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  BFH-Urteil vom 10.1.1992 (III R 103/87) BStBl. 1992 II S. 297

Der Antrag auf getrennte Veranlagung des einkunftslosen Ehegatten ist auch dann unbeachtlich, wenn dem anderen Ehegatten eine Steuerstraftat zur Last gelegt wird.

EStG § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26 a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1987, 462)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist verheiratet. Er wurde für das Streitjahr 1983 mit seiner Ehefrau, die keine Einkünfte bezogen hatte, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dabei verwertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) das Ergebnis einer bei dem Kläger durchgeführten Fahndungsprüfung. Die Prüfung hatte ergeben, daß der Kläger seit Januar 1983 einen .... handel betrieben und daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen hatte.

Mit seinem Einspruch gegen diesen Steuerbescheid machte der Kläger geltend, er sei nur in geringfügigem Umfang auf Provisionsbasis, im übrigen aber als Strohmann für einen Dritten tätig gewesen. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.

Auch die Ehefrau des Klägers legte Einspruch ein und erhob nach dessen Zurückweisung Klage. Während dieses Klageverfahrens beantragte die Ehefrau des Klägers die getrennte Veranlagung mit der Begründung, mit der Angelegenheit ihres Mannes wolle sie nichts zu tun haben. Ihre Klage wurde wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.

Dagegen führte die vom Kläger erhobene Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 462 veröffentlichten Begründung zur Aufhebung des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung. Die Aufhebung wurde darauf gestützt, daß die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht vorgelegen hätten. Die Ehefrau des Klägers habe die getrennte Veranlagung beantragt. Da dieser Antrag nicht als willkürlich erscheine, müsse eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung des FG steht der auf getrennte Veranlagung gerichtete Antrag der Ehefrau des Klägers einer Zusammenveranlagung der Eheleute nach § 26 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht entgegen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung anderer Senate des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat, ist der einseitige Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung dann unwirksam, wenn dieser selbst keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, daß sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können (Urteile vom 28. August 1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156, m. w. N.; vom 3. Februar 1987 IX R 252/84, BFH/NV 1987, 774, und IX R 255/84, BFH/NV 1987, 751, und vom 30. November 1990 III R 195/86, BFHE 163, 341, BStBl II 1991, 451).

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Nach den Feststellungen des FG hatte die Ehefrau des Klägers im Streitjahr keine Einkünfte bezogen. Ihr Antrag auf getrennte Veranlagung war daher steuerlich und wirtschaftlich sinnlos, denn er würde in jedem Fall zu einer höheren Steuerfestsetzung für beide Ehegatten führen. Zwar ist die Ehefrau des Klägers aufgrund der Zusammenveranlagung nach § 44 der Abgabenordnung (AO 1977) neben ihrem Ehegatten, dem Kläger, Gesamtschuldnerin der festgesetzten Einkommensteuer, während sie bei getrennter Veranlagung nicht Schuldnerin sein würde. Nach dem Urteil des BFH vom 12. August 1977 VI R 61/75 (BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870) rechtfertigt dies jedoch keine andere rechtliche Beurteilung, da der einkunftslose Ehegatte die Möglichkeit hat, gemäß §§ 268 ff. AO 1977 eine Beschränkung seiner gesamtschuldnerischen Haftung herbeizuführen.

c) Nach Auffassung des Senats ist den berechtigten Interessen des einkunftslosen Ehegatten durch das Aufteilungsverfahren (§§ 268 ff. AO 1977) auch im Streitfall hinreichend Rechnung getragen. Demgegenüber vermag der Einwand nicht zu überzeugen, der einkunftslose Ehegatte könne zu Recht verlangen, nicht mit solchen Einkünften in Zusammenhang gebracht zu werden, durch deren Verschweigen sich der andere Ehegatte möglicherweise strafbar gemacht hat. Das FG verkennt dabei, daß auch der Zusammenveranlagung eine getrennte Zurechnung und Ermittlung der Einkünfte jedes Ehegatten vorangeht. Zwar werden nach § 26 b EStG die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, bei der Zusammenveranlagung zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet. Dadurch wird jedoch der den Bereich der Einkunftserzielung und -ermittlung beherrschende Grundsatz der Individualbesteuerung nicht berührt. Im übrigen genießt die Ehefrau auch insoweit den Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO 1977) gegenüber Dritten, die sie mit den durch eine mögliche Steuerstraftat ihres Ehegatten erzielten Einkünften in einen Zusammenhang bringen könnten.

2. Da der Antrag der Ehefrau danach unbeachtlich ist, bleibt es bei der vom FA gemäß § 26 Abs. 3 EStG durchgeführten Zusammenveranlagung. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang der Kläger im Streitjahr einen Gewinn aus Gewerbebetrieb als .... händler erzielt hat. Bei seiner erneuten Entscheidung kann das FG auch die Folgen aus der geänderten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Familienlastenausgleich berücksichtigen (vgl. § 54 Abs. 2 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes 1991, BGBl I 1991, 1322).