Gesichtspunkt einer "tatsächlichen Verständigung" noch aus Gründen des Vertrauensschutzes. In der Schlußbesprechung wurde keine "tatsächliche Verständigung" im Sinne des BFH-Urteils vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76 (BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354) erzielt. Die vom FG festgestellte Übereinstimmung bezog sich nicht auf tatsächliche Merkmale, sondern auf die Rechtsfrage der Zurechnung zum EK 04.

An die vom Prüfer vertretene Rechtsauffassung war das FA nicht gebunden. Eine Bindung konnte neben anderen Gründen bereits deshalb nicht eintreten, weil der zuständige Sachgebietsleiter des FA an der Schlußbesprechung nicht teilgenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, m. w. N.).